Land unter in der Asse?

Im niedersächsischen Atommülllager sucht sich einsickerndes Wasser neue Wege

  • Reimar Paul
  • Lesedauer: 3 Min.

Zwar strömen schon seit Jahrzehnten täglich bis zu 12 000 Liter Salzwasser in die Schachtanlage Asse II, in der unter anderem Fässer mit radioaktiven Abfällen eingelagert sind. Und bislang konnte der Zulauf kontrolliert werden. Doch zuletzt nahm er an einigen Stellen bedrohlich zu. Kritiker warnen davor, dass die Anlage unkontrolliert mit Wasser volllaufen könnte – mit dramatischen Folgen für Umwelt und Bevölkerung.

Die Schachtanlage Asse II im niedersächsischen Kreis Wolfenbüttel ist ein ehemaliges Salzbergwerk. Zwischen 1967 und 1978 wurden in die offiziell als »Versuchsendlager« firmierende Grube rund 126 000 Fässer mit schwach und mittelradioaktivem Atommüll sowie chemischen Abfällen gebracht, darunter auch rund 100 Tonnen radioaktives Uran, 87 Tonnen strahlendes Thorium, 28 Kilogramm Plutonium und 500 Kilogramm extrem giftiges Arsen. Unklar ist, ob entgegen offiziellen Beteuerungen nicht auch hochradioaktiver Müll verklappt wurde.

Während die Nachbarschächte Asse I und Asse III schon früher vollgelaufen waren und aufgegeben wurden, rinnt seit 1988 Salzwasser auch in Asse II. Doch seit ein paar Monaten verändert sich der Salzwasserzufluss im Bergwerk: Die Betreiberin des Schachts, die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE), hat den Großteil des Wassers über Jahre überwiegend in 658 Metern Tiefe in der sogenannten Hauptauffangstelle gesammelt, analysiert, nach radiologischer Freigabe nach oben abtransportiert. Dort ist allerdings ein Rückgang der zufließenden Wassermengen zu beobachten. Stattdessen verzeichnet die BGE an mehreren Stellen unterhalb von 658 Metern einen stärkeren Zulauf. Bei den etwas tiefer liegenden Sammelstellen – direkt vor den Einlagerungskammern des Atommülls auf der 750-Meter-Ebene – ist laut BGE noch kein Anstieg des Salzwasserpegels zu beobachten. Die Beobachtungsintervalle würden hier zur Sicherheit aber verkürzt.

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An ihren Plänen zur mittelfristigen Rückholung der Abfälle hält die BGE nach eigenem Bekunden vorerst weiter fest. 2010 hatte ein wissenschaftlicher Optionenvergleich ergeben, dass eine sichere Schließung von Asse II nur nach einer Bergung der giftigen Abfälle zu gewährleisten wäre. Bisherigen Planungen der BGE zufolge soll die Räumung 2033 beginnen und rund 4,5 Milliarden Euro kosten. Ob die Rückholung tatsächlich gelingt, war von Beginn an offen – nirgendwo auf der Welt wurde bislang ein unterirdisches Atommülllager geräumt.

Eine sogenannte Gegenflutung des Bergwerks, die das Ende der Rückholpläne bedeutete, plant die BGE derzeit nicht. »Diese Notfallmaßnahme wird nur bei einem technisch nicht mehr beherrschbaren Lösungszutritt umgesetzt«, sagte BGE-Chefin Iris Graffunder der »Braunschweiger Zeitung«. Dennoch werden Vorsorgemaßnahmen zur Stabilisierung – etwa die Betonierung bestimmter unterirdischer Hohlräume – vorangetrieben. Derzeit versuchen Fachleute laut BGE, mögliche Schadstellen ausfindig zu machen und zu reparieren.

Aus Kreisen des Bundesumweltministeriums heißt es, dass die Situation in der Asse ernst genommen wird. Die atomrechtlichen und bergrechtlichen Aufsichtsbehörden in Niedersachsen und im Bund beobachteten die Lage und den Wassereintritt permanent. Das Ministerium gab der BGE auf, fortlaufend und detailliert über die Vorgänge in der Asse zu berichten. Der Betreiber soll zudem Vorschläge vorlegen, wie eine unkontrollierte Ausbreitung von Salzlösung im Bergwerk verhindert und die Rückholung der radioaktiven Abfälle gesichert werden kann.

Auch Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer (Grüne) zeigt sich besorgt. »Das Atomdesaster in der Asse schreibt ein neues Kapitel«, sagte er. Die Vorfälle zeigten, dass die Rückholung der radioaktiven Abfälle beschleunigt werden müsse. Die Anti-Atom-Organisation Ausgestrahlt wirft der BGE vor, die Situation in dem maroden Atomlager nicht im Griff zu haben und ungeachtet eigener Bekundungen eine absichtliche Flutung des Bergwerks vorzubereiten. Stattdessen müsse mit aller Kraft an der Bergung gearbeitet werden. Sonst drohen laut Helge Bauer von Ausgestrahlt »unkalkulierbare Folgen für die Gesundheit der Bevölkerung und die Umwelt«.

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