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Türkische Linke wegen »Terrorunterstützung« verurteilt
Düsseldorf: Angeklagte für schuldig befunden, in Deutschland für als terroristisch eingestufte linke türkische Organisation gearbeitet zu haben
Es war nur eines von mehreren Verfahren nach Paragraf 129 a des Strafgesetzbuches, nach dem allein die Mitgliedschaft oder »Werbung« für eine als terroristisch klassifizierte ausländische Vereinigung mit hohen Haftstrafen geahndet werden kann. Das Oberlandesgericht Düsseldorf hat am Montagnachmittag Özgül Emre, Ihsan Çibelik und Serkan Küpeli wegen vermeintlicher Mitgliedschaft in und Tätigkeit für die türkische Organisation DHKP-C (»Revolutionäre Volksbefreiungspartei – Front«) zu mehrjährigen Haftstraften verurteilt.
Die DHKP-C ist in Deutschland als »linksextremistische« und terroristische Organisation eingestuft. Die Journalistin Özgül Emre wurde zu einer Freiheitsstrafe von fünf, Ihsan Çibelik zu vier Jahren und vier Monaten und Serkan Küpeli zu drei Jahren und drei Monaten verurteilt.
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Nach Auffassung des Gerichts waren alle drei Beschuldigten leitende Mitglieder der DHKP-C und für diese sowohl in der Bundesrepublik als auch in den Niederlanden tätig. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Çibelik war laut Gericht spätestens seit Januar 2016 Regionsverantwortlicher der Partei für die »Region Süd« in Deutschland. Dabei soll er Weisungen der übergeordneten Deutschland- und Europaführung weitergegeben und dieser über Entwicklungen in den Gebieten berichtet haben. Darüber hinaus soll er gefälschte Ausweise für verdeckt agierende Parteimitglieder und Geld beschafft haben. Çibelik gehört dem international bekannten Musikensemble Grup Yorum an. Obwohl er an Krebs erkrankt ist, wurde seine Freilassung aus humanitären Gründen bislang abgelehnt.
Emre war nach Überzeugung der Kammer seit 2003 in der DHKP-C aktiv. 2014 habe sie ein Konzert in Deutschland organisiert, dessen Einnahmen an die DHKP-C gegangen sein sollen. Spätestens ab Januar 2017 soll sie eine »hochrangige Kaderfunktion« in Deutschland übernommen haben. Ob sie dabei als »Deutschlandverantwortliche« tätig war, konnte nicht bewiesen werden.
Küpeli war laut Gerichtsurteil ab Sommer 2015 verantwortlich für das Gebiet Hamburg und zeitweise für die Region Nord. Auch er soll Weisungen übergeordneter Funktionäre weitergegeben haben und an der Beschaffung gefälschter Ausweise beteiligt gewesen sein. Zudem habe auch er Geld für die DHKP-C beschafft. Alle Beschuldigten beteiligten sich nach Ansicht des Gerichts an »Propagandaveranstaltungen«.
Bei der Strafe berücksichtigte das Gericht nach eigenen Angaben die lang andauernde Untersuchungshaft und die Dauer des bereits 2023 gestarteten Gerichtsverfahrens. Die Angeklagten waren zudem in Deutschland nicht vorbestraft. In Untersuchungshaft befinden sich alle drei bereits seit ihrer Festnahme im Mai 2022. Serkan Küpeli darf das Gefängnis deshalb nach dem Urteil verlassen.
Die Beschuldigten wie auch der Generalbundesanwalt können Revision gegen das Urteil einlegen. Darüber hätte der Bundesgerichtshof zu entscheiden.
Die DHKP-C will nach Einschätzung deutscher Behörden den türkischen Staat auch mit Waffengewalt beseitigen und eine marxistisch-leninistische Führung installieren. Sie wird von den türkischen Behörden für zahlreiche Anschläge mit Toten und Verletzten verantwortlich gemacht und wurde 1998 in Deutschland verboten. Seit 2002 wird sie auf der EU-Terrorliste geführt. nd/Agenturen
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