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William Kentridge: Unaufdringliche Virtuosität

William Kentridge befragt sich in der genialen Serie»Self Portrait As A Coffee Pot« selbst zum Sinn der Kunst

  • Benjamin Moldenhauer
  • Lesedauer: 5 Min.
Ein echter Arbeiter im Weinberg der Kunst: William Kentridge
Ein echter Arbeiter im Weinberg der Kunst: William Kentridge

Man kann sich auch experimentellen Dokumentarfilmen über die Stimmung nähern, die von ihnen ausgeht. Die Bilder und Töne der neunteiligen Serie »Self-Portrait As A Coffee Pot«, die auf dem Streamingdienst Mubi zu sehen ist, strahlen zuerst einmal Ruhe aus, ohne sedierend zu wirken. Es hat etwas ungemein Zentrierendes, Künstler*innen bei der Arbeit zuzuschauen. Zumindest wenn diese Arbeit nicht zuerst aus einer aufgekratzten Konzeptualität kommt, sondern aus einem gelernten Handwerk, um es einmal der Sache angemessen wertkonservativ zu formulieren.

»Self-Portrait As A Coffee Pot« zeigt den in Johannesburg lebenden Maler, Filmemacher, Performance-Künstler und Regisseur William Kentridge bei der Produktion. An großen Leinwänden zumeist, die auf dem Boden liegend oder an der Wand hängend mit verschiedenen Geräten, Pinseln und Zeichenstiften natürlich, aber auch mit Folien, Collagiertem und Fahrradreifen bearbeitet werden. Man könnte stundenlang dabei zusehen, wie hier aus ein paar Strichen, die anfangs wie Kritzeleien wirken, zuerst Formen, dann Figuren und dann Figuren in ganzen Landschaften entstehen.

Kentridge malt und zeichnet so, dass die Virtuosität spürbar wird, sich aber nie aufdrängt. Das Vorläufige, Skizzenhafte ist auch in den aufwendigsten Bildgestaltungen noch enthalten, nicht als Technik, sondern als Seheindruck. Auch deswegen wirken diese Bilder unheimlich lebendig.

Lebendig und verlebendigend wirken auch die Entstehung und ihre Reflexion, die der Produktion nicht als Plan und Konzept vorgeschaltet zu sein scheint. Die Lebendigkeit dieser Arbeit aber kommt nicht nur aus dem Tun, sondern auch aus dem Darüberreden. Der Künstler hat sich mittels Kamera verdoppelt und diskutiert in »Self Portrait As A Coffee Pot« mit seinem meist spielerisch die Kontraposition einnehmenden Doppelgänger über elementare Fragen: ob man lieber alleine oder in Kooperationen arbeitet, was es bedeutet, sich zu zeigen (man selbst sei man in der Repräsentation für andere, räsoniert der Künstler), und wie viel man im Alter an Bauchumfang zugelegt habe.

Bei einem dieser sehr gelösten, tiefgehenden und komischen Gespräche geht es um das oben angedeutete Verhältnis von Reflexion und der Arbeit mit den Händen, mit dem Material. »Was machen wir hier eigentlich?«, fragt William Kentridge, und er fragt bei sich selbst nach: »Du meinst, in all diesen Stunden, in all diesen Jahren?« Kentridges Doppelgänger ergänzt sich sozusagen selbst, »in all diesen Dekaden in diesem Studio«. Die Antwort: »Wir arbeiten.«

Das aber sei keine Antwort. »Was denken wir denn? Ich denke nicht: das zerrissene Papier, die Tinte, die Kohlespuren.« Die Absorbierung der Antwort durch das Medium sei die Antwort. Heißt: Die Ideen entfalten sich nicht nur während der Bildproduktion, sie entstehen erst während und mit ihr.

Trotzdem wirken die Produktionsprozesse, die in den neun Folgen dokumentiert sind und gezeigt werden, nicht rein intuitiv oder spontan. Der Unterschied zwischen dem Werk William Kentridges und vielen sonstigen Ausprägungen moderner Kunst ist seine Welthaltigkeit, bei gleichzeitiger Präsenz der Errungenschaften der Moderne, zuvorderst Reflexivität und Selbstbezüglichkeit.

Beides wird hier jedoch von jemandem betrieben, der um die Gewalt der Geschichte und Gegenwart der Gesellschaft weiß, in der er seine Kunst produziert. Die Gewaltgeschichte Südafrikas scheint in diesem Werk immer wieder auf, und ihre symbolische Bearbeitung in der Kunst steht in konstanter Spannung zu der Arbeit von Kentridges Eltern, die beide Bürgerrechtsanwält*innen waren. Die juristische Logik sei das eine, die künstlerische (und man möchte ergänzen widersprüchliche und widerspruchsverliebte) Logik das andere, sagt William Kentridge. Die eine denkt in juristischen Maßgaben und Möglichkeiten, die andere in Bildern. Das neue Südafrika, das der Post-Apartheid, sei kein kategorisch anderes, so Kentridge, sondern vielmehr eine Übermalung des alten.

Auf die Frage, was ihm angesichts der allumfassenden Vergeblichkeit Hoffnung mache, lautet Kentridges Antwort wieder: die Arbeit. Und der Raum, den »Self Portrait As A Coffee Pot« als Zentrum der künstlerischen Praxis und als eine Art erweiterten Wahrnehmungsapparat des Künstlers würdigt: das Studio. Hoffnung nämlich mache »in erster Linie die physische Arbeit im Atelier«. Das dabei empfundene Wohlgefühl korreliere mit der Empfindung von Lebendigkeit. »Hinzu kommt, dass ich im Atelier von einem kleinen Kreis von Mitarbeitern umgeben bin, die in die Arbeit involviert sind. Es gibt Menschen wie mich, die sich auf diese Weise ein Modell, eine angenehme Gesellschaft im Miniaturformat schaffen, wodurch sie eine andere Möglichkeit des Lebens und Schaffens entwerfen und vor Augen führen.«

Das, was William Kentridge 2017 in einem Interview dem Magazin »Kunstforum« postuliert hat, bekommt man in den neun Folgen von »Self-Portrait As A Coffee Pot« in Form eines dokumentarischen Essays vorgeführt, der vor allem ein Film über die Produktion künstlerischer Welten durch einen Künstler ist, der nicht nur kunstfeldimmanent Positionen formuliert, sondern auch die Welt, zum Beispiel eine Landschaft malen kann. Zuerst kommen das Malen, das Zeichnen, das Collagieren von Bildern (und das Schneiden von Filmen). Dann erst kommt die Reflexion der eigenen Arbeit, die aber ebenfalls aus diesem produktiven Tun erwächst.

Verfügbar auf Mubi.

Man könnte stundenlang dabei zusehen, wie hier aus ein paar Strichen, die anfangs wie Kritzeleien wirken, zuerst Formen, dann Figuren und dann Figuren in ganzen Landschaften entstehen.

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