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Iran: »In der Poesie steckt Widerstand«

»And, Towards Happy Alleys« zeigt die iranische Kulturszene und läuft im Panorama der Berlinale – ein Gespräch mit Sreemoyee Singh

  • Interview: Inga Dreyer
  • Lesedauer: 4 Min.
»Das tägliche Leben wird zum Ausdruck des Protests«.
»Das tägliche Leben wird zum Ausdruck des Protests«.

Wo liegen die Ursprünge Ihrer Faszination für Filme und Poesie aus dem Iran?

Interview

Die indische Filmemacherin Sreemoyee Singh hat über im Exil lebende iranische Filmemacher*innen promoviert und mit »And, Towards Happy Alleys« ihren ersten abendfüllenden Dokumentarfilm, gedreht. Über sechs Jahre hat sie im Iran Kulturschaffende interviewt.

Als ich an der Jadavpur University in Kalkutta meinen Master in Film Studies gemacht habe, haben wir uns im Modul zum Thema »Welt-Kino« mit iranischem Kino beschäftigt. Ich glaube, der erste Film, den ich sah, war »Der weiße Ballon« von Jafar Panahi. Dann haben wir Filme von Abbas Kiarostami gesehen, der oft die Dichterin Forough Farrokhzad zitiert. Sie hat das neue iranische Kino stark beeinflusst. In den 1960ern, als die meisten Frauen unter einem männlichen Pseudonym veröffentlichen, hat sie offen übers Frausein und weibliches Begehren geschrieben. Poesie ist ein essenzieller Bestandteil von Sprache und Kultur im Iran. Menschen drücken sich im Gespräch durch Poesie aus. Das hat mich tief beeindruckt. Ich beschloss, in den Iran zu reisen und Persisch zu lernen, um ihre Texte im Original zu lesen. Während meiner Promotion über iranische Filmemacher*innen fuhr ich in den Iran, um zu filmen.

Sie gehen der Frage nach, wie die Kultur in einem Land gedeihen kann, das von Zensur und Unterdrückung geprägt ist. Welche Antworten haben Sie gefunden?

Das Thema Politik wird im Film nicht vordergründig, sondern eher subtil behandelt. Er fragt danach, wie Menschen an einem Ort wie dem Iran weiterleben und mit ständiger Zensur und Überwachung umgehen. Die Einschränkungen können demoralisierend wirken, aber ich war überrascht, wie wenig sich Kulturschaffende beschweren. Ich habe Iraner*innen getroffen, die niemals müde werden oder aufgeben. Das tägliche Leben wird zum Ausdruck des Protests.

Wie war es Ihnen möglich, im Iran zu drehen?

Es war klar, dass wir beobachtet werden und dass ich auf der Straße vorsichtig sein und die Kleidervorschriften befolgen muss. Ich musste mich so unsichtbar wie möglich machen. Deshalb habe ich viel in Innenräumen gedreht. Meine Protagonist*innen haben manchmal die Kamera oder das Equipment gehalten. In einer Szene mit Jafar Panahi habe ich ihn gefilmt, dann hat er mich gefilmt.

Solche Momente wirken sehr vertraut. Wie haben Sie Zugang zu Ihren Protagonist*innen bekommen?

Ich komme selbst aus Indien. Beide Länder sind sich in vielen Aspekten ähnlich – obwohl der Iran auf vielen Ebenen sehr extrem ist. Aber auch in Indien müssen wir uns als Frauen täglich engagieren, um unsere eigenen Stimmen zu finden. Unsere Kämpfe sind nicht sehr verschieden. Ich habe Farsi gelernt und mich in meiner Doktorarbeit mit iranischem Film beschäftigt. Das alles zusammen hat mir viele Zugänge eröffnet. Daraus ist die Intimität entstanden, die man im Film sieht.

Jafar Panahi wurde im Jahr 2010 zu einem zwanzigjährigen Berufsverbot und einer sechsjährigen Haftstrafe verurteilt. Letzten Sommer musste er die Haft antreten und wurde Anfang Februar dieses Jahres nach einem Hungerstreik freigelassen.

Es war sehr aufreibend für mich, Panahis Inhaftierung und seinen Hungerstreik zu verfolgen. Bei den Dreharbeiten ist er zu einem Freund geworden. Auch andere Freund*innen von mir wurden seit Anfang der Proteste verhaftet. Ich glaube, es gibt inzwischen Hunderte von politischen Gefangenen, darunter Journalist*innen, Künstler*innen, Filmemacher*innen. Wer sich äußert, kann willkürlich festgenommen werden. Alle müssen vorsichtig sein. Trotzdem sind meine Freund*innen optimistisch. Sie fordern, dass das Regime fällt.

In einigen Szenen singen Sie iranische Lieder. Welche Rolle spielt Musik für Sie und für den Film?

Ich bin in Kalkutta aufgewachsen. Dort wird viel Musik gemacht und gesungen. Für mich ist das Singen eine sehr natürliche Form des Ausdrucks. Als ich in den Iran kam, habe ich sehr viele persische Wörter über Lieder gelernt, die ich aufgeschnappt habe. Doch ich wurde gebeten, nicht auf Persisch zu singen. Später erfuhr ich, dass Frauen im Iran seit der Revolution 1979 nicht öffentlich singen dürfen. Was für mich eine alltägliche Ausdrucksform ist, ist Frauen im Iran untersagt. Deshalb ist das Singen ein wichtiges Thema im Film geworden.

Ein anderes Thema sind weibliche Schönheitskonzepte.

Ich denke, dass das stark mit den Einschränkungen zu tun hat, die sie im Iran erleben. Ihr Körper wird unsichtbar gemacht, quasi ausradiert. Als ich ins Land kam, sah ich als Erstes braune Häuser und dunkel gekleidete Frauen. Sie dürfen keine Farben tragen. Ich komme aus Indien und bin immer bunt gekleidet. Für mich war das unvorstellbar.

Was bleibt, sind ihre Hände und das Gesicht. In meinem Film kommen Frauen zu Wort, die sich operieren ließen, und solche, die das niemals tun würden. Das muss jede Frau selbst entscheiden – so wie es auch eine persönliche Entscheidung sein sollte, ob sie Hijab trägt oder nicht.

»And, Towards Happy Alleys«. Indien 2023. Regie: Sreemoyee Singh, 75 Min.
Termine: Mi, 22.2., 19 Uhr, Cubix 5; Do, 23.2., 21.45 Uhr, Cubix 8, Fr. 24.2., 10 Uhr, Cubix 7

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