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Strafgerichtshof fordert Haftbefehl gegen Netanjahu und Sinwar
Israel und die Hamas sollen Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen haben
Karim Khan, der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IstGH), hat wegen Kriegsverbrechen Haftbefehle gegen Israels Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu und den Verteidigungsminister Jo'av Galant sowie den Anführer der Hamas im Gazastreifen, Jihia al-Sinwar, beantragt. Das teilte der Gerichtshof in Den Haag am Montag in einer Presseerklärung mit. Weitere Haftbefehle will Khan demnach gegen Sinwars Stellvertreter Mohammed Deif und gegen den Hamas-Auslandschef Ismail Hanija erreichen.
Zu den Vorwürfen gegen Netanjahu und Galant gehören »Mord als Kriegsverbrechen« und »Vorsätzliche Tötung«, »Angriffe auf die Zivilbevölkerung« sowie »Ausrottung und/oder Mord als Verbrechen gegen die Menschlichkeit«, außerdem das Aushungern von Zivilisten. Den Hamas-Führern wirft der Ankläger der Mitteilung zufolge ebenfalls »Ausrottung« sowie Mord, außerdem Geiselnahme, Vergewaltigungen und Folter vor.
Als zusätzliche Absicherung hatte Khan den Rat eines Gremiums von Völkerrechtsexperten einberufen, um die Überprüfung der Beweise und die rechtliche Analyse im Zusammenhang mit den Haftbefehlsanträgen zu unterstützen. Das Gremium setzt sich aus hochrangigen Experten für humanitäres Völkerrecht und internationales Strafrecht zusammen und stimmte der Einschätzung des Staatsanwalts einstimmig zu, dass es »begründete Gründe für die Annahme« gebe, dass in den Haftbefehlen genannte Personen Kriegsverbrechen begangen hätten oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die in die Zuständigkeit des Gerichts fallen.
Ob die beantragten internationalen Haftbefehle erlassen werden, entscheiden nun die Richter der IStGH.
Teller und Rand ist der nd.Podcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.
Die israelische Regierung hatte kürzlich bereits Befürchtungen geäußert über die mögliche internationale strafrechtliche Verfolgung. Netanjahu schrieb bei X, Israel werde unter seiner Führung »niemals irgendeinen Versuch des Strafgerichtshofs akzeptieren, sein inhärentes Recht auf Selbstverteidigung zu untergraben«. Der Regierungschef hatte vor einem »gefährlichen Präzedenzfall« gewarnt, »der die Soldaten und Repräsentanten aller Demokratien bedroht, die gegen brutalen Terrorismus und rücksichtslose Aggression kämpfen«.
Das Gericht hat zwar keinerlei Möglichkeiten, Haftbefehle auch zu vollstrecken. Doch ist im Falle einer Vollstreckung die Bewegungsfreiheit der Gesuchten stark eingeschränkt. Denn eine Folge der Haftbefehle wäre, dass alle Vertragsstaaten des Gerichts verpflichtet sind, die Gesuchten festzunehmen und dem Gericht zu übergeben, sobald sie sich in ihrem Land befinden. Als Vertragsstaat wäre auch die Bundesrepublik Deutschland an diese Vorgabe gebunden.
Israel hat den Antrag auf Haftbefehle gegen eigene Regierungsangehörige scharf kritisiert. Außenminister Israel Katz sprach am Montag von einer »skandalösen Entscheidung«. Diese stelle »einen frontalen, zügellosen Angriff auf die Opfer des 7. Oktober und unsere 128 Geiseln in Gaza« dar. Der Chefankläger erwähne im gleichen Atemzug den Ministerpräsidenten und Verteidigungsminister neben den »verabscheuungswürdigen Nazi-Monstern der Hamas«. Er habe die sofortige Einrichtung eines Lagezentrums im Außenministerium angeordnet, in dem Spezialisten gegen die Entscheidung kämpfen sollten. Katz wolle mit den Außenministern führender Staaten sprechen, damit diese sich gegen die Entscheidung wenden »und mitteilen, dass sie auch im Fall von Haftbefehlen diese nicht gegen die Anführer des Staates Israel umsetzen werden«.
Auch die Hamas hat den Antrag des IstGH kritisiert. »Seine Entscheidung vergleicht das Opfer mit einem Henker und ermutigt die (israelische) Besatzung, den genozidalen Krieg fortzusetzen«, hieß es in einer Stellungnahme der Hamas, die von dem Hamas-nahen TV-Sender Al-Aksa verbreitet wurde.
Die beantragten Haftbefehle »können zu Marksteinen im Kampf für ein Völkerstrafrecht ohne Doppelstandards werden«, kommentiert das European Center for Constitutional and Human Rights die Mitteilung des IStGH. Das Vorgehen zeige »exemplarisch, dass das Völkerrecht das universelle Maß des Handelns ist, vor dem sich alle zu verantworten haben. Auch die Partner des Westens«, so die in Berlin ansässige Menschenrechtsorganisation auf X.
Ähnlich äußert sich auch Medico International aus Frankfurt. »Die Haftbefehle wären ein wichtiger Schritt zur Wahrung internationalen Rechts«, erklärte der Geschäftsführer der Frankfurter Hilfs- und Menschenrechtsorganisation, Tsafrir Cohen, am Montag. Auch die Bundesregierung müsse nun umdenken. Israels Militär befinde sich auf einem »mörderischen Kurs«, Deutschland sei mit seiner Unterstützung für den Krieg deshalb ebenfalls »auf Abwegen unterwegs«, sagt Cohen. Damit trage die Bundesregierung zur Erosion von Völkerrecht und Völkerstrafrecht bei.
Bei den Attacken der Hamas im israelischen Grenzgebiet am 7. Oktober waren rund 1200 Menschen getötet worden, ein Viertel von ihnen waren Sicherheitskräfte. Die Hamas hat anschließend mehr als 250 Menschen als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt. Israel begann daraufhin die größte militärische Offensive in Gaza, bei der nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde bisher mehr als 35 500 Menschen getötet worden sind. Israels Regierungschef hat diese Größenordnung zuletzt bestätigt und zugleich behauptet, die Hälfte der Toten seien Hamas-Kämpfer gewesen. Mit Agenturen
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