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Synagoge gut, nicht alles gut
Jüdisches Gemeindezentrum in Potsdam während einer neuen Welle des Antisemitismus eingeweiht
»Synagogen-Einweihungen auf deutschem Boden, von dem das größte Menschheitsverbrechen ausging, sind immer etwas Besonderes«, sagt am Donnerstag Abraham Lehrer. Unter den Folgen der Shoah leiden die jüdischen Gemeinden noch heute, erklärt er bei der Einweihung der neuen Synagoge von Potsdam. Lehrer leitet die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden, die den Neubau die nächsten drei Jahre betreuen wird und dann zur Selbstverwaltung an die Juden der Stadt übergeben möchte.
Militärbundesrabbiner Zsolt Bella singt noch ein Lied, spielt dazu Gitarre. Dann ist Rabbiner Avichai Apel dran. Die blauen Vorhänge vor dem Thoraschrein werden weggezogen, die Schiebetüren geöffnet und die kostbaren Schriftrollen hervorgeholt. Rabbiner Apel predigt: »Die Freude, hier wieder eine schöne Synagoge zu haben, erfüllt uns mit Hoffnung.« Es sei versucht worden, das jüdische Volk zu vernichten – im antiken Babylon, im mittelalterlichen Spanien, in Nazideutschland –, und zuletzt habe es die palästinensische Hamas darauf angelegt. »Immer hat Gott uns gerettet. Unsere Feinde haben es nie geschafft, uns zu vernichten«, sagt Apel.
Ein Streichquartett spielt zum Abschluss »Summertime« von George Gershwin. Um 12.30 Uhr endet der Festakt zur Einweihung der neuen Synagoge in der Schloßstraße. Es ist eine orthodoxe Synagoge. Beim Festakt sitzen männliche und weibliche Gäste gemischt auf den Bänken, bei den Gottesdiensten aber werden die Frauen künftig auf die Empore verbannt.
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Potsdam war die letzte Landeshauptstadt ohne Synagoge. Eine ganz kleine Synagoge mit 40 Plätzen gibt es immerhin schon seit August 2021 am Zentrum jüdischer Gelehrsamkeit der Universität Potsdam, wo Rabbiner ausgebildet werden.
Die alte Synagoge von Potsdam wurde 1938 von den Nazis geschändet und im Zweiten Weltkrieg zerstört. Nach der Befreiung vom Faschismus lebten nur noch vereinzelt Juden in Brandenburg und Potsdam, erst in den 90er Jahren zogen viele aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion zu. Damals schon entstand der Wunsch, eine neue Synagoge zu bauen. Doch jahrzehntelang ist nichts daraus geworden. Erst haperte es mit der Finanzierung, dann konnten sich die verschiedenen jüdischen Gemeinden der Stadt nicht darauf verständigen, die geplante Synagoge gemeinschaftlich zu nutzen, die ihnen das Land Brandenburg bauen wollte.
Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, erinnert sich am Donnerstag in der nun endlich fertigen Synagoge, wie Brandenburgs Kulturministerin Manja Schüle (SPD) mit anderen zu ihm in seine Heimatstadt Würzburg gekommen sei, um den gordischen Knoten zu durchschlagen. Die Lösung war und ist: Für zunächst drei Jahre betreibt die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden die Potsdamer Synagoge, die nun doch von vier Gemeinden gemeinsam genutzt wird. Eine fünfte Gemeinde bleibt abseits. Sie ist ultraorthodox und begreift sich als einzige gesetzestreue, als Gemeinschaft der wahren Juden, während die anderen nur »Ersatzjuden« seien und die Sache mit der Synagoge ein Etikettenschwindel, der jüdisches Leben nur vortäusche. Die übrigen Gemeinden aber haben ihren Dauerstreit indessen so weit beigelegt, dass sie miteinander auskommen können.
Für Zentralratspräsident Schuster ist der 4. Juli 2024 ein Tag, »an dem wir die Früchte jahrelanger Arbeit ernten dürfen«. 200 000 Juden seien aus den früheren Sowjetrepubliken in die Bundesrepublik ausgewandert – und in Ostdeutschland habe die Fremdenfeindlichkeit vor ihnen nicht haltgemacht, bedauert er. Heute gehöre immer noch Mut dazu, eine neue Synagoge einzuweihen. Es soll ein offenes Haus sein, aber es muss gleichwohl vor Anschlägen geschützt werden.
Schuster zufolge erkennen die Juden in einem neuen, mehrheitsfähigen Gewand den alten Hass, der ihnen entgegenschlage. Juden und Palästinenser seien nicht nur im Nahen Osten Nachbarn, sondern auch in deutschen Städten. Zu einem friedlichen Zusammenleben gebe es keine Alternative. »Ich will mir eine Welt ohne Israel nicht vorstellen«, fügt Schuster hinzu. Vorstellen möchte er sich, dass jüdisches Leben in Potsdam wächst und gedeiht. Er hofft – Architekt Jost Haberland möge ihm verzeihen –, »dass wir in einigen Jahren zu der Erkenntnis kommen, dass wir diese Synagoge zu klein geplant und gebaut haben«.
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier (SPD) zitiert den Architekten Salomon Korn, der 1986 zur Eröffnung des jüdischen Gemeindezentrums in Frankfurt am Mai sagte: »Wer ein Haus baut, will bleiben.« Gegenüber den Nachfahren der Nazis sei das ein Vertrauen der Juden, »das wir rechtfertigen müssen, heute und in Zukunft«, meint Steinmeier. Doch über dem jüdischen Leben in Deutschland liege wieder ein »dunkler Schatten«. Es schmerze ihn, wenn ihm Juden schreiben, dass sie gar keinen Ort mehr zu haben glauben, an dem sie sich sicher fühlen können, und wenn junge Juden ihre Kippa lieber nicht öffentlich tragen, sogar ihren Namen ändern. Steinmeier versichert: »Nur wenn sich Jüdinnen und Juden in Deutschland ganz zu Hause fühlen, ist dieses Land ganz bei sich.«
Der Bundespräsident betont, der brutale Terror der Hamas am 7. Oktober vergangenen Jahres habe den Krieg um den Gazastreifen ausgelöst. »Gegen diesen Terror der Hamas wehrt sich Israel.« Solidarität gelte einem Israel, das Opfer sei, »aber auch einem Israel, das sich wehrt«. In diesem Zusammenhang erwähnt Steinmeier aber auch das Leid der palästinensischen Zivilbevölkerung. Darum leiste man humanitäre Hilfe und hoffe auf ein Ende des Krieges.
Die Synagoge hat 16,5 Millionen Euro gekostet. Der Bau begann vor zwei Jahren. Ende Mai übergab der brandenburgische Landesbetrieb für Liegenschaften und Bauen den Schlüssel. Der Staat bezahlte nicht nur das Gebäude, das Land unterstützt die Zentralwohlfahrtsstelle nun auch mit bis zu 650 000 Euro im Jahr für die Betriebskosten. Neben der eigentlichen Synagoge und dem aus Regenwasser gespeisten rituellen Tauchbad finden sich in dem Haus auch ein Besuchercafé, ein Vortragsraum und eine Garderobe. Es ist ein ganzes Gemeindezentrum entstanden. Die Synagoge fasst 199 Personen, darunter 50 Frauen auf der Empore.
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