Leerstelle Klimaschutz

Im anstehenden Bundestagswahlkampf wird es vordergründig wenig ums Klima gehen – doch indirekt wird es mitverhandelt

Klimapolitisch droht in Deutschland weitgehend Stillstand. Das bedeutet: noch mehr Dürren und Hitzewellen, Stürme und Hochwasser.
Klimapolitisch droht in Deutschland weitgehend Stillstand. Das bedeutet: noch mehr Dürren und Hitzewellen, Stürme und Hochwasser.

Die Koordinaten des anstehenden Bundestagswahlkampfs sind früh absehbar: Die Grünen setzen in der Robert-Show den Blinker Richtung CDU. Die Linke kämpft mit Brot-und-Butter-Themen um den Wiedereinzug. Die SPD tritt als Nicht-Merz an, die CDU als Nicht-Ampel, alle anderen als Nicht-Grüne. Fridays for Future ruft pflichtschuldig zum Wahl-Klimastreik auf. Doch allen ist klar, dass klimapolitisch eine ziemliche Nullnummer droht, was beim Klima natürlich heißt: Es geht weiter rasant bergab.

Klimarelevante Streitpunkte werden durchaus Gegenstand des Wahlkampfs sein. Klimaschutz selbst wird darin aber, wo nicht als grünes Schreckgespenst aufgerufen, eher indirekt mitverhandelt: entlang wirtschaftspolitischer Fragen. In fiskalpolitischen Debatten um Vermögenssteuer und Schuldenbremse geht es um Investitionsspielräume, die zwar auch Dekarbonisierung betreffen, aber vor allem konjunkturpolitisch interessieren. Mietenpolitische Machtkämpfe wirken sich auf die Perspektiven für Gebäudesanierung und Wärmewende aus.

Die aktuelle Krise der Autoindustrie schließlich wird primär als Standortkrise verstanden. Folgerichtig werden die weltmarkttechnisch wenig Euphorie auslösenden Möglichkeiten einer umfassenden ökologischen Konversion der Branche nur in Nischen diskutiert; der Mainstream trauert derweil mit einer gewissen Wehleidigkeit dem verpassten Antriebswechsel zum Elektromotor nach. Der Sektor wird von der Politik weiterhin als Leitbranche betrachtet, weniger als Faktor einer etwaigen verkehrspolitischen Neuausrichtung.

Lasse Thiele

Lasse Thiele arbeitet im Konzeptwerk Neue Ökonomie am Thema Klimagerechtigkeit.

Im Ergebnis wäre wohl nicht nur aus klimapolitischer Sicht eine Große Koalition das geringste (realistische) Übel: Die würde zwar bestenfalls wohldosierte Klimatechnokratie versuchen, könnte diese aber mutmaßlich unauffälliger an der Springerpresse vorbeischmuggeln, als es die Grünen in der Regierung vermochten. Im Ergebnis wäre das wohl kaum weniger als unter mitregierenden Grünen, deren vergebliche Hauptmission weiter darin bestünde, der Welt (globale Öffentlichkeit und gleichnamige Zeitung) ihre Harmlosigkeit zu beweisen. Stattdessen könnten die Grünen sich wieder dort auf Klimafragen besinnen, wo sie dies erfahrungsgemäß zuverlässiger tun: in der Opposition.

Wer trotz alledem in Wahlkampfzeiten für klimagerechte linke Politik kämpfen will, sollte in der wirtschaftspolitischen Arena mitmischen und den Blick weg vom Drama zwischen Varianten der Exportstandortideologie – fossil-bärbeißig versus öko-modernisierend – und hin zu konkreten Versorgungsfragen im Alltag lenken. Wo besorgte Ökonomen, die in der diskurspolitischen Hackordnung noch über dem sprichwörtlichen besorgten Bürger stehen, derzeit wieder mit erhöhter Frequenz einfordern, dass »wir« alle mehr für unseren Lieblingsstandort arbeiten, bietet nicht zuletzt die VW-Krise die Gelegenheit, an die praktischen Vorzüge solidarischer Arbeitszeitverkürzung zu erinnern.

Die Linkspartei schließlich müsste nach einem nachvollziehbarerweise konventionell-sozialpolitisch geprägten Wahlkampf erst beweisen, dass die von immer mehr Klimaaktivist*innen in sie gesetzten Hoffnungen berechtigt sind: als einzige parlamentarische Kraft, die über den kapitalistischen Status quo hinausdenkt, sozial wie ökologisch.

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