- Kultur
- Berliner Theatertreffen
Katerstimmung schon vor der Party?
Mit dem Berliner Theatertreffen wird der darstellenden Kunst ein Fest bereitet, aber eine wankelmütige Kulturpolitik wird zur Belastung
Sichtlich gut gelaunt erscheint Nora Hertlein-Hull, seit der letzten Festivalausgabe Leiterin des Theatertreffens, am Mittwoch bei der Pressekonferenz im Haus der Berliner Festspiele. Das Theatertreffen ist eine alljährliche Veranstaltung, die nicht mit Superlativen geizt. Neben Gastspielen der zehn Inszenierungen, die als die »bemerkenswertesten« aus dem deutschsprachigen Raum gelabelt werden, wird mit einem großen Begleitprogramm aufgewartet. Performances, Installationen und wie immer große – um nicht zu sagen: überdimensionierte – Diskussionspodien sind Teil des Spielplans.
Im Zentrum steht dabei ein Jubiläum: 60 Jahre Internationales Forum. Das Stipendienprogramm gibt es fast so lange wie das Theatertreffen selbst. In diesem Jahr sollen Alumni öffentlich in Erinnerungen schwelgen oder aktuelle Arbeiten präsentieren. Nicht unsympathisch kommt dieser Ansatz daher, aber auch ein bisschen selbstbezogen.
Für künstlerische Qualität, Anspruch und internationales Renommee interessieren sich die politischen Entscheidungsträger kaum.
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Dabei drängt sich doch ein anderes Thema geradezu auf! Wie steht es um den kulturpolitischen Diskurs dieser Tage? Welche Akzentverschiebungen durch den Kulturkampf von rechts sind vielleicht schon zu spüren? Was verhindert die Sparwut der Schreibtischtäter? Und wo sind Auswege aus dem Dilemma zu finden? Ein einziges Panel widmet sich den Bedingungen künstlerischen Arbeitens. Unter dem Titel »Und jetzt? Strategien und Allianzen gegen die große Kulturdepression« soll während des Festivals Gewichtiges diskutiert werden. Und sogleich spürt man das Problem: Das Thema wird eine einzelne Veranstaltung zwangsläufig sprengen. Man will zu viel und zu wenig zur gleichen Zeit.
Einen Tag vor der Pressekonferenz hat in der Berliner Volksbühne eine institutionenübergreifende Personalversammlung stattgefunden mit einer anschließenden Kundgebung auf dem Rosa-Luxemburg-Platz. Anlass für diese ungewöhnliche Zusammenkunft waren bekannt gewordene Pläne des Senats, die Rechtsform landeseigener Bühnen zu ändern und sie somit zu privatisieren. Zu den betreffenden Theatern zählen neben der Volksbühne das Deutsche Theater, das Maxim-Gorki-Theater und das Theater an der Parkaue.
Aber zu welchem Zweck sollen die genannten Häuser ausgegliedert werden – und zwar, ohne dass man den Dialog mit denjenigen suchen würde, die unmittelbar davon betroffen wären? Dass darüber völlige Klarheit herrscht, kann und will wohl niemand behaupten. Unbestreitbar würde dieser Schritt allerdings die Möglichkeit eröffnen, vom Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes der Länder und dem Normalvertrag Bühne zu Haustarifverträgen überzugehen, was womöglich eine erhebliche Schlechterstellung der Beschäftigten bedeuten würde. Davon abgesehen steckt hinter diesem Gebaren der politisch Verantwortlichen, wie Berlins ehemaliger Kultursenator Klaus Lederer (früher: Die Linke, heute: parteilos) auf der Kundgebung mutmaßt, nur »hektische Betriebsamkeit«.
Sowohl das Maxim-Gorki-Theater als auch die Volksbühne, um die unter anderem es bei einer solchen Entscheidung ginge, sind ebenfalls beim Theatertreffen vertreten. Ersteres mit der Produktion »Unser Deutschlandmärchen« von Regisseur Hakan Savaş Mican, die Zweite mit der Arbeit »ja nichts ist ok« des jüngst verstorbenen René Pollesch sowie – als Koproduzentin – mit »Sancta« der Theatermacherin Florentina Holzinger. Für künstlerische Qualität, für Anspruch und für internationales Renommee, so entsteht der Eindruck, interessieren sich die politischen Entscheidungsträger kaum. Es regiert wie immer das Geld, in diesem Fall dasjenige, das man nicht mehr auszugeben bereit ist.
Diese undurchsichtigen Pläne aus der Hauptstadt haben natürlich ihre Vorgeschichte: Das Berliner Sparregime hat den Kulturbereich im vergangenen Jahr übermäßig hart getroffen. Der Kultursenator Joe Chialo hat nur unzureichend den Dialog mit den Kulturinstitutionen der Stadt gesucht und, so wirkt es, kaum Widerstand gegen die von oben weitergegebenen Sparvorgaben geleistet. Einige Einrichtungen wären nahezu in die Handlungsunfähigkeit gezwungen worden. Berlin verarmt kulturell offenkundig.
Aber nicht nur Berlin war und ist von diesem Sparwahn betroffen, auch München beispielsweise lässt die Kultur bluten. So kann man sich schwer des Eindrucks erwehren, dass Kultureinsparungen nicht etwa politische Irrläufer sind, sondern einen allgemeinen Trend beschreiben.
Ebenjener Joe Chialo, der eine so unrühmliche Rolle bei den Verhandlungen um den Berliner Kulturhaushalt gespielt hat, galt als heißer Kandidat für den Posten des Kulturstaatsministers. Welch fatales Zeichen wäre das gewesen!
Nun ist es anders gekommen. Der parteilose Medienunternehmer Wolfram Weimer soll den Job machen. Absehbare Reaktionen in der Presse, die die Inthronisierung eines Erzkonservativen als Staatsminister skandalisierten, waren schnell in der Welt. Aber das Problem scheint doch anders gelagert zu sein: Nicht ob ein Kulturstaatsminister Richard Wagner oder anarchische Performance-Kunst persönlich präferiert, ist die entscheidende Frage, sondern ob von ihm zu erwarten ist, dass er für die Kultur politisch einsteht, dass er ihr Freiräume auf Dauer schafft und dass er den Status quo zu verbessern antritt.
Kulturpolitik, wenn sie nicht gerade im Sparwahn für Negativschlagzeilen sorgt, ist allzu oft bloße Symbolpolitik. Kein Kunstfestival ohne Politikerreden. Wie untergeordnet der Bereich der Kulturpolitik im Gesamtfeld des Politbetriebs ist, wird schon daran deutlich, dass die einzelnen politischen Parteien kaum noch mit einer kulturpolitischen Agenda in Verbindung zu bringen sind. Wenn die Christdemokraten einen Kulturstaatsminister ernennen, bleibt entsprechend unklar, ob wir mit einem konservativen Bewahrer des bürgerlichen Erbes zu rechnen haben oder mit einem neoliberalen Liebhaber der schwarzen Null. Die Erfahrung, nicht nur der letzten Monate, lehrt uns, eher vom Schlechteren auszugehen.
Wenn sich beim Theatertreffen der Vorhang hebt, wird man im Parkett auch wieder den einen oder anderen Politiker ausmachen können. Beim Schaumwein nach dem Gastspiel plaudert es sich schließlich gut. Das Publikum, das aber etwas mehr Leidenschaft für die Bühnenkunst aufzubringen fähig ist, sollte sich keine Illusionen machen: Des kulturellen Ballastes versucht man sich längst zu entledigen.
Das 62. Theatertreffen findet vom 2. bis 18. Mai statt. Es werden die zehn »bemerkenswertesten« Inszenierungen aus dem deutschsprachigen Raum gezeigt, die eine unabhängige Kritikerjury ausgewählt hat. Daneben findet ein umfangreiches Begleitprogramm statt.
www.berlinerfestspiele.de
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