- Kommentare
- Menschenrechte
Menschen in der Ukraine werden zur Verfügungsmasse
Daniel Säwert sorgt sich um die Menschenrechte in der Ukraine
Seit über zwei Jahren bombardiert und zerstört Russland die Ukraine. Ebenso lange heißt es im Westen, das angegriffene Land müsse unterstützt werden, weil es europäische Rechte und Freiheiten verteidige. Die Wahrheit ist, dass die Menschen in der Ukraine schon lange nicht mehr nur durch Moskaus Waffen und Soldaten bedroht werden. Freie Meinungsäußerung oder gar Pazifismus sind der Regierung schon länger ein Dorn im Auge. Am bekanntesten dürfte der Fall Jurij Scheljaschenko sein, einem Mitbegründer und Sprecher der Ukrainischen Pazifistischen Bewegung. Weil er sich für das Recht auf Kriegsdienstverweigerung einsetzt, beschuldigt ihn die Strafverfolgung, den »russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine zu rechtfertigen« und hat den Juristen unter Hausarrest gestellt.
Es ist offensichtlich, dass sich Präsident Wolodymyr Selenskyj von den Menschen im Land entfremdet hat. Für die Regierung werden sie immer mehr von mündigen Bürgern zu einer entrechteten Verfügungsmasse für den verlustreichen Abwehrkampf gegen Russland, auf die keinerlei Rücksicht genommen werden muss.
Fast schon folgerichtig hat Kiew jetzt beim Europarat bekannt gegeben, einen Teil der Menschenrechte auszusetzen, solange der Krieg dauert. Für die Menschen im Land ist das ein fataler Schritt, der staatlicher Willkür die Tore öffnet. Die Ukrainer, die wütend darüber sind, dass sich der Staat nicht um gravierende Probleme wie die massive Korruption kümmert, werden noch weiter ausgepresst. Für Kiew wird es auf diese Weise noch schwerer, ausgereiste Ukrainer von einer Rückkehr zu überzeugen.
Wolodymyr Selenskyj wird dennoch nicht müde, seine Zukunftsvision zu verbreiten. Die liege »offensichtlich« in der Nato, sagte er am Montag in Kiew – ohne zu erwähnen, dass die aktuelle Ukraine ein entrechtetes und nicht lebenswertes Land ist.
Die Ukraine setzt Teile der Europäischen Menschenrechtskonvention außer Kraft. Die entsprechende Erklärung reichte die Regierung am 4. April beim Europarat ein, was aber erst jetzt bekannt wurde, wie das exilrussische Online-Medium »The Insider« zuerst berichtete. Kiew begründet die Maßnahme mit dem Kriegsrecht im Land.
Betroffene Menschenrechte sind unter anderem die Unverletzlichkeit der Wohnung, das Briefgeheimnis, das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens, die Freiheit der Meinungsäußerung, die Bewegungs- und Versammlungsfreiheit und das Recht auf Eigentum. Die Regierung erhält mit diesem Schritt die Möglichkeit, Wohneigentum für den Staat zu konfiszieren, Sperrstunden und Ausreiseverbote zu verhängen sowie die Bewegungsfreiheit im Land selbst zu beschränken. Auch Zwangszahlungen für das Militär können eingeführt werden.
Am Montag wurde zudem ein Plan zur Aushebelung des Bankgeheimnisses bekannt. Über ein nationales Cashback-Programm sollen zukünftig alle Finanztransaktionen überwacht werden. Am Wochenende hatte der Kiewer Bürgermeister Vitali Klitschko geklagt, dass das Problem der grassierenden Korruption im Land hingegen nicht angegangen wird.
Mit der Aussetzung einiger Menschenrechte manifestiert die Ukraine ihr Vorgehen seit Beginn des Krieges. Meinungs- und Religionsfreiheit sind faktisch bereits eingeschränkt.
Wir behalten den Überblick!
Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!
Das »nd« bleibt gefährdet
Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.
Vielen Dank!