Positives Grundrauschen bei der Nationalmannschaft

Julian Nagelsmann und das DFB-Team wollen ein gutes Ende im Länderspieljahr

  • Frank Hellmann, Frankfurt am Main
  • Lesedauer: 4 Min.
Termin mit der Basis: Bundestrainer Julian Nagelsmann gut gelaunt beim öffentlichen Training.
Termin mit der Basis: Bundestrainer Julian Nagelsmann gut gelaunt beim öffentlichen Training.

Der goldener Oktober ist auch im Frankfurter Stadtwald vorbei. Bei ihrer Rückkehr auf den Campus des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) erlebte die Nationalmannschaft einen grauen Novembertag. Sogar das Flutlicht war am Montag bei der Nachmittagseinheit in Vorbereitung auf die Duelle gegen Bosnien-Herzegowina am Sonnabend in Freiburg und drei Tage später gegen Ungarn in Budapest eingeschaltet.

Zuvor hatte Bundestrainer Julian Nagelsmann keinen Zweifel gelassen, dass die Seinen auch die letzten Aufgaben des Länderspieljahres seriös angehen. Natürlich hätten die letzten Gruppenspiele der Nations League »sportlich nicht die Relevanz wie das Viertelfinale einer Heim-EM«, aber man wolle die »Freude irgendwie über den Jahreswechsel konservieren«. Es gehe schließlich auch darum, das positive Grundrauschen um das fußballerische Aushängeschild Deutschlands beizubehalten. Gerade in Zeiten, in denen die politische Gemengelage so negativ belegt ist. Seine Meinung dazu mochte der Bundestrainer »nicht kundtun« und den Fußball »auch nicht überhöhen«. Aber seine Mannschaft könne »vielleicht auch dem ein oder anderen Politiker mit zwei guten Spielen ein Lächeln auf die Lippen zaubern, der gerade nicht so viel zu lachen hat.«

Vor genau einem Jahr sei der Herbstlehrgang mit den Niederlagen gegen die Türkei und Österreich ein Tiefpunkt gewesen, jetzt seien auch die angeschlagenen Akteure, von Florian Wirtz über Jamal Musiala bis zu Robin Koch, alle zum Treffpunkt in Frankfurt angereist. »Alle haben Lust, zu trainieren und zu spielen.« Das ist in der herbstlichen Hochbelastungsphase mit lauter Englischen Wochen keine Selbstverständlichkeit.

Der Bundestrainer sieht für sich »eine Gratwanderung zwischen unseren Ambitionen und den berechtigten Ansprüchen der Klubs«. Nach Rücksprache mit den Vereinstrainern sei er auf jeden Fall bereit, »Kompromisse einzugehen«. Obwohl mit Marc-Andre ter Stegen, Deniz Undav, Niclas Füllkrug, Aleksandar Pavlovic, Jamie Leweling und David Raum ein halbes Dutzend Akteure verletzungsbedingt fehlt.

Nach dem vorzeitigen Einzug ins Viertelfinale der Nations League sollte der Kader dennoch stark genug sein, auch den Gruppensieg zu holen. Der Bundestrainer bestätigte, dass der DFB danach gerne das Final Four Anfang Juni 2025 ausrichten würde: »Wir bemühen uns drum und würden uns freuen.« Diesem Wettbewerb von deutscher Seite mehr Wertschätzung zu geben, hatte Nagelsmann auf dem Weg zur WM 2026 als unabdingbar betrachtet.

Seine Vorgänger Hansi Flick und Joachim Löw hatten mit der Nations League nie viel anfangen können, dabei aber verkannt, dass Auswahlteams heutzutage nicht erst mit Turnierstart eine Gewinnermentalität erlangen können. Sowohl der Weltmeister Argentinien als auch der Europameister Italien hatten sich vor ihren Titelgewinnen in langen Findungsprozessen auf ein gemeinsames Ziel eingeschworen – Deutschland will jetzt folgen.

Die Stoßrichtung stimmt: 2022 und 2023 hatte das DFB-Team nur sieben von 23 Länderspielen gewonnen, in diesem Jahr sind es bereits neun. Der Stimmungsumschwung scheint seit der EM auch nachhaltig. Die bei vielen Fans wieder aufgeblühte Leidenschaft ist an zahlreichen Parametern ablesbar. Am Montag schauten 150 Grundschüler der Waldhofschule Mannheim, 100 Fans aus dem Fanclub Nationalmannschaft und 30 Personen des Amateurvereins FSV 1968 Behringen beim Training zu. Der thüringische Klub hatte den Hauptpreis bei einer bundesweiten DFB-Aktion zur Stärkung des Amateurfußballs gewonnen. Sportdirektor Rudi Völler leitete die Kreisligakicker über den Campus, Standardtrainer Mads Buttgereit führte ein Kabinengespräch und am Ende standen alle gemeinsam mit ihren Idolen sogar auf dem Platz.

Nagelsmann weiß, dass die beste Verbindung zur Basis immer noch über die Leidenschaft in einem Länderspiel zustande kommt. Ein Einsatz im DFB-Dress muss Lust vermitteln und darf keine Last bedeuten. Zuletzt haben Newcomer wie Jamie Leweling und Tim Kleindienst voller Stolz das Trikot getragen. Nun ist mit Leroy Sané ein Nationalspieler zurück, dessen Rote Karte beim Testspiel in Wien am 21. November 2023 fast symbolhaft für den Irrweg manches DFB-Stars stand. Auch mit ihm hat sich Nagelsmann ausgetauscht und prompt die Tür wieder aufgemacht. Denn: »Dass er einer der besten Spieler ist, die wir in Deutschland haben, wenn er sein Potenzial abruft, steht außer Frage.«

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