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Hamburger Mieten-Rallye nimmt wieder Fahrt auf
Studie: Nach einer kurzen »Verschnaufpause« steigen die Angebotsmieten erneut rasant
Auf dem freien Wohnungsmarkt Hamburgs sind die Angebotsmieten binnen eines Jahres um satte 7,1 Prozent gestiegen, nachdem sie im vergangenen Jahr leicht um 1,2 Prozent gesunken waren. Das ist das Ergebnis der aktuellen Untersuchung des Wahlkurses Geografie des Gymnasiums Ohmoor, die am Dienstag in den Räumen des Hamburger Mietervereins vorgestellt wurde. Die Studie wird seit 1986 nach unveränderten statistischen Kriterien erstellt und gilt deshalb als verlässliche Quelle.
Wer in der Hansestadt heute auf dem freien Markt eine Wohnung sucht, zahlt bei Abschluss eines Mietvertrags im Durchschnitt 15,62 Euro pro Quadratmeter gegenüber 14,58 Euro im Jahr 2023. Nettokalt wohlgemerkt, Betriebs-, Heiz- und Energiekosten kommen also noch obendrauf. Die Schülerinnen und Schüler der 11. Klasse des Gymnasiums im nördlichen Stadtteil Niendorf haben unter Anleitung ihres Lehrers Christopher Gnann 3800 anonymisierte Anzeigen ausgewertet, die auf dem Immobilienportal Immowelt geschaltet wurden. Hinzu kamen 170 Angebote von anderen Plattformen.
Am teuersten ist das Wohnen in der Hafencity, wo Vermieter durchschnittlich 29,19 Euro pro Quadratmeter verlangen – 38,9 Prozent mehr als im Vorjahr. Dort habe sich die Miete im Vergleich zum Jahr 2016 nahezu verdoppelt, konstatierte der mit Hamburgs jüngstem und »unfassbar teurem« Stadtteil befasste Schüler. In der Hafencity leben derzeit rund 7000 Menschen, in der Mehrzahl Singles und wohlhabende Paare, darunter viele Akademiker.
»Wer eine Wohnung hat, bleibt – wer eine sucht, findet kaum noch etwas Bezahlbares.«
Rolf Bosse Mieterverein zu Hamburg
Deutliche Preissprünge sind aber auch in den Stadtteilen Dulsberg, Osdorf, Billstedt, Sasel und Tonndorf zu verzeichnen. Menschen mit schmalem Geldbeutel zieht es eher nach Horn, Steilshoop, Wilstorf und Neuenfelde, wo noch Angebotsmieten unter 11 Euro zu finden sind. Die jeweiligen Quartiere sind nicht nur unterschiedlich teuer – auch das Angebot differiert stark. »Es gibt ein deutliches Nord-Süd-Gefälle«, sagt eine Schülerin. Südlich der Elbe gebe es weniger Angebote, die Wohnungen seien dort aber meist günstiger.
»Nach der Stagnation im Vorjahr müssen wir nun in Hamburg einen alarmierenden Zuschlag feststellen«, sagte Rolf Bosse, Vorsitzender des gastgebenden Mietervereins zu Hamburg. Grund dafür sei die geringe Verfügbarkeit bezahlbaren Wohnraums: »Der Markt ist leergefegt. Wer eine Wohnung hat, bleibt – wer eine sucht, findet kaum noch etwas Bezahlbares.«
Tatsächlich konnten die Schüler im Vergleich zu früheren Jahren deutlich weniger Wohnungsangebote auswerten – ein Indikator für eine niedrige Umzugsquote, die auch dem geringen Leerstand von 0,7 Prozent geschuldet ist. »Wir brauchen mehr bezahlbare Wohnungen, und zwar schnell«, forderte Bosse deshalb vom Hamburger Senat und nahm auch die Bundespolitik in die Pflicht. Geeignete Instrumente seien Neubau, besserer Kündigungsschutz und eine wirksame Mietpreisbremse.
Dass es derzeit vor allem beim Neubau hakt, konstatierte Verena Herfort vom BFW Landesverband Nord, der Interessenvertretung der Wohnungswirtschaft. Deren Mitglieder hätten 2024 in dem unfreundlichen wirtschaftlichen Umfeld der Hansestadt nur 750 neue Wohnungen gebaut: »Früher waren es 5000 bis 6000 jährlich.« Ulf Schelenz, Geschäftsführer des Grundeigentümer-Verbands Hamburg, glaubt, dass das Wohnen in der Elbmetropole noch teurer wird: »Wir haben einen Wanderungsüberschuss von 12 000 Menschen; der Markt wird enger, die Mieten ziehen weiter an.«
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Petra Memmler, Geschäftsführerin des Hamburger Landesverbands des Verbandes norddeutscher Wohnungsunternehmen, in dem unter anderen die Wohnungsbaugenosssenschaften vertreten sind, sagte, dessen Mitglieder würden für durchschnittlich 8,70 Euro pro Quadratmeter neu vermieten. Die Ohmoor-Studie sei nicht repräsentativ für Hamburg, weil sie nur den freien Wohnungsmarkt abbilde, so die Chefin des laut Eigenbezeichnung »Verbandes der Vermieter mit Werten«. Und Peter-Georg Wagner vom Immobilienmaklerverband IVD wies darauf hin, dass »ganz viele Objekte gar nicht am Markt inseriert werden«, sprich: unter der Hand vergeben würden. Dass auch diese Wohnungen auf einem engen Mietmarkt wie Hamburg kaum zum Schnäppchenpreis vergeben werden, dürfte allerdings klar sein.
Heike Sudmann, wohnungspolitische Sprecherin der Linksfraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft, erklärte, Folge der Mietenentwicklung sei »eine große Unsicherheit, besonders bei jenen, die sich vor einem Wohnungswechsel fürchten, weil sie sich die neuen Mieten schlicht nicht leisten können«. Der Hamburger Senat müsse einsehen, »dass wir endlich einen Mietendeckel brauchen«, so Sudmann. Denn Mieter*innen würden »nicht durch schöne Worte vor profitgierigen Vermieter*innen geschützt«.
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