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»Megalopolis«: Ein nie enden wollendes Zugunglück
Der 85-jährige Star-Regisseur Francis Ford Coppola will mit »Megalopolis« Filmgeschichte schreiben, scheitert aber auf ganzer Linie
Kaum ein Film wurde dieses Jahr so intensiv durch die Feuilletons gejagt und erhielt vorab so schlechte Kritiken wie Francis Ford Coppolas zweieinhalbstündiges Alterswerk »Megalopolis«. Warum das so ist, davon können sich Zuschauer jetzt selbst ein Bild im Kino machen.
Wobei sich auch einige wenige Kritiker und Menschen aus der Filmbranche bei der Uraufführung in Cannes vor einigen Monaten von der abgedrehten Science-Fiction-Geschichte um einen visionären Architekten, der ein New York der Zukunft bauen will, zumindest stellenweise begeistern ließen. Liegt das an der Ehrfurcht vor dem großen Regisseur-Namen?
Der 85-jährige Francis Ford Coppola lässt in diesem Film, der New York als »Neu Rom« in einem popkulturellen Antikspektakel verklärt, jedenfalls wirklich nichts aus. Unzählige Referenzen auf die römische Geschichte, haufenweise Zitate (unter anderem von Marc Aurel), versteckte Hinweise auf Literatur- und Filmgeschichte von »Spartacus« über Fritz Langs »Metropolis« bis hin zu den Werken von Sallust und Shakespeare. Das alles wird von großen Stars mit unendlich viel Pathos und einer improvisiert wirkenden Tricktechnik mit mäßigem Unterhaltungswert in Szene gesetzt.
Die Kerngeschichte ist sehr frei an der historischen Vorlage von Catilinas Verschwörung in Rom Mitte des ersten Jahrhunderts vor Christus ausgerichtet (Standard-Latein-Lektüre 9. bis 10. Klasse) und erzählt vom Architekten Caesar Catilina (Adam Driver), der im Clinch mit Franklyn Cicero (Giancarlos Esposito), dem Bürgermeister von Neu Rom liegt, dann aber eine romantische und konfliktreiche Liebesgeschichte mit dessen Tochter Julia (Nathalie Emmanuel) erlebt.
Catilina kann die Zeit anhalten, während er auf Gebäuden in schwindelnder Höhe balanciert und mit tiefgründiger Miene eher substanzlos über die Zukunft der Stadt philosophiert. Das Bild friert dann einfach ein – Zeit angehalten. Nebenbei hat er noch eine Art Zaubermaterial namens Megalon erfunden, eine feinstoffliche Bausubstanz, die das Material sein soll, aus dem die futuristische Stadt der Zukunft gebaut wird. Dazu müssen fleißig Sozialblocks abgerissen werden.
Die Wut der obdachlosen Bewohner kanalisiert Catalinas Cousin Clodio Pulcher (Shia LaBeouf), der schließlich sogar Trump beziehungsweise den neofaschistischen Mainstream zitiert (»Wir holen uns dieses Land zurück«) und auf einem zum Hakenkreuz geschnitzten Baumstumpf eine Rede hält. Daneben gibt es noch den Multimilliardär Hamilton Crassus III. (Jon Voight), der vorhat, Clodio als Erben einzusetzen, erst aber mal die als widerliche Intrigantin dargestellte Fernseh-Journalistin Wow Platinum (Aubrey Plaza) ehelicht.
Das Ganze wird als heterosexistischer Sandalen-Fetisch-Film mit Blitzlichtgewitter im New Yorker Party-Jet-Set inszeniert, dazu jede Menge Koks, halbnackte, sich begierig räkelnde Frauen und entschlossene, machthungrige Männer, die miteinander im Wettstreit liegen und ständig pathetisches Zeug von sich geben.
Die einzige nicht-devote Frauenfigur ist die böse, machtgierige Journalistin, die am Ende mit einem goldenen Pfeil aus einer Armbrust niedergestreckt wird, nachdem sie gerade noch eine bemüht verrucht wirkende BDSM-Szene mit Bösewicht Clodio hatte. Ab und zu läuft auch Dustin Hoffman alias Nush Berman durchs Bild, der eine Art Faktotum des Bürgermeisters sein soll, ohne dass seine Rolle wirklich klar wird.
Die Architektur der Zukunft bleibt nicht mehr als eine immer wieder beschworene Kunst, die alles verändern und die ewige Stadt im neuen Glanz erstrahlen lassen soll und hin und wieder als Lichtinstallation angedeutet zu sehen ist. Während der Produktion wurde aus Kostengründen das gesamte für Tricktechnik zuständige VFX-Team entlassen und durch eine günstigere Variante ersetzt. Am Filmset soll es angeblich chaotische Zustände gegeben haben. »Es war, als würde man Tag für Tag, Woche für Woche einem Zugunglück zusehen«, zitierte der »Guardian« schon vor Monaten einen namentlich nicht genannten Mitarbeiter der Filmcrew.
Über 40 Jahre hat Francis Ford Coppola an dem Filmprojekt gearbeitet. Die ersten Ideen stammen aus den 80ern, diverse erfolgreiche Filme machte Coppola angeblich nur, um Geld für sein Projekt zusammenzubekommen, Anfang der 2000er begann er Hintergrundmaterial in New York zu drehen, bis 9/11 kam und das Ganze stoppte. Es vergingen weitere Jahre, bis er sein Herzensprojekt umsetzen konnte, über das Hauptdarsteller Adam Driver kein schlechtes Wort verliert.
Aber der zweieinhalbstündige Film hat zu viele Längen, kommt narrativ nicht auf den Punkt, verliert sich, ohne eine wirklich eigene und schlüssige Science-Fiction-Ästhetik zu entwickeln und wird zum Ende hin immer pathetischer. Den Schlusspunkt bildet ein Happy End, bei dem Cicero, Schwiegersohn Catilina und seine nett lächelnde Ehefrau mit Baby im Arm auf einer Neujahrsbühne am Times Square stehen und sich gegenseitig das schmalzige Versprechen um die Ohren hauen, dass sie immer das Beste für die Bewohner der Stadt tun werden. Dann wird mal wieder die Zeit angehalten und das Baby robbt einer glorreichen Zukunft entgegen. 40 Jahre künstlerische Arbeit, 100 Millionen Dollar Produktionskosten und heraus kommt ein New Yorker Komödienstadel.
»Megalopolis«: USA 2024. Regie/Buch: Francis Ford Coppola. Mit Adam Driver, Giancarlo Esposito, Nathalie Emmanuel. 138 Min. Start: 26.9.
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