Streik der Beschäftigten der Berliner-Kindl-Schultheiss-Brauerei

Gewerkschaft hält Tarifangebot für zu niedrig und droht mit weiteren Maßnahmen

Warnstreik auf dem Gelände der Brauerei in der Indira-Gandhi-Straße
Warnstreik auf dem Gelände der Brauerei in der Indira-Gandhi-Straße

Dass die Beschäftigten der Berliner-Kindl-Schulheiss-Brauerei im Ortsteil Hohenschönhausen seit fast 20 Jahren zum ersten Mal in den Warnstreik getreten sind, sei doch »ein Zeichen, dass den Leuten die Galle pikt«, sagt Gewerkschaftssekretär Uwe Ledwig. Vergangene Woche haben laut seiner Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten mehr als 80 der rund 370 Beschäftigten die Arbeit niedergelegt. Ledwig ist Vorsitzender des Landesbezirks Ost der NGG. Laut NGG stand der Betrieb nahezu still.

Die Gewerkschaft und die Brauerei, die Teil der Radeberger-Gruppe und damit auch des Oetker-Konzerns ist, streiten um einen neuen Tarifvertrag. Der vorige war am 31. März ausgelaufen. Die NGG fordert sieben Prozent mehr Lohn und für Azubis 150 Euro mehr im Monat, bei einer Laufzeit von zwölf Monaten. Das erste und bisher letzte Angebot der Brauerei liegt laut NGG bei 4,4 Prozent verteilt über zwei Jahre (2,2 Prozent ab 1. April 2025, zwei Prozent ab 1. April 2026). Die Azubis werden nicht separat berücksichtigt, genauso wenig wie die Beschäftigten der Brauereitöchter Spreetrans und REB-Service am Standort.

Mit Blick auf die Bierproduktion sagt Ledwig: »Die Beschäftigten der Spreetrans verdienen weniger, die Kolleginnen und Kollegen der REB-Service verdienen deutlich weniger. Um wieder ein gleiches Lohnniveau herzustellen, wollen wir die Vorweganhebung von deren Entgelt.« Unter den Haustarifvertrag fallen die 240 Beschäftigten der Bierproduktion, 110 Mitarbeiter*innen der Auslieferung (Spreetrans) und 17 Kolleg*innen aus der manuellen Leergutlogistik (REB-Service). Für die letztgenannten Gruppen will die NGG eine sogenannte Vorweganhebung beim Entgelt von 50 Euro im Monat erreichen.

In der Vergangenheit habe es am Standort durchaus gute Tarifabschlüsse gegeben, ordnet Ledwig ein. »Das entspricht aber auch dem, was die Brauerei abwirft. Die Brauerei in Hohenschönhausen gehört zu den Best-Performern unter den zwölf Brauereien der Radeberger Gruppe.« Das letzte Angebot bilde die Bilanz des Konzerns aber in keiner Weise ab. In Anbetracht der weiterhin in Aussicht stehenden Inflation bedeute das Angebot Reallohnverluste, sagt Ledwig. Die Beschäftigten seien nicht bereit, das hinzunehmen. »Die Oetkers sind reich und die Beschäftigten wollen etwas von dem Reichtum abhaben«, sagt der Gewerkschaftssekretär. »Das heißt, wir sprechen hier auch über Umverteilung.«

Zum Vergleich verweist Ledwig auf die Becks-Brauerei in Bremen. Dort läge der Ecklohn, also der Vergleichslohn von Facharbeiter*innen der mittleren Lohngruppe, bei 27,10 Euro pro Stunde. »Die Berliner-Kindl-Schultheiss-Brauerei ist mit 25,17 Euro gar nicht so weit hintendran«, sagt NGG-Bezirksleiter Ledwig. Da aber die Beschäftigten in Berlin nur eine 32-Stunden-Woche hätten, belaufe sich der Unterschied auf fast 270 Euro im Monat im Vergleich zu den Bestzahlern aus dem Westen.

»Die Oetkers sind reich und die Beschäftigten wollen etwas von dem Reichtum abhaben.«

Uwe Ledwig Gewerkschaftssekretär

In Deutschland wird seit Jahren immer weniger Bier getrunken. Im vergangenen Jahr meldeten die knapp 1500 Brauereien in Deutschland einen Absatzrückgang von 2,1 Prozent. Das gehe auch am Standort Hohenschönhausen nicht vorbei, sagt Ledwig. Dass der Absatz von Bier zurückgehe, liege aber nicht in der Verantwortung der Tarifbeschäftigten. »Die Aufgabe der Arbeiter ist zu arbeiten und das machen sie gut. Preise machen und Bier verkaufen ist die Aufgabe der anderen Seite«, sagt Ledwig.

Ohnehin wuchs laut dem Jahresbericht des Oetker-Konzers der Umsatz der Radeberger-Gruppe 2023 vor dem Hintergrund von »herausfordernden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen« nach eigenen Angaben planmäßig um 8,3 Prozent.

In vielen Regionen Deutschlands finden zwar unabhängig voneinander aber zur etwa gleichen Zeit Tarifverhandlungen in der Brauereibranche statt. In Bayern haben sich die Tarifpartner bereits geeinigt. Dort gibt es über zwei Jahre 3,4 Prozent (1. März 2025) und 3,1 Prozent (1. März 2026) mehr Lohn. Damit könnte sich wohl auch Uwe Ledwig anfreunden. »Wenn wir über eine längere Laufzeit sprechen, dann muss jeweils eine gute 3 vor dem Komma stehen.«

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Der Arbeitgeber habe bei der zweiten Verhandlungsrunde – nach dem Streik – kein verbessertes Angebot gemacht. Das sei von den Tarifkommissionsmitgliedern sehr negativ bewertet worden. »Wenn sich daran bis zum 14. Mai nichts ändert, werden weitere ganz lange Auseinandersetzungen folgen«, kündigt Ledwig an. Am 15. Mai wollen Brauerei und NGG erneut für Verhandlungen zusammenkommen.

In der Berliner-Kindl-Schultheiss-Brauerei werden Biere der Marke Berliner Pilsner, Berliner Kindl, Schultheiss und Berliner Bürgerbräu gebraut, abgefüllt und ausgeliefert. Der Deutsche Brauerbund, der Interessenverband der Bierwirtschaft, warnt aufgrund hoher Erzeugerpreise vor künftig steigenden Bierpreisen.

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