Europawahl: Die Niederlande rückt wieder nach rechts

Geert Wilders rechtsextreme PVV ist der haushohe Favorit bei der Europawahl

  • Sarah Tekath, Amsterdam
  • Lesedauer: 4 Min.

Dass in knapp zwei Monaten ein neues Europaparlament gewählt wird, davon ist in den Niederlanden wenig zu spüren. Wahlplakate und TV-Kampagnen sucht man vergebens. Allein ein Schreiben der zuständigen Stadtverwaltung erinnert EU-Ausländer*innen daran, sich bitte online zu registrieren, um Anfang Juni wählen zu können.

Auch vier Monate nach der Parlamentswahl steht in den Niederlanden immer noch keine neue Regierung. Mitte März gab der Chef der Wahlsiegerin PVV Geert Wilders bekannt, nicht mehr Ministerpräsident werden zu wollen, da die nötige Unterstützung der erhofften Koalitionsparteien fehle. Der Beliebtheit der rechtsextremen und islamfeindlichen »Partei für die Freiheit« schadete das nicht. Laut jüngsten Umfragen könnte jede*r vierte Niederländer*in im Juni die PVV wählen, die auf neun der 31 niederländischen Sitze im Europaparlament hoffen kann.

Wilders Rechtsextreme sind im Aufschwung

Europawahl 2024

Im Juni wird in allen Mitgliedsländern der Europäischen Union über ein neues EU-Parlament abgestimmt. Dabei zeichnet sich ab, dass rechte Parteien an Einfluss gewinnen könnten. Was ist eine linke Antwort darauf? Und wie steht es um die Klimapolitik der EU? Welche Entwicklungen gibt es in Hinblick auf Sozialpolitik und was ist im Bereich der europäischen Asyl- und Migrationpolitik zu erwarten? Die anstehende Europawahl wird richtungsweisend. Auf unserer Themenseite fassen wir die Entwicklungen zusammen: dasnd.de/europawahl

Wilders Rechtsextreme, die noch nicht in Straßburg vertreten sind, werden mutmaßlich der große Gewinner der Wahl sein. Der PVV folgen laut Umfragen das Bündnis aus Arbeiter*innen-Partei PvdA und Grün-Links (GL) mit sechs Sitzen und die konservative Ex-Rutte-Partei VVD mit fünf Sitzen.

Fast alle niederländischen Parteien gehören einer europäischen Fraktion an. Dank der neun Sitze der PVV würde auf Identität & Demokratie, eine Fraktion rechtspopulistischer, nationalistischer und rechtsextremer Parteien, die meisten niederländischen Sitze abfallen. Renew Europe erhielte sieben Sitze, fünf von der liberal-konservativen VVD und zwei von der linksliberalen D66.

Das Bündnis GL-PvdA teilt ihre voraussichtlich sechs Sitze aufgrund früherer Allianzen auf zwei europäische Fraktionen auf. GL würde wie im Jahr 2019 drei Sitze an die Grünen/Europäische Freie Allianz abgeben. Darüber hinaus würde die Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten drei Sitze von niederländischen PvdA-Wähler*innen erhalten. Damit schrumpft die PvdA-Fraktion in Europa: Bei den vergangenen Wahlen hatte sie sechs Sitze bekommen. Das Bündnis schickt Bas Eickhout als gemeinsamen Spitzenkandidaten in die EU-Wahl. Eickhout sitzt seit 2009 für die Grün-Linke im Europäischen Parlament und gilt dort als der einflussreichste Niederländer.

Die Linke findet sich in Tierschutzpartei und bei den Sozialisten

Die Europäische Volkspartei (EVP), die aktuell größte Fraktion im Europäischen Parlament, könnte fünf Sitze aus den Niederlanden erhalten. Die Linksfraktion zwei Sitze, einen von der Tierschutzpartei und einen von der Sozialistischen Partei.

Während die Europa-Wahlen in anderen Ländern von großen Kampagnen begleitet werden, fällt das Interesse in den Niederlanden eher dürftig aus. Schon bei der vergangenen Wahl 2019 zog es lediglich 41 Prozent der Niederländer*innen an die Urne, während es EU-weit 50 Prozent waren. An der Parlamentswahl im November 2023 beteiligten sich hingegen 77 Prozent der Niederländer*innen.

Das geringe Interesse liegt auch daran, dass der*die Durchschnittsbürger*in nicht wisse, wen sie wählen sollen, erklärt Chris Aalberts, Politikanalyst und Journalist, gegenüber dem Radiosender BNR. Auch weil oft nicht bekannt ist, wen man eigentlich wählen kann. »Ich glaube, wenn man die Leute fragt, wer die Kandidaten der großen Parteien für das Europäische Parlament sind, wissen sie es nicht«, so Aalberts.

Dass Europa in den Niederlanden kaum interessiert, musste auch der ehemalige Ministerpräsident Mark Rutte erst kürzlich wieder in Brüssel eingestehen. Für Gerben-Jan Gerbrandy von Renew Europe ist das Problem eine Huhn-Ei-Diskussion. In den niederländischen Medien werde nicht viel über die Europaabgeordneten berichtet, denn die gesellschaftspolitische Debatte in den Niederlanden sei sehr national organisiert und ausgerichtet, sagte er im Gespräch mit BNR.

Europa to go

Ein Podcast, der dich anlässlich der Europawahl 2024 ins »Herz« der EU mitnimmt. Begleite uns nach Brüssel und erfahre mehr über Institutionen wie das Europäische Parlament, was dort entschieden wird und warum dich das etwas angeht. Der Podcast ist eine Kooperation von »nd«, Europa.Blog und die-zukunft.eu. Alle Folgen auf dasnd.de/europa

Laut Rutte sei es für die Niederlande noch zu früh, um auf die Europawahl hinzuweisen. Die Wähler*innen könnten so die Aufmerksamkeit wieder verlieren, befürchtet der ehemalige Regierungschef. In den Niederlanden ist es üblich, dass sich Wähler*innen in den letzten Tagen vor einer Abstimmung entscheiden. Darum wird aktuell auch vor allem auf die letzten vier Wochen vor der EU-Wahl geschaut.

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