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Jan van Aken: »Jetzt ist Einigkeit angesagt«
Falls er Linke-Chef wird, will der Ex-Abgeordnete zwei Dinge tun: die zerstrittene Partei zusammenbringen und linke Positionen klarer kommunizieren
Sie waren seit Ihrem Abschied aus der Linke-Bundestagsfraktion 2017 häufiger für Führungsposten im Gespräch. Bisher haben Sie immer im letzten Moment gezuckt. Was war jetzt anders?
Die politische Situation in Deutschland bereitet mir richtig große Sorgen. Alle Parteien bis zu den Grünen machen diesen rassistischen Migrationskurs mit – dazu kommen die steigenden Zahlen der AfD. Wenn wir jetzt keine linke Partei mehr hätten, wäre das für die Zukunft in diesem Land katastrophal. Und ich bin fest davon überzeugt, dass Die Linke eine Zukunft hat.
Wo nehmen Sie diese Überzeugung her?
Ich war in den vergangenen Wochen in ganz Deutschland zu Friedensveranstaltungen unterwegs. Dabei habe ich so viel lebendigen Aktivismus in der Basis gesehen – Kreisverbände, die richtig viel Feuer haben – und gemerkt: Diese Partei lebt noch.
Jan van Aken arbeitet für die Rosa-Luxemburg-Stiftung zu den Themen Sicherheits- und Friedenspolitik. Er war von 2009 bis 2017 Außenpolitiker der Linksfraktion im Bundestag und in den Jahren 2004 bis 2006 als Biowaffeninspekteur für die Vereinten Nationen tätig.
Sie sagen, sie sollte gerettet werden und sie kann gerettet werden. Aber wie eigentlich?
Warum liegt sie in den Umfragen gerade so am Boden? Ich glaube, das hat ganz viel mit dem Bild von Zerstrittenheit und Unklarheit zu tun, das durch den Konflikt mit dem Wagenknecht-Flügel entstanden ist. Mit der Absplitterung ist ein großes Problem erst einmal gelöst.
Die Uneinigkeit war aber nicht nur durch den Wagenknecht-Flügel bedingt. Auch der Reformer-Flügel und der Bewegungsflügel kriegen sich in entscheidenden Fragen immer wieder in die Haare …
Wäre ja toll, wenn es nur diese zwei Flügel wären. Hast du 100 Linke, hast du 100 Positionen. Das ist immer so und auch in Ordnung. Auf der anderen Seite haben alle in der Partei inzwischen gemerkt: Wenn wir einfach nur öffentlich streiten, dann wird es Die Linke bald nicht mehr geben. Jetzt ist Einigkeit angesagt. Ich glaube, dass ich ganz gut darin bin, Leute zusammenzubringen und Brücken zu bauen.
Und wie geht das genau? Ich denke an die internen Kämpfe um das Thema Nahost. Viele Linke, insbesondere in der migrantischen Community, haben bei den EU-Wahlen lieber BSW oder die Splitterpartei Mera25 gewählt, weil sie den Eindruck hatten: In dieser wichtigen Frage, vertritt Die Linke keine klare Position.
Ich finde, der Parteivorstand hat von Anfang an klare Positionen kommuniziert, wo auch die migrantische Community voll dahinter stehen kann. Was aber viele abgeschreckt hat, ist, dass Dutzende Linke Dutzende unterschiedliche Positionen in der Öffentlichkeit vertreten haben. Wieder das Problem der Vielstimmigkeit. Das müssen wir echt ablegen.
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Immerzu heißt es: Wir haben schon gute Positionen, sie werden nur nicht gehört. Ist es nicht auch ein Versäumnis des Parteivorsitzes, dass sie die Konsenspositionen nicht gut genug in den Medien und in die Bewegung hinein kommuniziert haben?
In diesen schwierigen Fragen gilt es, klare Antworten zu finden, die der Komplexität des Themas trotzdem gerecht werden und diese dann offensiv zu kommunizieren. Beim Thema Ukraine zum Beispiel gibt es nicht die einfache Antwort. Nicht jeder, der für Waffenlieferungen ist, ist gleich ein Kriegstreiber und nicht jede, die dagegen ist, gleich Putin-Freundin. Sobald wir eingestehen, dass es komplizierter ist, entstehen Diskursräume, in denen Menschen, die sich vorher angeschrien haben, anfangen, Argumente austauschen. Die wichtige Frage ist gar nicht »Waffenlieferungen ja oder nein?« sondern: Wie kommst du zu Diplomatie? Hinter dieser Frage lässt sich die Partei vereinen. Ich glaube, meine Position zur russischen Aggression ist sehr mehrheitsfähig.
Die wäre?
Wir stehen ganz eng an der Seite der Ukraine, aber suchen immer zuerst nach Möglichkeiten, die Ukraine nicht militärisch zu unterstützen. Das Stichwort heißt Diplomatie. Da ist noch nicht alles versucht worden, deshalb bin ich gegen Waffenlieferungen. Ich bin aber auch dagegen, die Waffenlieferungen abrupt zu stoppen und zu sagen, jetzt ist Frieden, die Ukraine muss ihr verlorenes Land abgeben. Damit würde man das Recht des Stärkeren durchsetzen. Einen alternativen, nicht-militärischen Weg zu einem gerechten Frieden mitdenken, darum geht es. Mein Pazifismus ist friedlich, aber nicht hilflos.
Sollte Die Linke eher eine Partei der Brot-und-Butter- und Gewerkschaftsthemen sein oder eine Kraft, die die Lücke links der Grünen füllt und Bürgerrechte und ökologische Anliegen verteidigt?
Das ist ein künstlicher Gegensatz, den Wagenknecht mal rausgehauen hat, um ein Buch zu verkaufen. Ich bin dafür, dass wir eine sozialistische Volkspartei werden. Und sozialistisch heißt, dass wir an der Seite der arbeitenden Bevölkerung stehen – ob sie jetzt am Fließband arbeiten, im Krankenhaus oder am Laptop. Das ist kein Gegensatz zu Bürgerrechten und auch kein Gegensatz zu frustrierten Grünen und SPD-Wählerinnen.
Ines Schwerdtner sagt: Wir müssen uns weniger auf Akademiker konzentrieren …
Das ist eine Frage der politischen Ressourcenverteilung. Jetzt geht es erst einmal um die Bundestagswahl 2025. Bis dahin muss ich alle Ressourcen dahin tun, wo die Wähler*innen sind. Und die sind sowohl in den Großstädten als auch in der ländlichen Region. Wir müssen uns auf die Orte konzentrieren, wo es aktive Kreisverbände gibt und diese dann stärken, um uns bis zur Bundestagswahl wieder gut zu formieren.
Wir müssen dorthin gehen, wo die Wähler sind, ist leicht gesagt. Wie soll das genau aussehen?
Mein Motto ist: Die anderen Parteien reden, wir hören zu. Bevor wir uns auf die ein oder zwei zentralen Kampagnen festlegen, machen wir erst mal viele, viele Haustürgespräche und fragen die Menschen: Was genau drückt euch mehr? Ist es die Schließung des Krankenhauses oder die hohe Miete, die die Luft abschnürt? Oder dass vieles nicht mehr funktioniert in diesem Land?
Jetzt heißt es von verschiedenen Seiten, die Partei brauche wieder eine klarere Migrationspolitik. Rennt man damit nicht den bürgerlichen Parteien hinterher?
Hinterher? Nein, wir laufen vorweg. Wir machen bei dem rassistischen Diskurs nicht mit, wir stehen für ein offenes Einwanderungsland. Da müssen wir erstens eine klare Position entwickeln und die dann zweitens nach außen vertreten. Migration spielt im Wahlkampf eine wichtige Rolle, da müssen wir Position beziehen.
Es ist auch davon die Rede, dass man sich überlegen muss, wie man mit den konkreten Problemen, etwa in den Kommunen umgeht …
Gleich immer die Worte Migration und Problem zusammen in den Mund zu nehmen, das mache ich nicht mit. Für alles gibt es eine Lösung, wenn man nur will – und wenn der Bund endlich ausreichend Geld zur Verfügung stellen würde.
Sie und Ines Schwerdtner haben gleichzeitig ihre Kandidatur bekannt gegeben. Sie beide sagen, Sie würden gut zusammenarbeiten. Warum eigentlich?
Wir kennen uns noch nicht so gut. Wir haben jetzt ein paar Mal telefoniert und das fand ich erst mal auf der menschlichen Ebene super. Was ich bis jetzt inhaltlich von ihr gelesen habe oder was wir auch diskutiert haben, hinterließ bei mir den Eindruck: Das kann gut zusammengehen.
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