AfD-Parteitag am Hitler-Geburtstag

AfD Niedersachsen will Tagung zudem an Ort mit KZ-Vergangenheit abhalten. Proteste angekündigt

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 4 Min.
Gegen den AfD-Parteitag am Hitler-Geburtstag ist Protest angekündigt.
Gegen den AfD-Parteitag am Hitler-Geburtstag ist Protest angekündigt.

Nach wie vor ist der Geburtstag Adolf Hitlers in Neonazikreisen ein Anlass für Feiern. Die AfD in Niedersachsen bestreitet indes vehement, der Termin ihres Landesparteitags, der vom 19. bis 21. April in Unterlüß im Landkreis Celle stattfinden soll, habe etwas mit dem »Führerjubiläum« zu tun. Ein Sprecher erklärte auf Nachfrage von Medien, das sei ein ein Tag wie jeder andere.

Kritiker weisen indes auch auf den Ort hin, an dem sich die AfD-Delegierten treffen: das Bürgerhaus des einstigen Heidedorfes, an dem der Rheinmetall-Konzern schon seit 1899 Kriegsgerät produziert. Heute werden dort unter anderem Munition und Panzer für den Einsatz in der Ukraine hergestellt. Erst im Februar wurde in Unterlüß der erste Spatenstich für eine neue Fabrik gefeiert, in der unter anderem Artilleriegeschosse und Komponenten für Raketen montiert werden sollen.

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Auch Hitlers Mordmaschinerie war in Unterlüß präsent: durch das Tannenberglager, eine Außenstelle des Konzentrationslagers Bergen-Belsen. In ihm waren mehrere Hundert Zwangsarbeiterinnen, darunter auch aus Auschwitz verlegte Jüdinnen, brutaler Behandlung durch das Wachpersonal ausgesetzt, viele fanden den Tod.

Die AfD begründet die Ortswahl mit »praktischen Kriterien«. Ihr Sprecher verweist auf Probleme, die es immer wieder bei der Suche nach Versammlungsorten gegeben habe, spricht von »Hetze gegen die AfD, aber auch teilweise massive Drohungen gegen die Betreiber« von Veranstaltungslokalen.

Indes hält es auch der Direktor der Gedenkstätten KZ Buchenwald und Mittelbau-Dora, Jens-Christian Wagner, für wahrscheinlich, dass die AfD den Termin bewusst gewählt hat. Schließlich gehöre »der Geschichtsrevisionismus zur DNA dieser Partei«, sagte er in einem Interview und fügte hinzu: »Das wäre eine geschichtspolitische Provokation.« Dazu komme der Tagungsort: »Ausgerechnet Unterlüß mit seiner Außenstelle des Konzentrationslagers Bergen-Belsen – ein Ort, an dem die Nationalsozialisten schwere Verbrechen begangen haben. Das ist ein Angriff auf das Andenken derjenigen, die dort leiden mussten.«

Wagner war vor seinem Wechsel nach Thüringen Leiter der KZ Gedenkstätte Bergen-Belsen und wird Hauptredner auf einer Kundgebung gegen das AfD-Treffen in Unterlüß sein. Ein Bündnis aus 34 Initiativen hat sich einem Aufruf des Netzwerks Südheide gegen Rechtsextremismus angeschlossen und ruft zu der Protestveranstaltung auf, die zwischen 11 und 14 Uhr stattfinden soll. Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund in Lüneburg mobilisiert zu der Demonstration.

Auf dem Parteitag selbst wird der Landesvorstand neu gewählt. Beobachter erwarten einen Machtkampf. Der derzeitige Landesvorsitzende, der Bundestagsabgeordnete Frank Rinck, könnte durch seinen bisherigen Stellvertreter Ansgar Schledde abgelöst werden, heißt es.

Naiv gibt sich mit Björn Höcke indes auch einer der prominentesten Politiker der Partei. Der Thüringer AfD-Chef und Spitzenkandidat zur Landtagswahl am 1. September muss sich ab Donnerstag vor dem Landgericht Halle verantworten. Der Grund: Er benutzte in zwei Reden die Parole »Alles für Deutschland«. Sie wurde in der Weimarer Republik von der Führungsspitze der »Sturmabteilung« (SA) geprägt. Die paramilitärische Kampforganisation der Hitler-Partei NSDAP spielte eine entscheidende Rolle bei deren Aufstieg. Der Gebrauch der Losung ist in der Bundesrepublik verboten.

Der frühere Geschichtslehrer Höcke behauptet, er habe von der Herkunft der Parole nichts gewusst. Im Mai 2021 soll er diese in einer Rede in Merseburg in Sachsen-Anhalt (Saalekreis) abgewandelt verwendet haben. »Alles für unsere Heimat, alles für Sachsen-Anhalt, alles für Deutschland«, soll er seinen Anhängern zugerufen haben. Im Dezember sagte er im thüringischen Gera den ersten Teil »Alles für …« und animierte das Publikum durch Gesten, »Deutschland« zu rufen. Konkret muss er sich wegen des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen verantworten.

Im Fernsehduell gegen den Thüringer CDU-Spitzenkandidaten Mario Voigt erklärte Höcke, er habe in einer freien Wahlkampfrede den Slogan »America First« von Donald Trump frei ins Deutsche übertragen. Auf Nachfrage versicherte er, er habe nicht gewusst, dass es eine SA-Parole ist. Es handele sich um einen »Allerweltsspruch«.

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