Winfried Kretschmann: Ein Nachfolger namens Cem?

Christoph Ruf über Äußerungen des Grünen-Politikers Dieter Salomon

Dieter Salomon (Bündnis 90/Die Grünen)
Dieter Salomon (Bündnis 90/Die Grünen)

Ohne jede Frage ist die Ansage, bei Olympia das Wort »Eskimorolle« zu unterlassen, einer von vielen effizienten Faustschlägen ins dreckige Antlitz des Faschismus. Einigermaßen komisch finde ich es indes, dass bei so viel öffentlich-rechtlicher Achtsamkeit ein Debattenbeitrag untergegangen ist, der meines Erachtens wirklich zeigt, wie tief rassistisch diese Gesellschaft in weiten Teilen noch ist.

Anstoß war ein SWR-Interview mit Dieter Salomon, seines Zeichens maximal konservativer Grüner aus Baden-Württemberg. Als Oberbürgermeister von Freiburg, der wohl grünsten Stadt Deutschlands, wurde er 2018 überdeutlich abgewählt, weil sein Selbstbewusstsein ins Pathologische gewachsen war. Nicht ganz so clever, wenn man den Leuten am Wahlkampfstand zu Dutzenden mitgibt, dass sie einfach zu blöd sind, um die eigene Politik zu begreifen. Dieser Salomon, der seither auf der Schleimspur von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (»einzigartig«, »das kann kein Zweiter«) seine Karriere abklingen lässt (derzeit als »Vorsitzender des baden-württembergischen Normenkontrollrats«), hat im Interview allen Ernstes die Frage aufgeworfen, ob Cem Özdemir der geeignete Grünen-Kandidat für die Nachfolge von Kretschmann sein könne.

Christoph Ruf

Christoph Ruf ist freier Autor und beobachtet in seiner wöchentlichen nd-Kolumne »Platzverhältnisse« politische und sportliche Begebenheiten.

Festhalten bitte: »Wenn man Cem Özdemir heißt, ist das – glaube ich – in Stuttgart und Freiburg kein Problem. Weil das interessiert niemanden, dass er türkische Wurzeln hat.« Indes habe er »schon Bedenken, ob er über die grüne Kernklientel hinaus so viel Stimmen kriegen kann, wie das Kretschmann getan hat.«

Über solch einen Blut-und-Boden-Urschlamm überhaupt nur laut nachzudenken, ist vor allem deshalb skandalös, weil Polit-Profi Salomon natürlich genau weiß, dass er dadurch die Büchse der Pandora erst öffnet. Ein größeres Messer kann man einem Parteifreund, den man angeblich über alle Maßen schätzt, nicht in den Rücken rammen. Vor allem aber sind solche Aussagen ein Skandal, weil sie den Rassisten (deren Stimmen für Kretschmann offenbar gerne genommen wurden) dadurch einen Freifahrtschein ausstellt. Die einzig souveräne Antwort auf die Wahrnehmung, dass eine signifikante Anzahl an Wahlberechtigten noch 2024 ein Problem mit einem Ministerpräsidenten hat, der nicht »Klaus« heißt, wäre es, erst recht einen Cem zu nominieren. Weil das auch in Baden-Württemberg kaum noch einem auffällt, dessen Stimme nicht eh verloren wäre. Vor allem aber, weil das nun wirklich ein starkes Signal wäre, dass man Rassisten nicht hinten reinkriecht.

Das geht nämlich leider nicht immer so spielerisch, wie ich es vor etwa zwei Wochen am Straßenbahngleis in Karlsruhe erlebt habe. Da stimmte ein etwa 15-Jähriger, der sich zu zwei Gleichaltrigen gesellt hatte, das Dödödödöp-Lied an, nachdem er einen vermeintlichen Nicht-Deutschen älteren Semesters erblickt hatte. Dass besagter Teenager selbst dabei wohl eher ebensowenig »Lasse« hieß wie seine Eltern, war dabei etwas merkwürdig, aber wer versteht schon 15-Jährige? Ein Volltreffer war jedenfalls die Replik des älteren Herren auf das »Ausländer raus«-Gebrabbel: »Alles klar«, rief der in breitem Badisch zurück. »Sofort, oder reicht`s morgen noch?« Da mussten dann auch die drei Teenager kräftig lachen.

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