- Politik
- Proteste in Bangladesch
Quotensystem destabilisiert Bangladesch
Oberstes Gericht versucht nach Studentenprotesten mit über 150 Toten zu schlichten
Die Regierung von Bangladesch ist am Zug. Nach den Protesten mit über 150 Toten will das höchste Gericht in Bangladesch das Quotensystem für Stellen im öffentlichen Dienst deutlich einschränken. Ob die Regierung dem Gericht folgt, ist noch nicht ausgemacht, und damit bleibt die Lage angespannt.
Seit gut einer Woche hielten die Studentenproteste Bangladesch in Atem. Nach der Entscheidung des Obersten Gerichts am Sonntag hat tags darauf die wichtigste Organisation angekündigt, ihre Demonstrationen vorübergehend zu unterbrechen. Die Aktionen würden für 48 Stunden ausgesetzt, sagte der Anführer von Students Against Discrimination, Nahid Islam, am Montag der Nachrichtenagentur AFP. Dass bereits seit dem 18. Juli das Internet abgeschaltet ist und auch der Mobilfunk nicht funktioniert, erschwert lokalen Medienschaffenden die Arbeit und verhindert, dass ihre Informationen vor Ort sich international verbreiten können.
Dem Urteil vom Sonntag zufolge müssen nun 93 Prozent der staatlichen Arbeitsplätze des südasiatischen Landes ausschließlich nach dem Leistungsprinzip vergeben werden, sagte Generalstaatsanwalt AM Amin Uddin der Nachrichtenagentur Reuters. Die Quote derjenigen Stellen, die Familien von Unabhängigkeitskämpfern und anderen privilegierten Bewerbern vorbehalten seien, werde von 56 Prozent auf sieben Prozent gesenkt. Bereits bis 2018 galt die Quotierung von 56 Prozent. Dagegen waren schon damals vor allem Studierende auf die Straßen gegangen, weshalb die Regierung schließlich in einem Rundschreiben alle Quoten aufgehoben hatte. Dies sei seinerzeit aber »illegal, verfassungswidrig und ineffektiv« gewesen, urteilte letztlich am 5. Juni eine Kammer des High Courts, die damit das Regelwerk wieder in Kraft setzte. Daran hat sich die neue Protestwelle entzündet.
Regierungsnahe Bewerber im Vorteil
Zu Zehntausenden demonstrierten junge Leute in den zurückliegenden Wochen an allen großen Unis des Landes, blockierten wiederholt zentrale Straßenkreuzungen. Auch viele Colleges schlossen sich an. Kern der Kritik war und ist dabei die zuvor bei 30 Prozent liegende Quote für die Nachfahren von Freiheitskämpfern aus dem Unabhängigkeitskrieg 1971. Was ursprünglich als staatliche Fördermaßnahme für direkt Beteiligte am Aufstand gegen die westpakistanische Fremdherrschaft zugunsten einer Eigenstaatlichkeit des »Landes der Bengalen« gedacht war, wurde ab 1997, als die Reservierungen kaum noch ausgeschöpft wurden, auch auf Kinder und Enkel erweitert. Mittlerweile ein Anachronismus, der vor allem besonders regierungsnahe Familien begünstige, so der Vorwurf seitens der Protestierenden.
Premierministerin Sheikh Hasina, Tochter des »Vaters der Nation« Mujibur Rahman, und ihre linksliberale Awami-Liga (AL) sehen sich in besonderer Traditionslinie des einstigen Freiheitskampfes gegen die pakistanische Armee und oft noch brutaler agierende einheimische Kollaborateure aus dem rechtskonservativen und radikalislamischen Lager. Die einst im Kern progressive und auch mit linken Kräften verbündete Partei regiert seit 2009 ununterbrochen. Vor allem in den letzten Jahren wird Hasina und ihrer engsten Clique ein zunehmend autoritärer Kurs vorgehalten, der sich gegen jede Form von Widerspruch richtet.
Hatte die Regierung auf die jüngsten Proteste der studentischen Jugend anfangs zurückhaltend reagiert und darauf verwiesen, allein die Gerichte müssten entscheiden (und etwa eine Sondersitzung des Parlaments für eine mögliche Reform strikt verweigert), war zuletzt eine Ausgangssperre verhängt worden, die Sicherheitskräfte waren ermächtigt, auf jeden zu schießen, der diese verletzt. Schon in der Vorwoche hatten sich gewaltsame polizeiliche Übergriffe mit Schlagstöcken und Gummigeschossen gehäuft. Auch die BCL, eine der AL treu ergebene Nachwuchsorganisation, hatte an Unis kritische Studierende attackiert.
Klarer Teilerfolg für die Demonstranten
Mit dem Urteil des Obersten Gerichts sinkt die Quote für die Nachkommen ehemaliger Freiheitskämpfer nun von 30 auf 5 Prozent. Das ist ein klarer Sieg für die Protestierenden, die aber keineswegs aufgeben wollen, wie es in jüngsten Statements heißt. Denn gefordert wird jetzt, dass alle Festgenommenen freikommen und jene zurücktreten müssten, die das brutale Durchgreifen der Sicherheitskräfte angeordnet hatten.
Regierungsamtliche Stellen diffamierten die Protestfront in jüngster Zeit als »unterwandert« von der rechten Opposition. Namentlich der Jamaat-e-Islami, die vor 53 Jahren ganz vorneweg aufseiten der Kollaborateure stand, die Unabhängigkeitssympathisanten entführte, ermordete und folterte. Die Bangladesh Nationalist Party (BNP), größte Kraft der Opposition, verzeichnete in den vergangenen Tagen rund 70 Festnahmen aus ihren Reihen.
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