Debatte ums Genderverbot: Wehleidige Erschöpfung

Livia Sarai Lergenmüller zum Genderverbot in Bayern

Als würde Söders Politik nicht schon genug Sodbrennen verursachen, muss er obendrein leider auch noch ein elender Kulturkämpfer sein und so war es vergangene Woche wieder so weit: Die ganze Republik wurde mit der Gender-Debatte der CSU belästigt. Ab sofort soll nun also mit Rotstift angestrichen werden, wenn jemand in öffentlichen Institutionen Bayerns gendert.

Eigentlich wollte ich die Meldung einfach ignorieren. Dröge und erwartbar. Leider aber waren meine Social Media Kanäle geflutet von wütenden Gegenstimmen, meine Vermeidungsstrategie ging also nicht auf. Stattdessen musste ich mir allerhand kämpferische Bekenntnisse zum Genderstern durchlesen und wollte mir schon zwei Stunden später nur noch die Hände auf die Ohren drücken und laut anfangen zu singen.

Eines muss man den Rechten wirklich anerkennen: Sie haben es geschafft, das Gendern, einst eine zarte Zugabe zum feministischen Diskurs, zum nervigsten Thema des Jahrzehnts zu machen. Es ist ihnen gelungen, die Debatte derart auszuschlachten, dass man selbst seine cleversten Argumente nicht mehr bemühen möchte. Denn natürlich ist der Zwang zum generischen Maskulinum peinlich und lächerlich, tief ideologisch und obendrein exkludierend. Doch während die CSU mit ihrem Genderwahn Wählerstimmen sammelt, verliert unsereins nur noch unnötig Nerven.

Livia Sarai Lergenmüller

Livia Sarai Lergenmüller schreibt als freie Journalistin über Kultur und Gesellschaft mit einem Schwerpunkt auf geschlechtsspezifische Gewalt.

Lesen Sie auch: Genderverbote als Ausdruck eines rechten Kulturkampfes. Veronika Kracher über eine angebliche Sprachdiktatur, die das Gender-Sternchen vorschreibt.

Nun ist es ja aber so, dass es für einen Kulturkampf immer zwei braucht und so gibt es im politischen Mittelfeld allerhand Leute, die ihre politische Identität an den Sprachwandel koppeln. Auch meine sozialen Netzwerke haben das vergangene Woche wieder bewiesen und mir drei Tage lang zahlreiche erboste Statements geschenkt. »Jetzt erst recht«, hieß es da, Sprache schafft schließlich Realitäten und festigt Machtstrukturen, Sie wissen schon. 

Man wünscht allen Beteiligten, einmal tief durchzuatmen. Denn was sowohl die Gegner*innen als auch Verfechter*innen der geschlechtergerechten Sprache nicht merken, ist, dass alle anderen längst aus der Debatte ausgestiegen sind. Wenngleich wir die Argumente für das Gendern kennen und tausendfach aufgezählt haben, wissen wir auch, dass der antipatriarchale Kampf nicht am Binnen-I hängt – es ist einfach nicht wichtig genug, um diesen Energieaufwand zu rechtfertigen. Kulturkampf ist nun mal kein Klassenkampf. 

Die Diskussionen ums Gendern sind daher leider Zeitverschwendung. Politisch lässt sich hier nichts gewinnen und obendrein langweilt es enorm. Um endlich meine Ruhe von dem Thema zu haben, wäre ich sogar bereit, Söder und seinen Parteifreunden zuzugestehen: Ihr habt den Kulturkampf gewonnen. Ihr habt es geschafft, ich ergebe mich. Bitte lasst das Thema doch nun endlich bleiben und kümmert euch zum Beispiel mal wieder um die Eigenstaatlichkeit Bayerns oder vergleichbar irrelevantes. Nur bitte, lasst uns endlich in Frieden. 

Selbst die Studierendenvertretung der TU München erkannte die inhaltliche Sinnlosigkeit dieser Diskussion und forderte in einem Statement, die CSU solle den Fokus doch bitte auf die »realen Probleme« legen, etwa bezahlbaren Wohnraum. Diesbezüglich darf man von der CSU natürlich nichts erwarten, aber die inhaltliche Richtung stimmt. Das gilt auch für Linke.

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