Pagode in Berlin: Buddhistische Gemeinde feiert Standortsicherung

Nach Einigung mit dem Bezirk Lichtenberg befindet sich die buddhistische Gemeinde zum Vesakh-Fest in Feierlaune

  • Marina Mai
  • Lesedauer: 4 Min.

Gelbe Fahnen schmücken den Garten der Pho-Da-Pagode im Lichtenberger Ortsteil Hohenschönhausen. Die Sonne scheint und macht es möglich, dass die rund 150 vietnamesischen Buddhist*innen das Vesakh-Fest am Sonntag im Freien feiern können. Den Altar haben die Gemeindemitglieder mit Buddha-Figuren, Obstschalen und Räucherstäbchen verziert. Das Vesakh-Fest steht für den Geburtstag Buddhas, der rund 500 Jahre vor unserer Zeitrechnung im Norden Indiens auf die Welt kam. Es ist der höchste buddhistische Feiertag.

Eine Kindertanzgruppe tritt auf. Frauen singen Lieder und zeigen eine Modeschau in traditioneller vietnamesischer Kleidung, die sogenannte Ao-Dai-Schau. Mönche aus Frankreich, Dänemark und Schweden zelebrieren gemeinsam mit einheimischen Mönchen die religiöse Zeremonie. Bevor die Gemeinde zum Essen zusammenkommt, bekommt jeder die Gelegenheit, das auf dem Altar aufgestellte Buddha-Kind mit Taufwasser zu begießen.

Doch in diesem Jahr feiert die Pho-Da-Gemeinde in Hohenschönhausen nicht nur die Geburt Buddhas, sondern auch die Standortsicherung der eigenen Pagode. Mit ihr endet eine jahrelange Phase des gegenseitigen Missverständnisses zwischen der buddhistischen Gemeinde und dem Lichtenberger Bauamt.

Die Pagode war 2006 in das Pförtnerhäuschen eines Asiamarktes gezogen. Da die Buddhist*innen keine Umbauten an der Pförtnerloge vornahmen, stellten sie auch keinen Bauantrag. Allerdings hätten sie einen Antrag auf Umwidmung des Raumes in ein religiöses Zentrum stellen müssen. Denn seit 2006 wurde das einst verwaiste Gebiet zum Gewerbegebiet, und dort wacht das Baurecht scharf, dass auch tatsächlich nur Gewerbebetriebe einziehen.

Obwohl die damalige Bürgermeisterin Christina Emmrich (Linke) 2006 an der Einweihungsfeier der Pagode teilgenommen hatte, will das Bauamt Lichtenberg erst zehn Jahre später von ihrer Existenz erfahren haben. Und zwar dann, als die auf 200 Mitglieder angewachsene Gemeinde einen Bauantrag zur Erweiterung des Gebäudes stellte. Dieser wurde abgelehnt mit der Begründung, eine Pagode habe im Gewerbegebiet nichts zu suchen. Die Gemeinde baute trotzdem, was drei Jahre später bei einer Kontrolle des Bauamtes auffiel.

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Mehrfach verfügte das Bauamt in der Folgezeit den Abriss der gesamten Pagode. Nicht wegen des Schwarzbaus, der dem ehemaligen Baustadtrat Kevin Hönicke (SPD) zufolge »unproblematisch ausgeführt worden war«, sondern weil eine Pagode nicht in ein Gewerbegebiet gehöre. Mehrfach erfuhren die jeweiligen Baustadträt*innen erst durch Presseanfrage von den Abrissverfügungen ihrer Mitarbeiter*innen. Sie erteilten der Pagode eine Duldung und versuchten, das Gotteshaus mit Unterstützung des Senats am Ort planungsrechtlich abzusichern. Doch kaum waren ein neuer Baustadtrat oder eine neue Baustadträtin im Amt, verfügten die Mitarbeiter*innen des Bauamtes an der politischen Ebene des Bezirksamtes vorbei erneut den Abriss der Pagode.

Für die Gemeinde, die sich sozial stark engagiert, beispielsweise in der Ukrainehilfe oder in der Trauerbewältigung für vietnamesische Berliner*innen, hätte der Abriss das Ende ihrer Gemeinschaft bedeutet. Denn das Pförtnerhäuschen des Asiamarktes nutzen sie mietfrei. Die Besitzerin, die selbst praktizierende Buddhistin ist, erhofft sich davon einen Win-Win-Effekt: Die Pagodenbesucher*innen können im Markt auch einkaufen. Vor allem hätte der Abriss aber gravierende religiöse Folgen gehabt: In der Pagode sind rund 200 Ahnenaltäre für die verstorbenen Vorfahren der Gemeindemitglieder aufgestellt. Nach dem traditionellen Glauben, einer Mischung aus Buddhismus und Naturreligion, ruhen die Seelen der Ahnen am Ort des Ahnenaltars. Abriss und Umzug würden bedeuten, dass die Seelen der Verstorbenen ruhelos im Jenseits umherirren. Das will niemand seinen Vorfahren antun.

Lichtenbergs Bürgermeister Martin Schaefer (CDU), von Beruf evangelischer Theologe, ist Gast auf dem Fest und zeigt sich beeindruckt vom sozialen Zusammenhalt der Gemeinde: »Es war eine richtige und gute Entscheidung, dass wir ganz klar Ja zur Pagode gesagt haben.« Verwaltungsakte würden leider öfter lange dauern.

Max Müller von der Freien Universität, der durch sein Forschungsprojekt seit 2020 mit der Pagodengemeinde zusammengewachsen ist, hebt das soziale Engagement der religiösen Gemeinschaft hervor, die beispielsweise für Hochwasseropfer in Vietnam und Deutschland Spenden sammelt: »Hier wird jedem geholfen«, sagt er. »Ich kann hier lernen, ein großes Herz zu haben.« Baustadträtin Camilla Schuler (Linke) äußert sich gegenüber »nd«, sie freue sich, dass in ihrer Amtszeit die Nutzung des Gebäudes durch die Religionsgemeinschaft endlich dauerhaft ermöglicht wurde. Mit der Genehmigung »können wir die religiöse und kulturelle Vielfalt im Bezirk weiterhin stärken.«

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