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Ein neuer Goldrausch

Der Preis des Edelmetalls steigt derzeit kräftig. Experten rätseln über die Hintergründe

  • Hermannus Pfeiffer
  • Lesedauer: 4 Min.
Goldbarren beim Edelmetallhändler Pro Aurum
Goldbarren beim Edelmetallhändler Pro Aurum

Berlin, Hamburg, München – in vielen Städten erweitern Goldhandelsketten wie Ophirum oder Degussa gerade ihre Filialnetze. Das Edelmetall ist wieder mal schwer in Mode gekommen. Zu Ostern markierte der Preis ein neues Rekordhoch von 2266,85 US-Dollar je Feinunze. Sie wiegt gerade einmal 31,1034768 Gramm, was je nach Goldanteil nur einer oder zwei Münzen wie beispielsweise dem berühmten Krügerrand entspricht. Selbst Experten der großen Banken rätseln über die Hintergründe der internationalen Rallye.

Üblicherweise wird der Goldpreis von allgemeinen Erwartungen und der daraus folgenden Nachfrage geprägt. Das unterscheidet ihn von Aktienkursen. Das Auf und Ab einzelner Dividendenpapiere kann von wenigen Investmentfonds oder Spekulanten ausgelöst werden. Der Goldmarkt dagegen gilt als zu groß und zu zersplittert, um von Zockern dominiert zu werden.

Im Normalfall hat der Preis eine enge Bindung an die Leitzinsen der wichtigsten Zentralbanken. Steigen deren Leitzinssätze, wird eine Geldanlage in Gold weniger attraktiv – und umgekehrt. Da sich bei der Europäischen Zentralbank und der US-amerikanischen Fed seit Längerem Zinssenkungen abzeichnen, dürfte dies den Goldpreis beflügeln. »Diese Aussicht sorgt für mehr Käufe, denn Goldkurs und Zinsen verhalten sich oft gegenläufig«, bestätigt Ralf Scherfling, Finanzexperte der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen.

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Eine weitere beliebte Erklärung für einen zulegenden Goldpreis sind geopolitische Risiken. In der Tat könnte man auf die zuletzt wieder verstärkten Spannungen in Nahost, im Roten Meer oder auch im Ukraine-Krieg verweisen. Zwar legte auch der Ölpreis hierauf zu, aber weit weniger stark. »Daher kann uns auch dies den Preisanstieg bei Gold nicht hinreichend erklären«, schreibt Thu Lan Nguyen, Analystin der Commerzbank.

Indes steigt der Preis nicht erst in den letzten Wochen, sondern bereits seit anderthalb Jahren. Insofern mag an der etwas verdrehten Überschrift der »Wirtschaftswoche« etwas dran sein: »Gold gegen den Weltuntergang«. Zwar kann das Edelmetall natürlich nichts gegen eine solche Katastrophe ausrichten, aber größere Akteure scheinen auf die zunehmenden Unsicherheiten reagiert zu haben. Die Spannungen zwischen den USA und China, der russisch-ukrainische Krieg und in jüngster Zeit der sich verschärfende Konflikt zwischen Israel und Palästina sowie Iran dürften viele bewegt haben, den vermeintlich sicheren Hafen »Gold« anzulaufen. Gleiches gilt für die Inflationsängste, die aus historischen Gründen in Deutschland besonders stark ausgeprägt sind.

Als eine handfeste Erklärung für den Goldrausch werden mitunter die anhaltend starken Käufe in China genannt, insbesondere die der Zentralbank in Peking. Schon im vergangenen Jahr hatte die Chinesische Volksbank laut Daten des World Gold Council unter ihresgleichen das meiste Gold erworben. Auch insgesamt hatten die Käufe der Zentralbanken 2022 und 2023 Rekordniveaus erreicht, und offenbar setzen sie ihren Kurs in diesem Jahr fort. Die Bundesbank besitzt mit 3363 Tonnen nach der Fed übrigens (noch) die größten Goldreserven.

Dabei gilt der weltweite Goldhandel als überaus liquide. Laut dem World Gold Council belaufen sich die täglichen Handelsvolumen am Markt auf umgerechnet rund 120 Milliarden Euro. Womit selbst die Käufe großer institutioneller Investoren oder Zentralbanken den Preis kaum bewegen sollten.

Gold gilt seit Jahrtausenden als Sinnbild von Reichtum und Macht. Bis Ende 2022 wurden nach offiziellen Angaben rund 208 874 Tonnen Gold gefördert. Es gibt Prognosen, dass damit drei Viertel aller förderbaren Vorkommen mittlerweile abgebaut wurden und das Schürfen in spätestens zwei Jahrzehnten beendet sein dürfte.

Mit physischem Gold kann man eigentlich keinen Totalverlust erleiden, anders als vielleicht mit manchen Wertpapieren. Trotzdem ist es keine sichere Anlageform. Denn wer Gold kauft, setzt allein auf Kurssteigerung und mögliche Währungsgewinne – Zinsen oder Dividenden bringt es nicht ein. Und beim derzeitigen Kurswert müsste der Preis in noch luftigere Höhen steigen, will man damit einen Gewinn machen. Kleinanleger, die Gold kaufen wollen, sollten dies daher nur als Beimischung in Höhe von fünf bis maximal zehn Prozent ihres Ersparten tun, warnen Verbraucherschützer.

Beim Kauf wird zudem ein Aufgeld fällig. Je kleiner die Goldmenge, desto mehr fällt das ins Gewicht. Ein großer Goldbarren hat somit ein besseres Preis-Leistungs-Verhältnis als Münzen, Schmuck oder Medaillen. Er ist aber sehr teuer und lässt sich nicht gestückelt weiterverkaufen. Überdies sollten mögliche Zusatzkosten bedacht werden, etwa für die Lagerung in einem versicherten Schließfach oder dem Tresor einer Goldhandelskette.

Wie in früheren Hochpreisphasen gilt daher: Die inflationären Finanztipps, die derzeit wieder erläutern, wie man am besten von der Rallye profitieren kann, sind mit großer Vorsicht zu genießen.

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