Arbeitskampf in den USA: Nun ist Mercedes dran

United Auto Workers wollen ihre Präsenz in den US-Südstaaten ausbauen

  • Julian Hitschler
  • Lesedauer: 4 Min.
Ein Mann arbeitet bei der SUV-Montage in einem Mercedes-Benz Werk in Alabama, hier am Standort Tuscaloosa
Ein Mann arbeitet bei der SUV-Montage in einem Mercedes-Benz Werk in Alabama, hier am Standort Tuscaloosa

Über viele Jahrzehnte waren die US-Südstaaten für Gewerkschaften Feindesland. Das könnte sich nun ändern. Vor allem die US-Autogewerkschaft United Auto Workers (UAW) ist in der Region zurzeit sehr aktiv. Nach zwei erfolglosen Versuchen gelang es ihr vor einigen Wochen endlich, eine Urabstimmung über die Anerkennung als offizielle Vertretung der Belegschaft des VW-Werks in Chattanooga im Bundesstaat Tennessee zu gewinnen. Nun steht bereits die nächste Abstimmung an. Ab Montag entscheiden die Beschäftigten im Werk Vance nahe Tuscaloosa im Bundesstaat Alabama über die Anerkennung der UAW. Die Abstimmung wird vom National Labor Relations Bord, der US-Bundestarifbehörde abgehalten und dauert bis zum kommenden Freitag, 17. Mai. Das Ergebnis wird voraussichtlich ebenfalls am Freitag bekanntgegeben.

In dem Werk in Vance mit über 5000 Beschäftigten werden SUVs der Luxusklasse wie die Modelle GLE und GLS hergestellt, ebenso wie die elektrischen Modelle EQS und EQE. Ein benachbartes Batteriewerk von Mercedes in Woodstock, Alabama ist ebenfalls Teil der Abstimmung. Die UAW erklärte, die »große Mehrheit« der Belegschaften der Werke habe im Vorfeld Absichtserklärungen zum Beitritt in die Gewerkschaft unterzeichnet. Der Standort in Vance ist der größte von Mercedes in den USA und weltweit bislang einer der wenigen im Konzern ohne gewerkschaftliche Repräsentation.

Nicht nur die erfolgreiche Abstimmung in Chattanooga könnte der UAW in Alabama Auftrieb verschafft haben. Die erfolgreiche Tarifrunde der UAW bei den drei großen US-Herstellern General Motors, Ford und Stellantis (dem früheren Chrysler) im vergangenen Jahr hat Wellen geschlagen und dient der Gewerkschaft auch hier als Positivbeispiel. Doch im traditionell gewerkschaftsskeptischen Süden kann die militante Kultur der Beschäftigten bei den »Detroit Three« sehr weit entfernt wirken.

Relevanter für die Mercedes-Mitarbeiterinnen in Vance und Woodstock dürfte sein, dass die UAW auch bei den jüngsten Tarifverhandlungen bei Daimler Truck sehr erfolgreich war und ihren Mitgliedern hier Ende April Lohnerhöhungen von 25 Prozent und Konditionen sicherte, die größtenteils denen bei den US-Herstellern entsprechen – ohne, dass es dafür Streiks bedurft hätte. Erstmals werden die Beschäftigten hier auch über automatische Bonuszahlungen am Gewinn des Unternehmens beteiligt, und die Lohnentwicklung wird für die Dauer des Tarifvertrags an die Inflation gekoppelt. Die frühere Lkw-Sparte von Mercedes wird seit 2022 als eigenständiges Unternehmen geführt und hat eine starke Präsenz in den Südstaaten, vor allem im Bundesstaat North Carolina.

»Wir dienen als Beispiel für den ganzen Süden. Ich hoffe, dass die Mercedes-Beschäftigten in Tuscaloosa sich anschauen, was wir hier machen«, so Corey Hill, Vorsitzender des UAW-Verbands Local 3520, der die Belegschaft von Daimler Truck in Cleveland, North Carolina vertritt, gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters.

Die Werke von Daimler Truck gehören bisher zu den wenigen gewerkschaftlich organisierten Autofabriken in den Südstaaten. Wie bei VW in Chattanooga führen auch die Mercedes-Mitarbeiterinnen in Vance und Woodstock neben der Forderung nach höheren Löhnen die hohe Arbeitsbelastung als Motivation für den Beitritt zur Gewerkschaft an.

Gegenüber der Zeitung »Alabama Reflector« beklagt Brett Garrard, Vorarbeiter im Batteriewerk von Woodstock, dass sich das Arbeitszeitmodell gegenüber dem fixen Schichtmodell bei Mercedes verschlechtert hätte. Seine Frau sei an Krebs erkrankt, die Stiefkinder machen Sport: eine Menge familiärer Termine, die er nun nicht mehr so einfach wahrnehmen kann. »Als wir bei Mercedes im Dreischichtbetrieb gearbeitet haben, hatte ich die sogenannte C-Schicht und habe nie ein Spiel verpasst«, so Garrard. »Jetzt muss ich die Kinder anrufen und ihnen sagen: ›Hey, viel Glück‹.«

Der Produktionsarbeiter Austin Brooks beklagt gegenüber dem »Alabama Reflector« gesundheitliche Probleme durch die harte Arbeit am Band. Vor Kurzem habe er wegen starker Rückenschmerzen die Notaufnahme aufsuchen müssen. »Ich hatte solche Schmerzen, dass ich mich einfach nicht mehr bewegen konnte«, so Brooks.

Vor Beginn der Abstimmung kritisierte die UAW, es sei zu einer Reihe von Einschüchterungsversuchen durch Mercedes gekommen. So habe das Unternehmen einen krebskranken Unterstützer der Gewerkschaft wegen Benutzung eines Mobiltelefons entlassen, obwohl ihm dies zuvor eigentlich gestattet worden sei. Auch habe Mercedes auf verschiedenen Versammlungen Stimmung gegen die UAW gemacht. Die Gewerkschaft hat deshalb Beschwerde beim NLRB eingereicht und klagt auch in Deutschland gegen Mercedes wegen Verstoß gegen das neue Lieferkettengesetz, welches Repressionen gegen gewerkschaftliche Organisierung durch Unternehmen mit Sitz in Deutschland weltweit verbietet. Mercedes erklärte hingegen, man verhalte sich bei der Abstimmung in den Werken in Alabama neutral.

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