Mercedes-Werk in Bremen blockiert

Aktivist*innen blockieren für sechseinhalb Stunden Autowerk

Statt Luxusautos soll Mercedes für den öffentlichen Nahverkehr produzieren, fordern Aktivist*innen.
Statt Luxusautos soll Mercedes für den öffentlichen Nahverkehr produzieren, fordern Aktivist*innen.

Karla Pfeiffer vom linksradikalen Netzwerk Disrupt spricht von einem »Kratzer im Lack des Autokapitalismus«, der am Montag in Bremen hinterlassen worden sei. In den frühen Morgenstunden hatten Aktivistinnen den Schienenzugang des Mercedes-Werks in Bremen blockiert und eine Abseilaktion am Showroom des Luxusautoherstellers durchgeführt. Dort hängten sie auch ein großes Transparent mit der Aufschrift »Bahn und Bus statt Autostuss« auf.

Für den Kratzer im Lack brauchten die Aktivist*innen nicht mehr als das sprichwörtliche Sandkorn im Getriebe. Insgesamt 20 bis 25 Personen hätten sich an der Aktion beteiligt, erläuterte Karla Pfeiffer im Gespräch mit »nd«. Die Schienen für den Abtransport der Autos wurden durch wenige Personen und Ankettvorrichtungen blockiert. Disrupt wollte mit der Aktion erreichen, dass Autozüge mit Hunderten Pkw der Luxusklasse das Werk nicht verlassen können. Das ist gelungen. Ein Kolateralschaden: Auch die Strecke für den Personenverkehr zwischen Bremen und Hannover war auf polizeiliche Anweisung zwei Stunden lang gesperrt worden. Die Aktivist*innen betonten jedoch, dass die Werksgleise von Mercedes und die übrigen Gleise am Ort der Blockade durch eine Mauer voneinander getrennt seien.

Marla Denke, die an der Aktion teilnimmt, erklärt die Motivation für die Blockade so: »Die Klimakrise spitzt sich immer mehr zu und trotzdem produziert Mercedes aus Profitinteresse weiter massenweise rohstoff- und energiefressende Autos für den Individualverkehr. Die größte Gewinnspanne wird durch große und schwere Luxuskarossen für Reiche erzielt. Doch auch abgeschottet in SUVs kann man der Klimakatastrophe nicht davonfahren!«

Zur Begründung führen die Aktivist*innen auch eine Studie der NGO Oxfam an, laut der in Deutschland die reichsten zehn Prozent so viel CO2-Emissionen wie 50 Prozent der ärmeren Hälfte der Bevölkerung verursachen. Im Bremer Mercedes-Werk wurden im vergangenen Jahr 277 000 Autos produziert. Der Autohersteller rühmt sich in Bremen besonders mit der Produktion der vollelektrischen Business-Limousine EQE.

Das 1978 in Betrieb gegangene Werk in Bremen ist gemessen an der Stückzahl das größte Werk von Mercedes. Mit 11 500 Mitarbeiter*innen ist der Autokonzern außerdem der wichtigste Arbeitgeber in der Region. Die Interessen der Beschäftigten habe man auch im Blick, heißt es in einer Erklärung von Disrupt. Grundsätzlich fordere man »die Vergesellschaftung der gesamten Autoindustrie bei Beibehaltung der Arbeitsplätze, um so eine echte Verkehrswende realisieren zu können.« Dafür seien ein umfassender Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs und die Umstellung der Produktion auf Bus und Bahn nötig.

Auch ein anderer Aspekt ist den Aktivist*innen wichtig: Die Antriebswende, in der einfach nur der Verbrennungsmotor durch einen Elektromotor ausgetauscht wird, sorge wieder für Umweltzerstörung und neokoloniale Abhängigkeiten. »Die Kosten unserer klimaschädlichen Wirtschaftsweise tragen vor allem die Menschen im globalen Süden«, kritisiert Karla Pfeiffer. Als konkretes Beispiel bei Mercedes nennt sie den Abbau von Lithium für die Akkus der E-Autos in Südafrika. Dabei würden »lokale Ökosysteme und die Lebensgrundlage indigener Gemeinden« zerstört, so die Aktivistin. Mit E-Autos würden Probleme nur ausgelagert.

Für sechs Aktivist*innen endete die Aktion am Montagmittag im kurzzeitigen Polizeigewahrsam. Die Polizei erklärt, Spezialkräfte der Bundespolizei und der Polizei Bremen hätten die Personen von den Gleisen lösen müssen, weil die Beteiligten ihre Aktion nicht selbst beendet hätten. Zur Identitätsfeststellung seien diese auf die Wache mitgenommen worden. Man ermittele wegen Verstößen gegen das Strafgesetzbuch und das Versammlungsgesetz.

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