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Trump-Prozess: Seifenoper mit Folgen

Donald Trump droht im Strafprozess um Schweigegeldzahlungen eine vergleichsweise geringe Strafe, doch der politische Schaden könnte groß sein

  • Max Böhnel
  • Lesedauer: 6 Min.

Was Trump in New York vorgeworfen wird, hatte der Staatsanwalt Matthew Colangelo zu Beginn des Prozesses in folgende Worte gefasst: »Es war Wahlbetrug – schlicht und einfach.« Trump habe den Ausgang der US-Präsidentenwahl im Dezember 2016 beeinflussen wollen: mit der Schweigegeldzahlung von 130.000 Dollar an Stormy Daniels, das heißt zehn Jahre nach dem fraglichen One-Night-Stand. Die Zahlungen seien durch gefälschte Geschäftsdokumente kaschiert worden. Das Geld sei intern als Honorar für Trumps damaligen Anwalt Michael Cohen deklariert worden und nicht als Rückerstattung für das Schweigegeld, das der Jurist zuvor bezahlt hatte. »In diesem Prozess geht es um eine kriminelle Verschwörung und eine Vertuschung, die der Angeklagte Donald Trump inszeniert hat«, so Staatsanwalt Colangelo.

Trump stehen drei weitere Strafrechtsverfahren bevor: wegen seiner Rolle beim Sturm auf das US-Kapitol im Januar 2021, wegen versuchten Wahlbetrugs im Bundesstaat Georgia sowie wegen der Mitnahme und Aufbewahrung geheimer Regierungsdokumente in seinem Anwesen in Florida. Seinem Anwaltsteam gelang es, die Aufnahme der Verfahren mit juristischen Mitteln zu verzögern. So muss im Fall des Kapitolsturms zuerst eine Entscheidung des Obersten Gerichts Anfang Juli abgewartet werden, ob Trump präsidiale Immunität beanspruchen kann. Falls sie ihm versagt wird, könnte das Verfahren in die Vorbereitungsphase gehen. Ob in einem weiteren Verfahren das Staatsgericht in Georgia wegen Wahlbetrugs erste Schritte einleitet, ist nicht bekannt. Drittens vertagte die von Trump ernannte Richterin in Florida den Geheimdokumentenprozess auf unbestimmte Zeit nach hinten. Trump hat damit vor der Präsidentschaftswahl am 5. November aller Wahrscheinlichkeit nach juristisch nichts zu befürchten – außer in dem New Yorker Fall, der in einigen Wochen abgeschlossen sein könnte. Der ist aber im Vergleich zu den nach hinten verschobenen Prozessen eine Seifenoper.

Cohen, der »Fixer«

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Michael Cohen, Trumps Ex-Anwalt und »Fixer«, gilt als Kronzeuge gegen Trump. Die Zahlung von 130 000 Dollar war von ihm in den letzten Tagen des Wahlkampfs 2016 geleistet worden, laut eigener Aussage auf Anweisung von Trump. Schon in einem Buch, seinem Podcast und in zahlreichen Fernsehauftritten hatte Cohen gesagt, die Zahlung sei erfolgt, um Trumps Wahlchancen aufrechtzuerhalten. Trumps Verteidiger Todd Blanche nahm Cohen diese Woche ins Kreuzverhör, um seine Glaubwürdigkeit zu erschüttern und ihn als Troll in den sozialen Medien sowie als rachsüchtigen Trump-Hasser darzustellen. Cohen war bereits 2018 im Zusammenhang mit den Schweigegeldzahlungen schuldig gesprochen worden und hatte wegen Falschaussage eine Haftstrafe absitzen müssen.

In der Woche vor Cohens Ausführungen war der mediale Höhepunkt die Aussage der Ex-Pornodarstellerin Stormy Daniels. Als Zeugin der Anklage erläuterte sie ausführlich ihre Begegnung mit Donald Trump im Sommer 2006 – von dessen Seidenpyjama über ihren abgestreiften BH bis zur Missionarsstellung ohne Kondom. Trump bestreitet, mit ihr Sex gehabt zu haben. Juristisch von Belang war Stormy Daniels Aussage nicht.

Schweigegeldzahlungen sind nicht illegal – in US-Unternehmen gelten solche Geheimhaltungsabkommen als gängige Praxis. Trump erstattete Cohen die Summe während seiner Amtszeit (2017 – 2021) zurück. In internen Unterlagen klassifizierte das Trump-Unternehmen die Rückzahlung an Cohen als Rechtskosten und berief sich auf eine Honorarvereinbarung. Laut der Staatsanwaltschaft gab es allerdings keine solchen Kosten oder Honorarvereinbarungen. Die entsprechenden Unterlagen bilden nun vor dem New Yorker Gericht die Grundlage für die 34 Anklagepunkte wegen Fälschung von Geschäftsunterlagen.

Die Verteidigung kontert, Trump habe keine Verbrechen begangen. »Es ist nichts Falsches daran, Wahlen zu beeinflussen, das nennt man Demokratie«, sagte sein Anwalt Todd Blanche zu Beginn des Verfahrens. Immer wieder versucht die Verteidigung deshalb, Trump als besorgtes Familienoberhaupt darzustellen. Bestritten wird von ihr die Zahlung von 130 000 Dollar nicht. Erfolgt sei sie aber als private Zahlung ohne Zusammenhang zur US-Wahl. Trump sei es lediglich darum gegangen, Schaden von seiner Familie abzuwenden.

Geldstrafe, Knast oder Bewährung

Der amtierende Richter Juan Merchan warnte Trump wiederholt, nicht mehr gegen die von ihm verhängte Schweigepflicht über das Verfahren zu verstoßen. Wegen Missachtung des Gerichts in neun Fällen hatte Trump bereits 9000 Dollar an die Gerichtskasse überweisen müssen. Mit Geldstrafen werde es aber künftig nicht mehr getan sein, sagte Merchan in der ersten Mai-Woche und warnte, ein erneuter Verstoß werde zu einem Tag Haft für Trump führen.

Denn in der Öffentlichkeit darf Trump nicht über Zeugen, Geschworene, Mitarbeiter des Gerichts, Anwälte und die Familienangehörigen von Beteiligten sprechen. Ende April war er in einem rechten TV-Sender über die zwölf Geschworenen hergezogen, es handele sich um »95 Prozent Demokraten«. Später hatte Trump die mittwöchliche Gerichtspause für Wahlkampfveranstaltungen in den Bundesstaaten Wisconsin und Michigan genutzt, um Merchan als »unehrlich«, »korrupt« und »voreingenommen«, das Verfahren »bullshit« und das New Yorker Gericht ein »Unrechtsgericht« zu beschimpfen. Auf einer privaten Veranstaltung mit Spendern auf seinem Anwesen in Mar-a-Lago in Florida meinte er, die Biden-Regierung sei eine »Gestapo-Administration«. Bei einer Wahlkampfveranstaltung im Bundesstaat New Jersey bezeichnete er Präsident Joe Biden als »Vollidioten« und Alvin Bragg, den führenden Staatsanwalt im Prozess gegen ihn, als »fetten Alvin«. Wie seit eh und je reizt der Ex-Präsident vorgegebene Grenzen aus, um sich dann vor seinen Anhängern als verfolgtes Opfer einer unredlichen Staatsmacht darzustellen. Bislang ließ sich der Richter Merchan aber nicht darauf ein.

Unter welchen Umständen Trump im Falle einer Inhaftierung als Präsidentschaftskandidat der Republikaner kommunizieren und einen demokratischen Wahlkampf führen könnte, ist bislang unklar. Denn das wäre in jeder Hinsicht Neuland. Allerdings ist ein solches Szenario eher unwahrscheinlich. Denn für einen Erststraftäter in Trumps Alter wäre eine Gefängnisstrafe wohl ein sehr hartes Urteil. Zudem würde eine Verurteilung sofort zu Berufungsverfahren führen, bis hin zu höheren Instanzen und schließlich zum Obersten Gericht. Damit bliebe eine Haftstrafe für Monate ausgesetzt.

Das wahrscheinliche Szenario ist wohl eine Gefängnisstrafe, die zur Bewährung ausgesetzt wird. Trump müsste den Anweisungen eines Bewährungshelfers folgen und Rede und Antwort stehen. Im Fall einer Zuwiderhandlung gegen die Auflagen könnte er dann doch noch inhaftiert werden. Gerade eine solche Strafe böte Trump ausreichend Möglichkeiten für eine Selbstinszenierung. Die auf Einschaltquoten und Werbegelder angewiesenen Massenmedien würden Trump auf Schritt und Tritt folgen und ihm gratis Plattformen für seinen Wahlkampf bieten.

Bislang bleibt Trump nur, sich in die Pose des politisch Verfolgten zu werfen. Damit mobilisiert er seit Monaten erfolgreich seine Basis. Bis zum Ende des New Yorker Verfahrens, dem er persönlich vier Tage pro Arbeitswoche – Mittwoch ist frei – beiwohnen muss, kann er vor seinen Anhängern nur wenige Wahlkampfauftritte absolvieren. Zudem muss er sich bei seiner Wortwahl in der Öffentlichkeit zurückhalten. Trumps Selbstinszenierung als politischer Märtyrer stößt dabei auf volle Zustimmung bei den Spitzen seiner Partei. Der höchstrangige Republikaner im Abgeordnetenhaus, Mike Johnson, besuchte vergangene Woche das Gericht und bezeichnete dabei das gesamte US-Justizsystem als »korrupt«. Zu sehen waren auch Republikaner, die auf das Vizepräsidentenamt unter Trump schielen.

Jüngste Umfragen legen nahe, dass eine Verurteilung Trumps Popularität dämpfen würde. Laut der Erhebung des TV-Senders ABC News würden 20 Prozent der Republikaner, die sich für Trump entschieden haben, die Lage neu beurteilen. Vier Prozent würden ihm ihre Unterstützung bei der Wahl entziehen, weitere 16 Prozent ihre Wahlentscheidung überdenken. Aber US-weite Umfragen haben nur begrenzte Aussagekraft. Denn entscheidend ist aufgrund des Wahlsystems (»The Winner Takes It All«) die Stimmabgabe in den Einzelstaaten und dabei vor allem die Wahl in den Swing States, in denen es ein Stimmenpatt zwischen Donald Trump und Joe Biden gibt.

Den auf Einzelstaaten heruntergebrochenen Umfragen zufolge hat Trump in seiner Rolle als Angeklagter immer noch bessere Chancen auf das Weiße Haus als Amtsinhaber Joe Biden. Am Montag vergangener Woche wurde veröffentlicht, dass fünf von sechs wahlentscheidenden US-Bundesstaaten derzeit Trump vor Biden den Vorzug geben würden: Arizona, Georgia, Nevada, Pennsylvania und Wisconsin.

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