»Widersetzen« beklagt Polizeigewalt bei Protesten gegen die AfD

Im NRW-Landtag danken alle Fraktionen der Polizei für den Einsatz beim AfD-Parteitag

Nicht jeder Polizeieinsatz verlief für die Demonstrant*innen in Essen so glimpflich.
Nicht jeder Polizeieinsatz verlief für die Demonstrant*innen in Essen so glimpflich.

Die AfD im Landtag von Nordrhein-Westfalen hat sich eines Tricks bedient, um über den Polizeieinsatz rund um ihren Bundesparteitag am Wochenende reden zu können. Fristgerecht ließ sie eine Debatte über den Polizeieinsatz bei einem lokalen Parteitag vor einigen Wochen in Köln auf die Tagesordnung setzen und ergänzte diesen Diskussionspunkt kurzfristig um zwei Anträge zum Bundesparteitag in Essen. Über diesen sprach der AfD-Abgeordnete Sven Tritschler dann auch nur im Landtagsplenum. »Europaweit« seien Linksradikale mobilisiert worden, um den Parteitag zu verhindern, sagte er und malte ein Schreckensbild davon, was die Delegierten auf ihrem Weg zum Parteitag hatten erleiden müssen. Er machte die Landesregierung dafür verantwortlich. Dass Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) die AfD als Nazi-Partei bezeichnet hatte, hielt Tritschler für »schäbig«. An Innenminister Herbert Reul (CDU) erging sein Vorwurf, die Polizei zu gefährden, wenn die Täter »die Richtigen« seien und es gegen die AfD gehe. Der Polizeiführung in Teilen von NRW warf Tritschler ein Verhalten vor, dass an »Arbeitsverweigerung« grenze, und kündigte an, dass diejenigen, die dafür verantwortlich seien, bald zur »Rechenschaft« gezogen würden.

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In der Landtagsdebatte reagierten alle anderen Fraktionen ablehnend auf die AfD und bedankten sich bei der Polizei für ihren Einsatz. Die SPD dankte Wüst, bei dem es sonst nicht nicht viele Gründe gäbe, danke zu sagen, für seine klaren Worte gegen die AfD. Die FDP warnte, die Polizei dürfe nicht zum »Prügelknaben von Extremisten« werden. Erstaunlich hellsichtig gab sich Innenminister Reul. Er analysierte, dass es der AfD darum gehe, den Staat und seine Organe zu delegitimieren: »Die Geschichten, die die AfD erzählt, zielen darauf, dass die Demokratie irgendwann nicht mehr funktioniert.« Die Polizei habe in Essen »die Knochen« für die AfD hingehalten, auch wenn bei deren Parteitag »der größte Quatsch« erzählt würde. Kritik an der Polizei wollte Reul nicht aufkommen lassen, diese habe »in beispielloser Weise« ihren Job gemacht.

Kritik am Polizeieinsatz gibt es allerdings. »Wir sammeln aktuell noch Erfahrungsberichte. Es gab an einzelnen Aktionsorten massive Übergriffe durch einzelne Polizeikräfte«, erklärt Katharina Schwabedissen, Sprecherin des Bündnisses »Widersetzen«, das die Blockaden gegen den Parteitag organisiert hatte. »Menschen wurden ins Gesicht geschlagen. Sie wurden getreten und mit Reizgas angegriffen. Es gab Knochenbrüche. Viele Aktivist*innen sind schockiert über das Ausmaß an Gewalt, dass sie erleben mussten«, erläutert sie das, was den Demonstrant*innen passiert ist.

Besonders eindrücklich klingen die Berichte von Menschen, die aus Süddeutschland mit drei Bussen angereist sind. Schon kurz nachdem sie aus ihren Bussen ausgestiegen waren, wurden sie demnach von der Polizei mit Pfefferspray und Schlagstöcken angegriffen. Die Polizei habe sie in einem Kessel zusammengedrängt. Selbst ältere Demonstrant*innen seien so hart gegen einen Zaun gedrückt worden, dass dieser umgeknickt sei. Svenja Appuhn, Bundessprecherin der Grünen Jugend, hat deutliche Worte für den Einsatz der Polizei: »Dass Demo-Teilnehmende schon kurz nach dem Ausstieg aus dem Bus mit Pfefferspray angegriffen wurden und sich nun die Berichte von Polizeigewalt häufen, ist nicht hinnehmbar.« Es könne nicht sein, dass Menschen, die sich »einer menschenfeindlichen Partei friedlich und mit Mitteln des zivilen Ungehorsams widersetzen«, Angst um die körperliche Unversehrtheit haben müssten.

»Die Geschichten, die die AfD erzählt, zielen darauf, dass die Demokratie irgendwann nicht mehr funktioniert.«

Herbert Reul Innenminister NRW

Für das Anwält*innen-Team, das die Proteste begleitet hat, fällen Anna Busl und Markus Wild ein negatives Fazit. Die Polizei sei gut darauf vorbereitet gewesen, legitimen Protest »zu gängeln und zu verhindern«. Auf die Wahrung von Grundrechten, insbesondere bei Ingewahrsamnahmen, sei die Polizei aber nicht vorbereitet gewesen. Menschen sei der Kontakt zu Anwält*innen über Stunden verweigert worden, die Beratungssituation sei schlecht gewesen, eine Person sei noch drei Stunden, nachdem ihre Freilassung angeordnet worden sei, in Gewahrsam gewesen.

Schwabedissen erklärt, dass viele Betroffene noch überlegten, ob sie Anzeigen erstatten sollen. Aus ihrer Sicht reiche das veröffentlichte Material, damit von Amts wegen ermittelt würde. »Das sollte auch im Interesse der Polizei und des Innenministeriums liegen.« Ob von dieser Seite Aufklärungsinteresse besteht, ist fraglich. Im Landtag waren sich der Innenminister und alle Fraktionen bis auf die AfD einig, dass der Einsatz gut gelaufen ist.

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