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Fern der Realität
Peter Steiniger zu 75 Jahren Genfer Konventionen
Sie waren das Kind einer furchtbaren Zeit: Vier Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs wurden auf einer internationalen Konferenz in Genf die vier Genfer Konventionen geboren. Dieses humanitäre Völkerrecht, das von allen Staaten auf der Welt ratifiziert wurde und heute für alle Konfliktparteien als gültig angesehen wird, verpflichtet auch im Krieg zur Achtung von Würde, Leben und Gesundheit derjenigen Menschen, die nicht an Kampfhandlungen mitwirken, die in Gefangenschaft oder unter Besatzung geraten sind. Mit für alle Seiten verbindlichen Bestimmungen sollten Verbrechen, wie sie den Vernichtungskrieg Nazideutschlands gekennzeichnet hatten, aber auch auf der Seite der Sieger begangen wurden, künftig verhindert werden.
In keinem der bewaffneten Konflikte seither führten die Konventionen und ihre Zusatzprotokolle zu einer »ritterlichen« Kriegsführung, auch dann nicht, wenn diese angeblich »chirurgisch« angelegt war und massakrierte Zivilisten als Kollateralopfer oder menschliche Schutzschilde verbucht wurden. Politisch hat das humanitäre Völkerrecht – nicht zu verwechseln mit der regelbasierten Ordnung des Westens – dennoch Gewicht. Zwar bricht Stärke immer wieder schamlos internationales Recht, indem sich die Großmächte und im Gefolge ihre Vasallen darüberstellen. Auch bei diesem Teil des Völkerrechts krankt es an der relativen Machtlosigkeit einer reformbedürftigen Uno.
Den moralischen Pranger aber schätzen weder die USA, noch Russland oder Israel. Verstöße wie Angriffe auf zivile Einrichtungen müssen sie stets leugnen oder vertuschen. Dass es die Genfer Konventionen gibt, verbessert zumindest die Überlebenschancen von Zivilisten und Kriegsgefangenen. Das gilt aber nur solange, wie die Durchsetzung von Interessen mit Gewalt nicht in eine Eskalationsspirale entgleitet, wie es im Konflikt um die Ukraine nach wie vor droht. Die Genfer Verträge zur Verhinderung von Gräueln werden immer an eine Grenze stoßen: Menschlichkeit und Krieg gehen niemals zusammen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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