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»Der großartigste Revolutionsversuch«
Zum 500. Jahrestag des deutschen Bauernkriegs sind zahlreiche neue Bücher erschienen
Der Bauernkrieg gehört neben der Reformation zu den erinnerungswürdigen Ereignissen am Beginn der frühen Neuzeit. Zehntausende Aufständische, mehrheitlich Bauern, verbündeten sich mit städtischen Einwohnern, um gegen erlebtes Unrecht, gegen obrigkeitliche Willkür und für eine freiheitliche Ordnung im Sinne des Evangeliums zu streiten. Angetrieben von Existenz- und Zukunftsängsten und in der Überzeugung, im Einklang mit dem göttlichen Willen zu handeln, forderten sie gerechte und sichere Lebensverhältnisse. Die 1525 von Vertretern verschiedener Bauernhaufen in Memmingen verabschiedeten Zwölf Artikel verbreiteten sich dank der Erfindung des Buchdrucks in rasantem Tempo und wurden zum Muster für Forderungskataloge der Aufständischen in unterschiedlichen Territorien des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation. Für Friedrich Engels war der Bauernkrieg »der großartigste Revolutionsversuch des deutschen Volkes«.
Offensichtlich ist das Interesse am Ringen der Aufständischen um Freiheit und Gerechtigkeit vor 500 Jahren neu erwacht. Das zeigen die Aktivitäten rund um die bereits in diesem Jahr eröffnete Landesausstellung »Gerechtigkeyt2025. Thomas Müntzer und 500 Jahre Bauernkrieg« in Sachsen-Anhalt. Im kommenden Jahr wird die Thüringer Landesausstellung in Mühlhausen und Bad Frankenhausen unter dem Motto »freiheyt2025. 500 Jahre Bauernkrieg« stehen. Zudem haben Historiker, Kirchenhistoriker und Publizisten das Bauernkriegsgedenken zum Anlass für neue Untersuchungen und Publikationen genommen, die sich medienwirksam sowohl an Fachleute als auch an historisch interessierte Leserinnen und Leser wenden, um sie auf dieses bewegte Kapitel der deutschen Geschichte und dessen Bedeutung für die gesellschaftlichen Herausforderungen der Gegenwart aufmerksam zu machen.
Als »Deutschlands großer Volksaufstand« wertet Christian Pantle den Bauernkrieg. Der Chefredakteur des Magazins G/Geschichte ist von Haus aus Naturwissenschaftler, promovierter Humanbiologe. Pantle offeriert eine fesselnde Geschichtserzählung, die Wissen vermittelt und zugleich den »Flair der alten Texte« spüren lässt. Sie basiert auf einer gründlichen Kenntnis der vorhandenen Fachliteratur, zu der selbstverständlich auch von Historikern in der DDR erarbeitete Darstellungen gehören. Einige ihrer Bücher – er nennt Arbeiten von Manfred Bensing, Siegfried Hoyer und Günter Vogler – zählt er zu den besten, die nach wie vor lesenswert seien.
Offensichtlich ist das Interesse am Ringen der Aufständischen vor 500 Jahren um Freiheit und Gerechtigkeit neu erwacht.
Pantles Buch, das Sachbuchqualitäten mit subjektiven Narrativen und Interpretationsangeboten vereint, bietet einen Überblick über die territoriale Ausbreitung des Bauernkriegs, der im Juni 1524 in Süddeutschland mit der Stühlinger Erhebung aufflammte und sich zu einem Flächenbrand (so eine Kapitelüberschrift) entwickelte, der sich über die Alpen bis ins Salzburger Land und nach Tirol ausweitete. Der Autor konzentriert sich auf das Geschehen im Württembergischen, wo unter der Führung von Truchsess Georg von Waldburg ein Heer mordlustiger Söldner die Aufstände unter ihrem Anführer Matern Feuerbacher letztlich im Mai 1525 besiegte. Wegen seines grausamen Durchgreifens ging der Truchsess als gefürchteter Bauernjörg in die Geschichte ein. Im Epilog konstatiert Pantle: »Auch wenn die Aufständischen im Bauernkrieg jede entscheidende Schlacht verloren haben, zeigten sie vielfach einen Mut, den wir heute nur bewundern können.«
»Geschichte einer wilden Handlung« – so lautet der neugierig machende Untertitel des umfangreichen Buches, das Gerd Schwerhoff, Dozent für Frühe Neuzeit an der TU Dresden, vorlegt. »Wilde Handlungen« seitens der aufständischen Bauern erwarteten Ende September 1524 zwei Adlige aus der am Schwarzwald gelegenen Burgstadt Hüfingen. Sie warnten davor, dass der Aufruhr sich auf das ganze Land ausbreiten werde, wenn man nicht entschieden dagegen vorginge. Schwerhoff nutzt das herrschaftliche Urteil als Aufmacher, denn »wild« scheint ihm »eine überaus passende Charakterisierung zu sein für die komplexe, hochdynamische Abfolge von Interaktionen und Kommunikationen, die in der Zusammenschau als das historische Ereignis ›Bauernkrieg‹ bezeichnet wird«. Die Bauernkriegsforschung habe indes bislang »die räumliche wie die zeitliche Dimension ihres Ereignisses nicht wirklich befriedigend in den Griff bekommen«. Ziel seines Buches ist es daher, die Ereignisgeschichte des Bauernkriegs zu rekonstruieren.
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Einen anderen Weg wählt Thomas Kaufmann aus Göttingen, Vorsitzender des Vereins für Reformationsgeschichte sowie Mitglied der Thomas-Müntzer-Gesellschaft. Er untersucht den Bauernkrieg als Medienereignis. Publikations- beziehungsweise mediengeschichtliche Sichten finden sich bereits in Arbeiten von Max Steinmetz (1971) und Günter Vogler (2019/21), auf die Kaufmann vielfach verweist und die er auf der Grundlage seiner eingehenden Quellenuntersuchungen konsequent weiter verfolgt. Der evangelische Kirchenhistoriker erinnert auch daran, dass der Begriff »Bauernkrieg« erstmalig 1525 in einer vom pfälzischen Hofschreiber Peter Harer verfassten Chronik auftaucht, verbunden allerdings mit einem abfälligen Werturteil. Bauern gebühre es nicht, Kriege zu führen, dies sei allein Angelegenheit der weltlichen und geistlichen Obrigkeit.
Die ambivalenten, konfessionell ausgerichteten und letztlich politisch-ideologisch gefärbten Urteile über den Bauernkrieg werden von Kaufmann anhand publizistischer Zeugnisse bis in die jüngere Vergangenheit untersucht. Auch in seinem Buch sorgen Abbildungen von zeitgenössischen Flugschriften, Titelblättern und anderen druckkünstlerischen Zeugnissen für Anschaulichkeit. Martin Luthers 1525 in Wittenberg gedrucktem Pamphlet »Wider die Mordischen und Reubischen Rotten der Bawren« folgten ähnliche Hetzschriften seiner Anhänger gegen die Repräsentanten des sogenannten falschen Glaubens, insbesondere gegen Thomas Müntzer. Dieser wiederum sei, so Kaufmann, letztlich »durch nichts so bekannt wie dadurch, dass Luther und seine Wittenberger Kollegen ihn literarisch bekämpften«. Dass Müntzers Feinde von der Wirkungskraft des sich schnell verbreitenden gedruckten Worts überzeugt waren, zeigt nicht zuletzt die von ihnen erzwungene Schließung von dessen Druckwerkstatt in Allstedt und die Konfiszierung seiner Schriften, um ihn für alle Zeit stumm und vergessen zu machen. Kaufmann schlussfolgert: »Ohne die Druckpresse hätte es den Bauernkrieg nicht gegeben ... Er war das erste publizistisch initiierte größere Konfliktszenario der europäischen Geschichte, das militärisch ausgetragen wurde und Zehntausende das Leben kostete.« Kaufmann endet mit persönlich gehaltenen Worten über die Sinnlosigkeit aller Kriege: »Krieg schädigt des Menschen Innerstes, seine Seele.«
Wenn in diesen neuen Publikationen der Bauernkrieg als über-territoriales Ereignis untersucht wird, wenden sich andere Autoren auch einzelnen Aufstandsgebieten zu, so Ralf Höller in seinem Buch über Michael Gaismair und die Bauernkriege 1525/26 in Tirol oder Joachim Bauer über den Bauernkrieg 1525 in Thüringen. Der Historiker aus Jena und langjähriger Leiter des dortigen Universitätsarchivs vermittelt komprimiert Grundlagenwissen über die wirtschaftlichen, politischen und rechtlichen Verhältnisse und Glaubenskämpfe, die das territorial zersplitterte Gebiet im 16. Jahrhundert prägten und mitbewirkten, dass die Reformation und deren Radikalisierung, viele Anhänger fand.
Der Bauernkrieg in Thüringen fand auf dem sogenannten Schlachtberg von Frankenhausen seinen gewaltsamen Höhepunkt, als am 15. Mai 1525 die dort versammelten Aufständischen von den fürstlichen Truppen überrannt und niedergemetzelt wurden. Der sprachgewaltige Geistliche Thomas Müntzer hatte den Bauern als Feldprediger beigestanden. Erst wenige Monate zuvor war er während seines Aufenthaltes im Hegau und Klettgau mit deren Forderungen in Berührung gekommen. In Thüringen, so Bauer, sei »von einer größeren Vielfalt in den verschiedenen Aufstandsgebieten auszugehen«, die nicht ausschließlich mit Müntzers Wirken in Zusammenhang gestanden hätten.
Abschließend sei darauf hingewiesen, dass die vorgestellten Veröffentlichungen sich allesamt durch leserfreundliche und individuell-eingängige Schreibstile auszeichnen.
Christian Pantle: Der Bauernkrieg. Deutschlands Großer Volksaufstand. Propyläen/ Ullstein, 335 S., geb., 22 €.
Gerd Schwerhoff: Auf dem Weg zum Bauernkrieg. Unruhen und Revolten am Beginn des 16. Jahrhunderts. C.H. Beck, 720 S., geb., 34 €.
Thomas Kaufmann: Der Bauernkrieg. Ein Medienereignis. Herder, 544 S., geb., 35 €.
Ralf Höller: Die Bauernkriege 1525/1526. Vom Kampf gegen Unterdrückung zum Traum einer Republik. W. Kohlhammer, 268 S., geb., 27 €.
Joachim Bauer: »Den Anfang machte diese Wut«. Der Bauernkrieg in Thüringen. Hg. von der Landeszentrale für politische Bildung Thüringen, 120 S., br., 22,90 €.
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