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Ostermärsche: Tausende demonstrieren für Frieden

Beteiligung an den Ostermärschen liegt aber kaum über der des Vorjahres. Teilweise gab es Streit um die Palästina-Solidarität

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 5 Min.
In Berlin versammelten sich am Wochenende rund 3500 Menschen zum traditionellen Ostermarsch, um gegen Krieg und Aufrüstung zu protestieren.
In Berlin versammelten sich am Wochenende rund 3500 Menschen zum traditionellen Ostermarsch, um gegen Krieg und Aufrüstung zu protestieren.

Tausende Menschen haben sich am Wochenende an den Ostermärschen der Friedensbewegung beteiligt. In rund 120 Orten gab es am Wochenende Demonstrationen, Kundgebungen, Fahrradkorsos oder Mahnwachen. Die Ostermarschierer forderten eine Beendigung der Krieg in der Ukraine und im Gazastreifen sowie Abrüstung statt Aufrüstung. Deutschland müsse friedensfähig werden, nicht kriegstüchtig, hieß es in vielen Aufrufen und Redebeiträgen.

Wie viele Menschen genau auf die Straße gingen, lässt sich nur schwer ermitteln. Die Zahl der Teilnehmer dürfte bis Sonntag bei insgesamt 20 000 bis 30 000 und damit nur leicht über der des Vorjahres gelegen haben. Bekannte Gesichter der Friedensbewegung sehen diese gleichwohl gestärkt. Willi van Ooyen von der Ostermarsch-Infostelle in Frankfurt/Main etwa hob hervor, dass die Aktionen sowohl von schon langjährig aktiven wie auch von relativ neuen Initiativen organisiert worden seien.

Die zahlenmäßig wohl größte Veranstaltung fand am Samstag in Berlin statt. Mehrere tausend Menschen versammelten sich hier zur Auftaktkundgebung am Veranstaltungszentrum Kosmos in der Karl-Marx-Allee. Die Berliner Friedenskoordination hatte 6000 Teilnehmer angemeldet, die Berliner Polizei sprach von rund 3500 Teilnehmenden.

Zahlreiche Gruppen, darunter die Bildungsgewerkschaft GEW, die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes, die Linke und die Internationale Liga für Menschenrechte hatten den Aufruf unterstützt. Die Organisatoren hatten sich im Vorfeld gegen rechts abgegrenzt. In Redebeiträgen und auf Transparenten wurden Friedensverhandlungen in der Ukraine und im Gazastreifen, das Ende von Waffenlieferungen und ein Ende der Debatte um die Wiedereinführung der Wehrpflicht verlangt.

Weitere Forderungen betrafen den Abzug von Atomwaffen aus Deutschland, stärkere Investitionen in Soziales, Gesundheit und Umweltschutz und mehr Schutz für Geflüchtete. Beobachtern zufolge waren auch Schilder mit den Aufschriften »Freundschaft mit Russland – Viva Palästina« und »Genozid in Gaza« zu sehen.

Bei einer als alternativer Ostermarsch angekündigten Gegendemonstration des Ukraine-Bündnisses Vitsche proklamierten etwa 200 Menschen Solidarität mit den Opfern des russischen Angriffskrieges, das Motto lautete hier »Jetzt erst recht – Frieden muss verteidigt werden«.

Streit gab es auch in Leipzig. Im Rahmen des Ostermarsches mit etwa 400 Teilnehmern erfolgte die Verleihung des – nicht von der Stadt ausgelobten – »Leipziger Friedenspreises« an die Initiative Handala. Die Gruppe organisiert seit Beginn des Gaza-Krieges propalästinensische Aktionen. Handala wird vorgeworfen, die Terrorattacken der Hamas am 7. Oktober in einem inzwischen gelöschten Instagram-Post als legitimen Widerstand verklärt zu haben. Der Post zeigte die palästinensische Comic-Figur Handala mit einem Gleitschirm in der Hand, der an die Gleitschirmflieger der Hamas-Attacke erinnert.

Weitere Ostermärsche in den ostdeutschen Bundesländern gab es unter anderem in Brandenburg an der Havel, Chemnitz, Cottbus, Frankfurt (Oder) und Königs Wusterhausen. In Potsdam waren einige hundert Friedensbewegte wie in den Vorjahren bereits ein Wochenende vor Ostern durch die Stadt gezogen.

Mit einer Demo zur Urananreicherungsanlage im westfälischen Gronau starteten am Karfreitag die Ostermärsche in Nordrhein-Westfalen. Redner forderten die Stilllegung der Fabrik, die ebenso wie die Brennelementeschmiede im niedersächsischen Lingen vom Atomausstieg ausgeklammert ist, und wiesen darauf hin, dass in Gronau technisch auch Uran für Atombomben angereichert werden könne.

Jeweils mehrere hundert Aktive beteiligten sich an den verschiedenen Etappen des dreitägigen Ostermarsches Rhein-Ruhr von Duisburg über Bochum nach Dortmund. Bei der Auftaktkundgebung soll die Parole »From the river to the sea – Palestine will be free!« gerufen worden sein, was zu einer scharfen Distanzierung durch die Veranstalter führte. »Ich war fassungslos, dass es Menschen gibt, die bei aller Berechtigung über die Empörung über die auch vom israelischen Staat verursachten Gewalttaten dann selber zu Gewalt aufrufen«, zitierten lokale Medien den Mitorganisator Felix Oekentorp. Der Slogan habe bei den Ostermärschen »nichts zu suchen«.

Bei der Ostermarschkundgebung in Köln sagte die Linke-Bundestagsabgeordnete Kathrin Vogler, der Überfall Russlands auf die Ukraine habe sie erschüttert. Dennoch sei es ein Irrglaube der Bundesregierung zu meinen, dass »weitere Kriege in Europa vor allem dadurch verhindert werden könnten, dass man maximal aufrüstet«. In der aktuellen Situation sei eine Politik gefragt, die »den Frieden vorbereitet«.

Auch in Hessen wurde demonstriert. Auf dem Bebelplatz in Kassel fanden sich etwa 800 Menschen ein. Beim gemeinsamen Mainz-Wiesbadener Ostermarsch kamen am Hauptbahnhof der hessischen Landeshauptstadt rund 200 Leute zusammen. Jeweils zwischen 100 und 200 Teilnehmer wurden aus Gießen, Limburg, Erbach und Fulda und Bruchköbel bei Hanau gemeldet. In Niedersachsen und Bremen demonstrierten mehrere tausend Menschen bei insgesamt zwölf Ostermärschen, darunter knapp 1500 in Bremen und 1000 in Hannover. Auch an kleineren Orten gab es Kundgebungen. So zogen in Unterlüß bei Celle Demonstranten unter dem Motto »Das Blutvergießen muss aufhören« zur Fabrik des Rüstungskonzerns Rheinmetall.

Aus Sicht des Friedensbeauftragten der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Friedrich Kramer, sind die Ostermärsche ein klarer Friedensappell an die Politik. Angesichts der verstärkten russischen Angriffe in der Ukraine sei es »noch viel dringender zu schauen, wie kommt man aus diesen Kampfhandlungen raus, damit es nicht zum Desaster kommt«, sagte Kramer dem Radiosender Bayern2.

Der Friedensforscher Tobias Debiel von der Uni Duisburg-Essen schätzt Friedensdemonstrationen als »enorm wichtig« ein. Er warnte aber davor, dass die Friedensaktivisten den Anschluss an die jüngeren Generationen zu verlieren drohen. »Die Ostermarschbewegung versteht es nicht ausreichend, neue Bündnisse zu schmieden und viele ihrer althergebrachten Forderungen zu hinterfragen«, sagte der stellvertretende Direktor des Instituts für Entwicklung und Frieden (INEF). Leider sei es für viele jüngere Menschen aktuell »uncool, auf Demos zu gehen, bei denen viele älter als die eigenen Eltern seien. «Um auch für Jüngere attraktiv zu sein, muss es von den Aktionen, Rede- und Kulturbeiträgen her bunter werden.»

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