Zäsur für Alexander Gauland

Alter AfD-Politiker will nicht mehr aus Brandenburg in den Bundestag, aber vielleicht aus Chemnitz

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 5 Min.
Alexander Gauland hört in Brandenburg auf und macht vielleicht in Sachsen weiter.
Alexander Gauland hört in Brandenburg auf und macht vielleicht in Sachsen weiter.

Gegendemonstranten lassen sich nicht blicken am Samstag vor der Uckerseehalle von Prenzlau, wo Brandenburgs AfD ihre Landesliste für die Bundestagswahl am 23. Februar aufstellt. Aber jemand malte in der Nacht mit roter Farbe »Fck Nzs« an die Glasfront der Halle. Das bedeutet so viel wie »Scheiß Nazis«. Doch das ist bereits nicht mehr zu lesen, als gegen 9.30 Uhr nach und nach immer mehr Parteimitglieder eintreffen und sich an der Anmeldung eine lange Schlange bildet. Zwei Fensterputzer haben da die Farbe schon abgewaschen.

»Dies ist für mich kein Abschied, aber eine Zäsur«, gesteht kurz nach 11 Uhr der AfD-Ehrenvorsitzende Alexander Gauland, von dem gesagt wird, ohne ihn würde es die Partei gar nicht geben. Zwei Mal entsandte ihn der Landesverband Brandenburg in den Bundestag, wo er auch Fraktionschef war. Jetzt wollte Gauland mit 83 Jahren eigentlich aufhören. Er erwägt nun aber, doch noch einmal anzutreten – nun allerdings nicht mehr in Brandenburg, sondern im sächsischen Chemnitz, wo er geboren ist.

Es sei »kein Makel, sondern eine Auszeichnung«, dass die Brandenburger AfD im Fokus des Verfassungsschutzes stehe, findet Gauland. Der Landesverband wird vom Geheimdienst als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft.

Leider müsse man in erster Linie gegen die CDU kämpfen, bedauert Gauland, der jahrezehntelang selbst der CDU angehörte. Denn die Koalition aus SPD, Grünen und FDP sei vorbei, aber jetzt drohe Schwarz-Grün. Und wem habe man das schlimmste Elend zu verdanken? Der 2021 abgetretenen Kanzlerin Angela Merkel und damit der CDU. »Sie hat die Grenzen 2015 nicht geschlossen!« Merkel habe die massenhafte Zuwanderung ermöglicht, die »saubere Atomenergie dem Geschrei der Straße geopfert« und »die Ehe für alle war ihr Beitrag zum christlichen Europa«.

Tatsächlich hatte Merkel 2017 persönlich dagegen gestimmt, dass gleichgeschlechtliche Paare heiraten und Kinder adoptieren dürfen. Sie hatte allerdings den Fraktionszwang aufgehoben und damit den Weg geebnet, dass der Bundestag die Ehe für alle beschließen konnte. Gauland schimpft in Prenzlau: »Nur wir sind eine echte Alternative, die CDU ist keine!«

Bei der Landtagswahl im September 2024 verbesserte sich die Brandenburger AfD von 23,5 auf 29,2 Prozent. Bei der angesetzten Neuwahl des Bundestags im Februar kann sie durchaus auf sieben bis acht Mandate hoffen. Bisher hat sie fünf. Die Landesliste spielt bei der AfD diesmal vermutlich eine untergeordnete Rolle. Denn die Partei könnte so einige der zehn Brandenburger Bundestagswahlkreise gewinnen, womit dann vielleicht nur ein oder zwei Kandidaten von der Liste mit einrücken würden ins Parlament.

Der AfD-Landesvorsitzende René Springer ist seit 2017 Bundestagsabgeordneter und will es bleiben. Mit 402 von 496 Stimmen wird er in Prenzlau auf Listenplatz eins gesetzt. »Wir werden die AfD in die Regierung führen und Deutschland in die Zukunft«, kündigt Springer vollmundig an.

»Es wird der Tag kommen, an dem wir regieren.«

René Springer AfD-Landesvorsitzender

Der gegen ihn angetretene Alexander Nikulka muss sich mit nur 26 Stimmen geschlagen geben. Doch der Germanist nutzt seine sieben Minuten Redezeit, um zu sagen, was ihn umtreibt: Schon um die 30 Prozent erhalte die AfD bei Landtagswahlen und bleibe dennoch in der Opposition. Dabei wünsche sich die CDU eigentlich eine Koalition mit der AfD, denkt Nikulka. Die Brandmauer werden vielfach eher von AfD-Leuten aufgeschichtet, die verbotene Sprüche klopfen, als von der CDU. Nikulka nennt Beispiele und sagt dabei immer X, um nichts strafrechtlich Relevantes zu formulieren. So sagte er: »Alles für X.« Dabei steht X für Deutschland und »Alles für Deutschland« ist eine alte Losung der SA, für die der Thüringer AfD-Fraktionschef Björn Höcke verurteilt worden ist.

»Volksverletzung« nennt es Nikulka, wenn in der AfD über die Regenbogenfamilie gehetzt wird und damit Deutsche abgeschreckt werden, die lesbisch oder schwul sind. Sachliche und seriöse konservative Politik sei stattdessen gefragt. »Der Rest ist Karneval, Irrenhaus oder Zuchthaus.« So schaffe man nie die 50 Prozent, die eine Alleinregierung erlauben würden. Nikulka mahnt, die AfD solle »das Notwendige tun, damit sie uns nicht verbieten müssen«. Er sagt »müssen« und nicht »können«.

Doch der Landesvorsitzende Springer ist überzeugt: »Es wird der Tag kommen, an dem wir regieren.« Er malt Schreckensbilder: Die Innenstädte sehen aus wie Mogadischu und Kabul, die Deutschen müssen sich den Buckel krumm arbeiten »für Leute, die nicht hergehören«, und in »überfremdeten« Schulklassen würden »unsere Töchter sitzen mit Schleiern«. Die Wirtschaftskrise, die Islamisierung, das solle man nicht hinnehmen. »Denn alles in der deutschen Geschichte zeigt, dass es sich lohnt zu kämpfen.« Die Vorfahren hätten zwei Weltkriege verloren, gelitten und getrauert, aber Deutschland wieder an die Weltspitze gebracht. Nun würden es die »Altparteien« zerstören. Dagegen setzt Springer seine Vision eines von der AfD beherrschten Landes: »Unsere Züge werden die schnellsten sein und pünktlich«, und »die Anzahl der Ausländer in unserer Sozialsystemen wird gegen Null gehen«.

Auf Listenplatz zwei kommt der Bundestagsabgeordnete Hannes Gnauck, der Bundeschef der AfD-Jugend ist. Der 33-Jährige brachte es in sieben Jahren bei der Bundeswehr bis zum Oberfeldwebel und hatte dabei einen Auslandseinsatz in Afghanistan. »Unsere Bundeswehr darf nicht länger ausgeplündert werden für einen Krieg in der Ukraine, der nicht der unsere ist«, fordert Gnauck. Es brauche eine starke Armee und eine starke Rüstungsindustrie. Doch obwohl das AfD-Grundsatzprogramm von 2016 die Wiedereinführung der Wehrpflicht verlangt, will Gnauck im Bundestag dagegen stimmen, solange Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) und Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) deutsche Männer »an die Ostfront« schicken wollten.

Gnauck bekommt 406 Stimmen, Nikulka, der es auch auf Platz zwei nochmals versucht, wieder nur 26. Im Rennen um Platz drei läuft er unverdrossen wieder mit, doch es entscheidet sich zwischen zwei Bundestagsabgeordneten: Steffen Kotré, der einst in der FDP war, und Norbert Kleinwächter, der ursprünglich der Wahlalternative Arbeit & soziale Gerechtigkeit (WASG) angehörte, die sich 2006 mit der PDS zur Linken vereinigte. Kleinwächter besiegt Kotré. Auf den nächsten Plätzen folgen der Bundestagsabgeordnete Götz Frömming, der 2021 noch in Berlin angetreten war, der Ex-Landtagsabgeordnete Lars Schieske und Jüterbogs Bürgermeister Arne Raue.

Rund um die Uckerseehalle ist alles mit Autos zugeparkt. Mit dem Zug sind nur wenige zu der Versammlung angereist. Am Bahnhof Prenzlau begrüßt sie ein Graffiti: »No AfD!«

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