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Elektrifizierung im Schneckentempo

Bei der Modernisierung der Schiene fordern Verbände mehr Tempo, Geld und Bürokratieabbau

Vorbild bei der Elektrifizierung des Schienennetzes: Die Weinbergschnecke.
Vorbild bei der Elektrifizierung des Schienennetzes: Die Weinbergschnecke.

Die seit vielen Jahren von den jeweiligen Bundesregierungen angekündigte Offensive bei der Elektrifizierung des Schienennetzes kommt nur im Schneckentempo voran und bleibt weit hinter den gesteckten Zielen zurück. Dieses Fazit zogen am Mittwoch auf einer Pressekonferenz in Berlin die Allianz pro Schiene und der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV). Die im Koalitionsvertrag verankerten Ziele seien faktisch schon jetzt Makulatur, beklagte Allianz-Geschäftsführer Dirk Flege.

Laut Plänen von SPD, Grünen und FDP sollte das deutsche Schienennetz bis 2030 zu insgesamt 75 Prozent mit Oberleitungen versehen werden. Dadurch sollen CO2-Emissionen reduziert werden. Außerdem gelten elektrifizierte Netze als leistungsfähiger. Derzeit beträgt der Anteil solcher Strecken am gesamten Schienennetz rund 62 Prozent. In der mittelfristigen Planung sind derzeit lediglich 1100 Kilometer neu elektrifizierter Strecken vorgesehen. Um das Ziel zu erreichen, wären aber über 4000 Kilometer notwendig. Das würde einen jährlichen Zubau von 600 Kilometern erfordern, doch in den vergangenen Jahren wurden jeweils nur 80 Kilometer realisiert.

Einige Bundesländer werden bei den Planungen sogar komplett ausgespart, so ist für Sachsen und Niedersachsen derzeit überhaupt kein Ausbau geplant. Zwar sieht es mit der Elektrifizierung deutlich besser aus, wenn man als Maßstab nicht das Streckennetz, sondern die Verkehrsleistung heranzieht. Denn heutzutage werden bereits 90 Prozent der Verkehrsleistung auf der Schiene elektrisch erbracht. Aber es sind eben nur die stark frequentierten Hauptstrecken flächendeckend mit Oberleitungen ausgestattet. Und die bestehenden Lücken sind gravierend: lediglich 28 von 57 Schienengrenzübergängen sind elektrifiziert.

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Die Folgen der mangelnden Elektrifizierung zeigen sich auch bei der angelaufenen Generalsanierung des Schienennetzes. Kommt es wegen der Baumaßnahmen zu zeitweiligen Sperrungen der Haupttrassen, müssen etwa ICE-Züge unnötig lange Umwege absolvieren, weil die eigentlichen Nebenstrecken keine Oberleitungen haben.

Zwar können auch mit Wasserstoff betriebene oder batterieelektrische Züge besonders im Regional- und Nahverkehr eine sinnvolle Ergänzung sein, aber keine umfassende Alternative zur Elektrifizierung. Gerade für Wasserstoffzüge wird eine eigene, aufwendige Tankinfrastruktur benötigt, die kurzfristig kaum realisierbar wäre, sagte Flege.

VDV-Geschäftsführer Martin Henke betonte, dass eine umfassende und vor allem schnellere Elektrifizierung nicht nur notwendig, sondern auch möglich wäre: »Wir brauchen hier eindeutig mehr Tempo. Wir halten ein Elektrifizierungsziel von 80 Prozent bis zum Jahr 2035 nicht nur für wünschenswert, sondern auch für realistisch.«

Die von der Bundesregierung eingesetzte Beschleunigungskommission Schiene, in der beide Verbände vertreten waren, hat bereits Ende 2022 Vorschläge gemacht, wie man bei der Elektrifizierung schneller vorankommen könnte. »Neben einer stabilen Finanzierung geht es im Wesentlichen darum, Bürokratie abzubauen. Sonst vergehen allzu oft viele Jahre bis zur Umsetzung der einzelnen Projekte«, fordert Flege.

So sei es unsinnig, bei jedem einzelnen Elektrifizierungsvorhaben aufs Neue eine Kosten-Nutzen-Bewertung durchzuführen. Damit wären aufwändige Genehmigungsverfahren bei kleineren Elektrifizierungsprojekten verzichtbarBeide Verbände wiesen zudem darauf hin, dass für Oberleitungen auf Nebenstrecken inzwischen deutlich kostengünstigere Standards entwickelt wurden. Gerade bei der dringend notwendigen Reaktivierung und Ertüchtigung von Nebenstrecken im ländlichen Raum könnte ein entsprechendes »Abspecken« der Vorgaben zu einer spürbaren Beschleunigung führen.

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