Berliner Musik- und Volkshochschulen bedroht

Honorar-Lehrkräfte an Musik- und Volkshochschulen hofften nach dem Herrenberg-Urteil auf eine Festanstellung. Stattdessen droht der Jobverlust

Kultursenator Joe Cialo (CDU) auf einer Kundgebung entrüsteter Lehrkräfte.
Kultursenator Joe Cialo (CDU) auf einer Kundgebung entrüsteter Lehrkräfte.

Im Koalitionsvertrag haben sich CDU und SPD recht eindeutig verständigt. Demnach »setzt sich die Koalition für mehr Festanstellungen an Berliner Musikschulen ein«. Etwa 80 Prozent der Musikschullehrer*innen sind festangestellt, 20 Prozent unterrichten auf Honorarbasis. Da an Musik- und Volkshochschulen künftig Lehrkräfte nicht mehr ohne weiteres als Selbstständige beschäftigt werden dürfen und Festanstellungen deutlich teurer sind, droht der personelle Aderlass und damit eine Verknappung des Angebots. Denn es ist nicht abzusehen, dass der Senat den entsprechenden Haushaltsposten noch mal erhöhen wird. 20 Millionen Euro mehr wären pro Jahr wohl nötig.

Hintergrund ist das sogenannte Herrenberg-Urteil des Bundessozialgerichts. Das kam 2022 zu dem Schluss, dass eine Musikschullehrerin, die in den organisatorischen und administrativen Abläufen ihrer Schule eingebunden war, als scheinselbstständig zu betrachten war. Sie sei so anzustellen wie die übrigen Kolleg*innen mit einer Festanstellung. Daraus ergeben sich Urlaubsansprüche, Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und für den Arbeitgeber anteilig Beiträge zur Kranken- und Rentenversicherung. Allerdings sei stets der Einzelfall zu prüfen, hieß es.

Die Deutsche Rentenversicherung (DRV) hatte daraufhin Statusfeststellungen eingeleitet, um ihr möglicherweise zustehende Beiträge einzutreiben.

Um dies zu vermeiden, hat das Bundesarbeitsministerium mit der DRV vereinbart, »dass Betriebsprüfungen der DRV [...] auf unbestimmte Zeit unterbleiben«. Das geht aus einer Antwort der Senatsverwaltung für Kultur auf eine Anfrage der Abgeordneten Manuela Schmidt und Franziska Brychcy (beide Linke) hervor. Auch Einzelfeststellungen sollen nicht stattfinden, sofern Lehrkraft und Bezirk darüber einig sind. Für eine dauerhaft rechtssichere Lösung verweist der Senat auf eine Rahmenvorgabe des Bundesarbeitsministeriums, die bis zum Januar erfolgen soll. Zugleich will Berlin eine Gesetzesänderung über den Bundesrat anschieben. Laut Finanzsenator Stefan Evers (CDU) sei es das Ziel, künftig auch weiter Honorarkräfte einsetzen zu können. Es ist jedoch offen, ob die DRV so lange auf Beiträge verzichten wird. Aufgrund der wahrscheinlichen Neuwahlen sei auch eine abschließende Klärung im Arbeitsministerium ungewiss, sagt die Abgeordnete Schmidt. Sie sieht den Senat in der Verantwortung. »Hier geht es nicht um ein nice-to-have. Hier geht es um die Umsetzung der Rechtslage, die man mit dem Verweis auf fehlendes Geld unterlässt«, sagt Schmidt.

Ohne zusätzliches Geld könne Hochrechnungen zufolge ein Drittel des Angebots an den Musikschulen wegfallen. Schon jetzt habe das Ausharren des Senats Auswirkungen. Nicht jede und jeder wolle so lange auf Gewissheit warten, sagt Schmidt. Der Fachkräftemangel motiviere noch die ambitioniertesten Lehrer*innen, »sich nach Alternativen umzuschauen«.

Viele Lehrkräfte hatten das Urteil als Chance auf eine Festanstellung gesehen. Rund 200 von ihnen haben mittlerweile eigenständig eine Statusfeststellung eingeleitet. Die Stadt Köln hat all ihren Musikschullehrer*innen eine Festanstellung angeboten. Laut Berliner Senat habe das aber zu einer Erhöhung der Unterrichtspreise um 20 Prozent geführt.

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