Berlin vor dem Sommer: Hauptstadt ohne Hitzeplan

Steigende Temperaturen gefährden obdachlose und alte Menschen – einen Landes-Hitzeplan will der schwarz-rote Senat aber erst 2025 beschließen

Die Straße des 17. Juni flimmert vor Hitze: Ein Bild, das sich wohl auch 2024 einfangen lassen wird.
Die Straße des 17. Juni flimmert vor Hitze: Ein Bild, das sich wohl auch 2024 einfangen lassen wird.

Einerseits freut sich der Linke-Abgeordnete Ferat Koçak auf den nahenden Berliner Sommer, andererseits macht er sich Sorgen. »Schwarz-Rot hat keinen Plan für die kommende Hitzewelle«, kritisiert der umweltpolitische Sprecher gegenüber »nd«. »Das trifft besonders Obdachlose.« Zu diesem Schluss kommt Koçak nach eigener Anfrage an den Senat, den die Gesundheitsverwaltung nun beantwortet hat.

Erst ab Mitte 2024 soll demnach ein Hitzeaktionsplan für das Land Berlin erarbeitet werden. Beschließen will ihn der Senat dann 2025. Konkrete Maßnahmen werden laut Gesundheitsverwaltung erst im Erarbeitungsprozess getroffen. In seiner Antwort verweist das Haus der SPD-Senatorin Ina Czyborra auf Vorgaben des Bundesumweltministeriums, die hierbei beachtet werden müssen. Hierbei könne man sich an dem Aktionsbündnis Hitzeschutz Berlin orientieren, das entsprechende Bausteine bereits für das Gesundheitswesen aufgegriffen habe.

Muckefuck: morgens, ungefiltert, links

nd.Muckefuck ist unser Newsletter für Berlin am Morgen. Wir gehen wach durch die Stadt, sind vor Ort bei Entscheidungen zu Stadtpolitik – aber immer auch bei den Menschen, die diese betreffen. Muckefuck ist eine Kaffeelänge Berlin – ungefiltert und links. Jetzt anmelden und immer wissen, worum gestritten werden muss.

Für Koçak ist das zu wenig. »Selbst darüber, was uns dann 2025 erwartet, wissen wir nichts«, sagt der Linke-Politiker. Der schwarz-rote Senat spiele auf Zeit, auch weil notwendige Maßnahmen wie Entsiegelungen nicht mit der eigenen Politik zu vereinbaren seien. Koçak nennt den Bebauungsvorstoß in Sachen Tempelhofer Feld, die geplante Abholzung des Neuköllner Emmauswaldes und in der Ostberliner Wuhlheide. »Die Koalition setzt vollständig auf Beton«, hält er fest.

Zugleich bleiben aus der Sicht des Abgeordneten wichtige Projekte auf der Strecke: Das einst unter der linken Sozialsenatorin Elke Breitenbach ausgerufene Housing-First-Prinzip habe unter Schwarz-Rot seine Priorität eingebüßt. Das Programm setzt der Berliner Obdachlosenpolitik die Devise, Betroffene möglichst schnell mit Wohnraum zu versorgen. Rund 18 000 Quadratmeter landeseigener Wohnfläche stünden derzeit leer, so Koçak. Neben Obdachlosen seien es außerdem vor allem alte Menschen, die durch starke Hitze gefährdet würden: »Diese Menschen wählen häufig SPD und CDU, doch Schwarz-Rot macht nichts für sie.«

»Der Senat beabsichtigt auch im Jahr 2024, Projekte im Rahmen der Hitzehilfe für obdachlose Menschen zu fördern«, versichert hingegen die Gesundheitsverwaltung. Doch: Die im Haushalt eingeplanten Pauschalen Minderausgaben, mit denen sich der Senat künftige Kürzungen selbst auferlegt hat, sorgen noch für Unklarheiten in der Ausgabenplanung. Um Versiegelung einzudämmen, will der Senat wiederum weiter in die Höhe bauen. Bei »einigen Neubauprojekten«, die auf versiegelten Brachflächen entstehen, werde »kalkulatorisch eine Flächenentsiegelung« erzielt.

Koçak fordert den Senat auf, Klarheit zu schaffen – und erinnert an den Volksentscheid »Berlin 2030 Klimaneutral«. Auch gegen ihn zogen CDU und SPD 2023 in den Wahlkampf. »Damals wurden alle Klimaversprechen auf das Sondervermögen geschoben. Jetzt merken wir: Das geht ja gar nicht«, sagt der Linke-Politiker. Das Klimasondervermögen war kürzlich vom Landesrechnungshof für unzulässig erklärt worden. Gleichzeitig, so Koçak, versuche der Senat, das Berliner Klimaschutzgesetz zu kippen. Dabei müsse die Koalition eigentlich auf eine Abschaffung der Schuldenbremse im Bund drängen.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal