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Nach Flucht aus dem Iran: Yekta Jamalis Olympiatraum wird wahr

Yekta Jamalis Flucht aus dem Iran nach Deutschland führt die Gewichtheberin in die Freiheit und nach Paris

  • Lars Becker
  • Lesedauer: 4 Min.
Yekta Jamali empfahl sich mit Bestleistungen beim Weltcup für das Geflüchteten-Team bei Olympia in Paris.
Yekta Jamali empfahl sich mit Bestleistungen beim Weltcup für das Geflüchteten-Team bei Olympia in Paris.

Für Yekta Jamali hat sich in diesen Tagen in Deutschland ein Traum erfüllt, den sie schon als Kind in ihrer Heimat Iran hatte. »Ich war unglaublich glücklich, als es vom IOC verkündet wurde: Ich darf bei Olympia in Paris dabei sein«, erzählt die 19-Jährige mit einem strahlenden Lächeln. Die Gewichtheberin wird bei den Sommerspielen für das insgesamt 36 Sportler*innen umfassende internationale Refugee-Team des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) starten. Viele besondere Geschichten haben diese Geflüchteten zu Olympia geführt, die von Yekta Jamali ist eine von der Sehnsucht nach Freiheit.

Mit großem Mut wagte die Iranerin im Jahr 2022 als 17-Jährige ganz allein und noch minderjährig die Flucht, um abseits des repressiven Mullah-Regimes ein neues Leben zu beginnen. Als die junge Frau ihrer Heimat den Rücken kehrte, war sie gerade bei den Junioren-Weltmeisterschaften in Athen. Kurz nachdem Jamali dort Silber gewonnen hatte, entwischte sie ihren iranischen Bewachern und stieg kurzerhand in ein Flugzeug nach Deutschland. »Ich hatte ja ein Visum für die gesamte EU«, berichtet sie: »Und ich wusste, dass ich in Deutschland meinen Sport weitermachen kann und dort alles besser ist.«

Über ihr Leben im Iran vor der Flucht möchte Jamali nicht so viel erzählen, um ihre dort noch lebenden Verwandten und Freunde nicht zu gefährden. Nur so viel: »In meinem Land gibt es viele Probleme. Vor allem für Frauen ist es schwerer als für Männer. Du musst immer machen, was die sagen und kannst nicht Nein sagen.« Mit »die« sind die Aufpasser der Mullahs gemeint, die ganz besonders die Spitzensportszene kontrollieren. Die berüchtigte Sittenpolizei des Iran, die beispielsweise die Kopftuchpflicht immer wieder mit Gewalt durchzusetzen versucht, ist längst weltweit ein Begriff. Im Sport sind einige der Kleidungsvorschriften zudem unpraktisch für Jamali und ihre Kolleginnen. Gleichzeitig will das Regime die Sportlerinnen aber als »Vorzeigefrauen« präsentieren und achtet hier besonders auf Konformität.

Nach DeutschlandGeflüchtete im IOC-Team

Das IOC nominierte 36 Sportlerinnen und Sportler fürs Refugee-Team. Zehn davon trainieren in Deutschland. Eine Übersicht:

  • Yekta Jamali (Iran), Gewichtheben, seit 2022 in Deutschland, trainiert in Heidelberg
  • Alaa Maso (Syrien), Schwimmen, 2015, Hannover
  • Kasra Mehdipournejad (Iran), Taekwondo, 2017, Friedrichshafen
  • Omid Ahmadisafa (Iran), Boxen, 2021, Berlin
  • Mohammad Amin Alsalami (Syrien), Leichtathletik, 2015, Berlin
  • Adnan Khankan (Syrien), Judo, 2015, Köln
  • Mahboubeh Barbari Yharfi (Iran), Judo, 2019, Bayreuth
  • Saeid Fazloula (Iran), Kanu, 2015, Karlsruhe
  • Arab Sibghatullah (Afghanistan), Judo, 2023, Mönchengladbach
  • Amir Rezanejad Hassanjani (Iran), Kanuslalom, 2021, Augsburg

Jamali hat eine andere Vorstellung vom Leben und von ihrer sportlichen Karriere. Die präsentiert sie zum Beispiel ihren etwa 36 000 Followern auf Instagram – auch in ihrer Muttersprache Persisch. Neben Posts von Wettkämpfen und aus dem Training zeigt sie sich auch immer wieder als moderne, attraktive Frau ohne Kopftuch.

Der nach der Flucht schwierige Kontakt zu ihren Eltern, die sie anfangs noch tränenreich zur Rückkehr in den Iran überreden wollten, funktioniert inzwischen auch wieder stabil. Wenn Tochter Yekta in Deutschland einmal müde oder traurig ist, denke sie daran, was ihre Eltern immer wieder von ihr gefordert haben: »Sie haben mir immer gesagt, dass Frauen stark sein müssen.« In diesem Sinne hat sie sich ganz allein in ihrer neuen Heimat integriert und Freunde gefunden. Hauptsächlich besteht ihr neues Leben jedoch aus Training und Schule. Sie besucht die elfte Klasse eines Gymnasiums, spricht inzwischen schon sehr gut Deutsch und will nach dem Abitur am liebsten Physiotherapeutin oder Krankenschwester werden.

Zwölf Wochen vor Beginn der Sommerspiele von Paris steht derzeit jedoch das Training in Mutterstadt und am Olympiastützpunkt Heidelberg voll im Mittelpunkt. Die starke Sportlerin will bei Olympia ihre Bestleistungen von 101 und 126 Kilogramm im Reißen und Stoßen verbessern. Beide Werte übersteigen deutlich ihr eigenes Körpergewicht.

Schafft sie das, wird ausgerechnet die Iranerin in Paris voraussichtlich die Einzige sein, die noch die Leistungsfähigkeit des deutschen Gewichtheber-Systems nachweisen kann. Einheimische Hantel-Athleten haben sich nicht qualifiziert und können nur noch auf Wildcards hoffen. Das könnte sich bei den Olympischen Spielen 2028 in Los Angeles ändern. »Vielleicht habe ich ja bis dahin einen deutschen Pass und kann für Deutschland starten«, sagt Yekta Jamali. Ihr Herz werde jedoch immer auch für ihre Heimat schlagen – als »starkes Vorbild« für die unterdrückten Frauen im Iran.

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