Zwischen Anspruch und Wirklichkeit

Studie: Eltern wollen Sorgearbeit gerecht aufteilen. Sie scheitern am Arbeitsmarkt und an staatlicher Kinderbetreuung

Ein Foto aus der Kita des Jahres 2023 in Halle. Für viele Kinder in Deutschland gibt es nicht genügend Kita-Plätze. Das wirkt sich auf die Arbeitsverhältnisse ihrer Eltern aus.
Ein Foto aus der Kita des Jahres 2023 in Halle. Für viele Kinder in Deutschland gibt es nicht genügend Kita-Plätze. Das wirkt sich auf die Arbeitsverhältnisse ihrer Eltern aus.

Deutsche Paare würden gerne sowohl Erwerbs- als auch Sorgearbeit gerechter untereinander aufteilen. Das zahlt sich für sie aber meist finanziell nicht aus, ergibt eine neue Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB). Zur Sorgearbeit zählen häufig unbezahlte Tätigkeiten wie Kinderbetreuung, Alten- oder Haushaltspflege.

Die geschlechtsspezifische Lohnlücke, der Gender-Pay-Gap, liegt hierzulande seit Jahren konstant bei 18 Prozent und ist im europäischen Vergleich sehr hoch. Elternschaft verschärft diese Ungleichheiten. Das zeigt sich vor allem im Westen Deutschlands: Hier ist das »Zuverdienermodell« – der Vater arbeitet Vollzeit, die Mutter Teilzeit oder geringfügig – die am häufigsten gewählte Erwerbskonstellation. Das sogenannte Erwerbs- und Sorgemodell, bei dem beide Elternteile 30 Wochenstunden arbeiten, leben nur drei bis fünf Prozent aller westdeutschen Paare. Auch in Ostdeutschland ist jene Aufteilung nicht weit verbreitet. Hier arbeiten aber mehr als doppelt so viele Elternteile wie im Westen beide in Vollzeit, insgesamt über 40 Prozent der Paare.

Laut Väterreport 2023 wünscht sich, entgegen jenen Zahlen, die Hälfte aller Väter, Sorgearbeit egalitärer aufzuteilen. Zu ähnlichen Ergebnissen kommt das Familiendemografische Panel, das die Themen Beziehung und Familienleben in Deutschland abfragt. Woher kommt also die Diskrepanz zwischen Wunsch und Wirklichkeit?

nd.Kompakt – unser täglicher Newsletter

Unser täglicher Newsletter nd.Kompakt bringt Ordnung in den Nachrichtenwahnsinn. Sie erhalten jeden Tag einen Überblick zu den spannendsten Geschichten aus der Redaktion. Hier das kostenlose Abo holen.

Strukturelle Hindernisse

Einige strukturelle Gegebenheiten erschweren die Aufteilung der Arbeit, schlussfolgern die Autorinnen der DIW-BiB-Studie. Dazu gehört etwa die Kinderbetreuungsinfrastruktur. Problematisch seien hierbei insbesondere fehlende Kita-Plätze für Kinder unter drei Jahren sowie Ganztagesplätze für Grundschulkinder.

Für den Kita-Ausbau seien mehr Haushaltsmittel bei Kommunen, Bund und Ländern sowie eine Prioritätensetzung, die den Kita-Ausbau vor dem Hintergrund knapper Haushalte weiter angehe erforderlich, führt C. Katharina Spieß, Direktorin des BiB, gegenüber »nd« aus. Würden die »vielen vorliegenden Vorschläge« zur Fachkräfteoffensive im Kita-Bereich prioritär angegangen, halte sie jenen Ausbau für durchaus realistisch.

2023 und 2024 förderte die Bundesregierung das Kita-Qualitätsgesetz zur Verbesserung der Kindertagesbetreuung mit insgesamt vier Milliarden Euro. Im neuen Bundeshaushalt sei derselbe Betrag für 2025 bis 2026 festgeschrieben, heißt es aus dem grünen Familienministerium auf »nd«-Nachfrage. Damit würde die Qualitätsentwicklung trotz der angespannten Haushaltslage weitergeführt, so eine Sprecherin. Laut Bericht des Paritätischen Gesamtverbands hat sich der Betreuungsschlüssel jedoch trotz Kita-Qualitätsgesetz 2023 noch einmal verschlechtert. Bundesweit fehlen inzwischen 125 000 Fachkräfte.

Ein weiterer Grund für die Arbeitsaufteilung, so die Studie, sei das Steuer- und Transfersystem. Einen wichtigen Part spiele dabei das Ehegattensplitting, das diese Woche zu einem Schlagabtausch zwischen Familienministerin Lisa Paus (Grüne) und Finanzminister Christian Lindner (FDP) führte. Dabei wird die Einkommensteuer von verheirateten Paaren gemeinsam verrechnet, wovon jene mit ungleichen Gehältern profitieren. Gleichzeitig werden so finanzielle Abhängigkeiten aufrechterhalten.

Eine vollständige Abschaffung des Ehegattensplittings sei in Deutschland schon allein aus rechtlichen Gründen nicht möglich, erklärt Katharina Wrohlich, Leiterin der Forschungsgruppe Gender Economics im DIW Berlin, gegenüber »nd«. Kompromissvorschläge lägen aber schon seit langer Zeit auf dem Tisch. Wichtig sei dabei, die Minijobs nicht zu vergessen. Die hohe Belastung für verheiratete Minijobberinnen entstehe durch die Kombination aus der steuerlichen Behandlung der Einkünfte aus Minijobs und dem Ehegattensplitting.

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.