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Berlin-Reinickendorf: Wärmewende in Heiligensee
Neues Schulungszentrum für klimafreundliches Schornsteinfegen in Reinickendorf entsteht
»Wir haben große Veränderungen im Beruf, und deshalb brauchen wir mehr Ausbildungseinrichtungen«, sagt Schornsteinfeger Sascha Graf, Projektleiter bei der Innung seines Handwerks. Er steht vor einem denkmalgeschützten Gebäudekomplex in Heiligensee, der 1956 als Schullandheim erbaut wurde und seit Jahren leersteht. Hier im Nordwesten Berlins zwischen Havel und Tegeler Forst sollen angehende Schornsteinfeger*innen in Zukunft die Möglichkeit haben, sich mit Fokus auf klimafreundliche Wärme- und Energiegewinnung weiterzubilden.
»Wir werden hier Wärmepumpen und Photovoltaik-Anlagen haben. Auszubildende können hier lernen, sie zu montieren und zu prüfen«, sagt Graf zu »nd«. Auf dem weitläufigen Gelände der zukünftigen »Energie- und Umweltakademie Berlin«, wie der Arbeitstitel des Projekts lautet, sollen zum Beispiel Übungsdächer aufgebaut werden, auf die Photovoltaik-Anlagen gebaut werden können. In geräumigen Pavillons mit Außen- und Innenbereich sollen Lernstationen eingerichtet werden, damit Auszubildende praktische Erfahrungen mit Wärmepumpen, Feuerstellen, Hydraulik und Abgassystemen machen können.
»Wir haben viele Bildungseinrichtungen, aber die Schulungen laufen in der Regel komplett frontal ab. Das will ich nicht«, sagt Graf. In den Wald, der zum Grundstück gehört, sollen auch »Sonderfeuerstellen« gebaut werden, wie zum Beispiel ein Pizzaofen, damit auch der Umgang damit in der Praxis erlernt werden kann.
Die »Energie- und Umweltakademie« soll nicht nur Lernort und Schulungszentrum für Schornsteinfeger*innen werden, sondern auch für andere Handwerker*innen, deren Arbeit für die Energiewende wichtig ist. »Dachdecker, Anlagen-Mechaniker für Sanitär und Heizungen, Elektriker und eben Schornsteinfeger müssen sich neu ausrichten und brauchen Fort- und Weiterbildungsmöglichkeiten«, sagt Graf. Die entsprechenden Innungen dieser »klimarelevanten Berufe« würden bereits zusammenarbeiten und wollen dies auch im Weiterbildungszentrum in Heiligensee machen.
Doch nicht nur für Handwerker*innen soll das ehemalige Schullandheim geöffnet werden. »Wir haben ein bürgeroffenes Konzept entwickelt«, sagt der Schornsteinfeger aus Heiligensee. So soll ein Informationszentrum rund um das Thema effiziente und klimaschonende Energie- und Wärmegewinnung entstehen. »Dort können sich dann Anwohner beraten lassen, wie sie zum Beispiel ihr Zuhause besser dämmen können oder wie das Heizen mit Wärmepumpe funktioniert.«
Solche Beratungen seien ein immer wichtiger werdender Teil des Schornsteinfeger-Handwerks, sagt Graf. Das Hauptgeschäft sei zwar immer noch das »Messen und Kehren«, also die Überprüfung von Heizungen und anderer Anlagen zur Wärme- und Energiegewinnung sowie die Instandhaltung und Brandschutzprüfung von Feuerungsanlagen. Aber auch die Kundenberatung zu Energieeffizienz und Klimaschutz gehört zu den Aufgaben. »Wir werden da viel angesprochen«, sagt Graf. Schon die Wiederbelebung des ehemaligen Schullandheims selbst soll Beispiel für eine klimaschonende Sanierung eines alten Gebäudes sein. Hier sollen modernste Anlagen zur Energiegewinnung eingesetzt werden, sagt Graf.
Neben dem Informationszentrum soll auch eine Kantine von Anwohner*innen und Ausflüglern genutzt werden können, was in der Nachbarschaft bereits auf Zustimmung gestoßen sei, erzählt der Schornsteinfeger. »Ich sehe schon kommen, dass die immer voll ist.« Das ehemalige Schullandheim verfügt außerdem über zahlreiche sanitäre Anlagen. Dadurch können bestimmte Bereiche der geplanten »Energie- und Umweltakademie« unabhängig vom Hauptbereich betrieben werden, zum Beispiel die Technische Prüfstelle der Schornsteinfeger-Innung, die ebenso wie die Geschäftsstelle der Innung von Wilmersdorf nach Heiligensee umziehen will.
Die Renovierung werde etwa 6,5 Millionen Euro kosten, schätzt Sascha Graf. Noch ist ungeklärt, zu welchen Teilen die Finanzierung von der Innung selbst übernommen wird. »Einen Teil wird die Innung tragen müssen, aber das Land wird sich auch beteiligen müssen.« Täglich bis wöchentlich bespreche er sich deshalb zurzeit mit Politiker*innen von Land und Bezirk. Sollte alles wie geplant funktionieren, dann könne schon dieses Jahr mit dem Umbau begonnen werden, sagt Graf. »Zwei Jahre Bauzeit sind realistisch.«
Luca Mailand ist Auszubildender im ersten Lehrjahr bei Graf und freut sich schon auf die Eröffnung der »Energie- und Umweltakademie«. »Für mich und für zukünftige Generationen ist das eine super Möglichkeit«, sagt er zu »nd«. Besonders wichtig sei es, bei Schulungen auch praktische Erfahrungen sammeln zu können und mit den Geräten vor Ort arbeiten zu können. »Ich hatte letztens erst eine Online-Schulung, da nimmt man viel weniger mit.«
Mailand interessiert sich für moderne, effiziente und klimaschonende Heizanlagen. Im Gebäude selbst gebe es neben moderneren Heizungen auch noch einen Heizkessel aus den 80ern. Als Schornsteinfeger habe man mit der ganzen Bandbreite an Heiztechnik zu tun. »Wir begleiten die Energiewende«, sagt Mailand.
Auch der Bezirk Reinickendorf hat bereits Gefallen an dem Projekt gefunden. »Die Vision ist klar: In nur zwei Jahren könnte bereits ein Teil der Ausbildungsstätte in Betrieb gehen. Ich freue mich darauf, diesen Ort wachsen und gedeihen zu sehen, damit er hilft, unseren Planeten zu schützen«, so lässt sich Bezirksbürgermeisterin Emine Demirbüken-Wegner (CDU) in einer Mitteilung des Bezirks zitieren. »Mit einer Ausbildungsquote von knapp 30 Prozent und 50 bis 60 Azubis, die gleichzeitig das Schornsteinfegerhandwerk sowie weitere klimarelevante Gewerke erlernen, wird dieser Ort entscheidend zur Förderung von Umwelttechnologien beitragen.«
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