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DFB-Pokal: Chaos-Klub Kaiserslautern gegen Leverkusens Wunder-Elf

Zweitligist 1. FC Kaiserslautern fordert Meister Bayer Leverkusen im Pokalfinale

Trainer Friedhelm Funkel (3.v.r.) führte Lautern zum Klassenerhalt und ins Pokalfinale in der Hauptstadt.
Trainer Friedhelm Funkel (3.v.r.) führte Lautern zum Klassenerhalt und ins Pokalfinale in der Hauptstadt.

Wenn nicht gerade der eigene Verein spielt, dann gehört die Sympathie im Fußball oft den Außenseitern. Klein gegen Groß: Diese Duelle bietet oft der DFB-Pokal – seit 13 Jahren auch mal wieder im Endspiel. An diesem Sonnabend spielen der neue deutsche Meister Bayer Leverkusen und Zweitligist 1. FC Kaiserslautern im Berliner Olympiastadion um die 52 Zentimeter hohe Messingtrophäe.

Geschrumpfter Favorit

Die Rollen im 81. Pokalfinale sind klar verteilt: Auch wenn die Leverkusener mit dem 0:3 im Endspiel der Europa League gegen Atalanta Bergamo etwas geschrumpft sind, gehen sie als großer Favorit in das Spiel. Während Bayer in der Bundesliga ungeschlagen blieb, kämpfte Kaiserslautern in Liga zwei bis zuletzt um den Klassenerhalt. 17 Niederlagen mussten die Pfälzer dabei einstecken. In ihren bislang fünf Pokalspielen besiegten sie mit Rot-Weiß Koblenz und dem 1. FC Saarbrücken zwei unterklassige Teams, zwei Ligakonkurrenten – Hertha BSC und den 1. FC Nürnberg – sowie einen Erstligisten, den Absteiger 1. FC Köln. Dementsprechend blickt Trainer Friedhelm Funkel auf das Duell in Berlin: »Wir sind der größte Außenseiter in einem Endspiel in der Geschichte des Pokals.«

In der Frage nach der Gunst des neutralen Publikums deutet dennoch einiges auf Leverkusen. Dafür haben sie viel getan: Etliche Fußballfans sind der oft als spröde verspotteten Werkself dankbar, dass sie die elfjährige Vorherrschaft des FC Bayern gebrochen haben. Und dabei punktet Leverkusen nicht nur mit dem Meistertitel, sondern vor allem mit einer Wunder-Elf und einem sympathischen Trainer: Unter Xabi Alonso spielt Bayer einen bezaubernden Ball und blieb in 51 Partien ohne Niederlage.

Selbstverschuldete Not

Beim Gegner steht ein sogenannter Feuerwehrmann an der Seitenlinie. »Der Fußball lässt einen einfach nicht los, und das ist schön«, hatte Funkel im Dezember gesagt. Im Februar kehrte der 70-Jährige dann in Kaiserslautern auf den Trainingsplatz zurück – und führte den FCK vom Relegationsrang schließlich noch auf Platz 13. Und mit dem Halbfinalsieg gegen Saarbrücken ins Pokalfinale. Eigentlich eine schöne Geschichte. Allerdings kam Funkel, der mittlerweile in fast 900 Spielen auf der Trainerbank gesessen hat, nur zu einem weiteren Comeback, weil sich der 1. FC Kaiserslautern wieder einmal selbstverschuldet in große Not gebracht hatte.

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Nach Platz neun als Aufsteiger in der Vorsaison wollte sich der Klub in dieser Spielzeit in der 2. Bundesliga stabilisieren. Das ausgegebene Ziel war ein gesicherter Mittelfeldplatz. Entsprechend enttäuscht und verwundet nahm Trainer Dirk Schuster Ende November seine Entlassungspapiere entgegen: Kaiserslautern stand auf Platz elf, mit fünf Punkten Vorsprung auf den Relegationsrang und fünf weiteren auf den ersten direkten Abstiegsplatz. Eine falsche Entscheidung: Schusters Nachfolger Dimitrios Grammozis musste nach sechs Niederlagen in sieben Spielen schon wieder gehen. Feuerwehrmann Funkel übernahm.

Entsetzt waren damals auch die Lauterer Fans: Schuster war beliebt und gut. Und irgendwie war er ja auch der Aufstiegstrainer nach dem erstmaligen Absturz in die Drittklassigkeit im Jahr 2018. Allerdings handelt der FCK im Mai 2022 ebenso fragwürdig: Trainer Marco Antwerpen hatte das Team auf Platz drei und somit in die Relegation um den Aufstieg geführt. Doch direkt vor den Spielen gegen Dynamo Dresden wurde Antwerpen gefeuert. Damals ging es gut.

Mythos und Größenwahn

Der Erfolg gab dem Verein in den vergangenen Jahrzehnten selten Recht. Lange Zeit war der 1. FC Kaiserslautern mit seinen fünf Weltmeister von 1954 um den legendären Fritz Walter ein bundesdeutscher Mythos. Das erklärt vielleicht auch den Größenwahn, der seit Ewigkeiten auf dem Betzenberg regiert. So sprach der damalige Investor Falvio Becca 2017 vom »Ziel Champions League«. Der Verein spielte in der 3. Liga. Ein Chaos-Klub war der FCK da schon lange. Im Jahr 2003 musste er hochverschuldet sein Stadion an die Stadt Kaiserslautern verkaufen. Immer wieder half auch das Bundesland dabei, den Verein zu retten. Der Mythos sollte weiterleben.

Viele Sympathien verspielte der Verein vor vier Jahren. Mit mehr als 20 Millionen Euro Schulden nutzte der 1. FC Kaiserslautern die in der Corona-Zeit vom DFB geschaffene Möglichkeit einer folgenlosen Insolvenz. Ohne Punktabzug oder weitere Strafen sanierte sich der Verein auf Kosten vieler anderer. So musste beispielsweise Dynamo Dresden auf eine sechsstellige Rate aus dem Transfer von Lucas Röser nach Kaiserslautern verzichten. Und: Plötzlich wieder liquide, kaufte der Drittligist später Stürmer Terence Boyd – weil er mehr bieten konnte als Dresden. Ein halbes Jahr später schoss der FCK in der Relegation Dynamo in die Drittklassigkeit.

Druck der Investoren

Halbwegs solides Wirtschaften ist auch aktuell in Kaiserslautern nur mit Hilfe zweier Investorengruppen möglich. Deren Einfluss ist groß. Ein Opfer soll Trainer Schuster gewesen sein – weil sich nur mit einem Aufstieg in die 1. Bundesliga Geld verdienen lässt. Im Pokal hat der FCK zumindest einiges verdient, ein Sieg im Finale gegen Leverkusen mit dem daraus resultierenden Start in der Europa League wären ein Segen. Kaiserslautern als fünfter unterklassiger deutscher Klub, der international spielt? Eine schöne Geschichte, eigentlich.

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