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Kommissar erhält Drohbrief mit Patrone
Einschüchterungsversuch erfolgte an geschützte Privatadresse
Der Berliner Polizeihauptkommissar Oliver von Dobrowolski hat Anfang April einen anonymen Drohbrief mit einer scharfen 9-Millimeter-Patrone erhalten. Das macht er nun auf seinem Blog bekannt. Die Zustellung erfolgte demnach an eine geschützte Privatadresse, wo er mit seiner Familie lebt. In dem Brief sei er als »Kollegenschwein« bezeichnet und aufgefordert worden, seine öffentlich geäußerte Polizeikritik einzustellen.
Gemeint ist womöglich der Kampf gegen eine deutsche Polizei, die von Dobrowolski – zuletzt im Interview mit dem »nd« – rassistisch nennt. Zur Forderung nach einer Reform hat der seit 1998 im Dienst tätige Beamte 2021 den Verein BetterPolice mitgegründet. Zuvor war er bei dem Netzwerk PolizeiGrün, das der gleichnamigen Partei nahesteht, im Vorstand aktiv.
Von Dobrowolski sieht die aktuelle Drohung im Kontext einer jahrelangen Kampagne gegen ihn. Die beigefügte Munition stelle eine »starke qualitative Zunahme« der Einschüchterungsversuche dar. Diese richteten sich auch gegen andere »als links gelesene Polizeibeschäftigte«.
Neben dieser jüngsten Drohung berichtet der Polizeibeamte von weiteren beruflichen Nachteilen aufgrund seiner kritischen Haltung: Er sei 13 Monate lang nicht von einem übergriffigen Vorgesetzten wegversetzt worden, habe Belästigung durch einen »Dauerbeschwerdeführer« aus Polizeikreisen erlebt und nehme eine Ungleichbehandlung bei Ermittlungsverfahren wahr. Während gegen ihn selbst einmal mit hoher Intensität durch den Staatsschutz ermittelt wurde, seien von ihm angezeigte Straftaten ergebnislos geblieben.
Von Dobrowolski, der 2022 das Buch »Ich kämpfe für eine bessere Polizei« veröffentlichte, hat den Vorfall den Behörden gemeldet. Er entschied sich zur Veröffentlichung, nachdem ähnliche Drohungen gegen den Journalisten Nicholas Potter und einen Politiker in Berlin bekannt wurden.
Besonders enttäuscht zeigt sich der Polizeihauptkommissar von seiner Dienstbehörde, die »Attacken gegen mich und/oder mein Umfeld bagatellisiert hat«. Schutz oder Solidarität habe es nach derartigen »Angriffen auf uns Progressive« von der Polizeiführung oder der verantwortlichen Politik nie gegeben. »In meinen Augen ermuntert dies die Täter dazu, mit Mobbing und Terror ungestraft fortzufahren«, sagt von Dobrowolski zu »nd«.
Seine Vermutung ist, dass die Drohung aus einer rechten Szene heraus erfolgte. Unter der Rubrik »Am Pranger« berichtete vor vier Jahren etwa die Mitgliederzeitung der NPD über den kritischen Polizisten und bezeichnete ihn als »waschechten Linksaußen-Agitator«. Einen Hinweis auf dieses Milieu geben auch Reaktionen auf das nd-Interview von vergangener Woche. Hämisch kommentiert hatte dies unter anderem eine Sektion der Polizeigewerkschaft DPolG. Von Dobrowolski verweist darauf, dass diese als »Vorfeldorganisation der AfD« gilt.
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