- Kommentare
- Krieg in Gaza
Einfach mal Frieden machen
Mithu Melanie Sanyal plädiert für eine Zusammenarbeit mit israelischen und palästinensischen Friedensinitiativen
Ich kann gar nicht sagen, wie sehr ich mich freue, ab jetzt einmal im Monat an diesem Platz das Weltgeschehen kommentieren zu dürfen. Normalerweise starte ich eine nigelnagelneue Kolumne mit etwas, worauf sich alle einigen können. So begann meine »Taz«-Kolumne mit einem Manifest für Pinkeln in Parks. Und das Konzept ging auf: Alle waren einer Meinung. Wenn auch nicht meiner. Doch sogar, wenn mir etwas einfiele, das ich – fälschlicherweise – für unkontrovers halte, wäre ich nicht in der Lage, darüber zu schreiben, weil alles, alles, wirklich alles neben der Katastrophe in Gaza verblasst.
Jeden Tag sehe ich auf meinem Handy, wie verhungernde Menschen in Zelten bombadiert werden; wie verhungernde Menschen in Krankenhäusern bombardiert werden; wie verdurstende Menschen bombardiert werden, während sie Brunnen graben; wie Babies zu Skeletten abmagern und dann noch weiter abmagern, bis sie aussehen wie Aliens mit riesigen Augen und Zahnstocherarmen. Es gibt einen psychologischen Begriff für das Trauma, das diese Bilder in Menschen auslösen, die sie täglich sehen und nichts daran ändern können. Aber ich schlage ihn nicht nach, weil es hier nicht um mich geht. Es geht um unsere geteilte Menschlichkeit.
Wir müssen das stoppen, und zwar sofort!
Zum Thema: »Es geht heute nicht um Israels ›Existenzrecht‹« – Der israelische Historiker Amos Goldberg spricht von »Genozid« in Gaza und stellt sich hinter den Antisemitismus-Beschluss der Linkspartei
Und mit »wir« meine ich unsere Politiker und Politikerinnen, die sich besorgt zeigen – natürlich sind sie besorgt, sie sind ja keine Monster –, aber auch irgendwie Verständnis haben. O-Ton Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier: »Wir erkennen das Dilemma, das die Hamas für die israelische Armee kreiert, auch indem sie sich an Hilfsgütern bereichert.« Die Hilfsorganisationen, die an der Grenze stehen und nicht reingelassen werden, widersprechen dem. Doch selbst wenn das so wäre, würde es immer noch nicht rechtfertigen, 2,2 Millionen Menschen verhungern zu lassen. Das ist keine Meinung, sondern eine schwerste Straftat nach dem Römischen Statut.
Mithu Melanie Sanyal ist Schriftstellerin, Journalistin und Kulturwissenschaftlerin, Tochter eines indischen Ingenieurs und einer polnischstämmigen Sekretärin, aufgewachsen in Düsseldorf. In ihren Sachbüchern und Romanen – ihr erster: »Identitti« war ein Riesenerfolg, in ihrem zweiten: »Antichristie« geht es um den bewaffneten Kampf gegen das Empire –, in Hörspielen und Essays verhandelt sie Fragen von Feminismus, Rassismus und sexueller Gewalt. Was Mithu Sanyal veröffentlicht, löst Debatten aus, und zwar ergiebige. Sie wird für uns über alles zwischen Alltag, Politik und Literatur schreiben.
Aber das ist doch alles so kompliziert. Und außerdem hat Israel ja jetzt auf den internationalen Druck reagiert und fünf Lastwagen durchgelassen. Also ein Prozent des absoluten Minimums von 500 Aid-Trucks pro Tag. Alles so kompliziert.
Deshalb habe ich mich entschieden, es einfacher zu machen!
Was ist der gemeinsame Nenner aller Politiker*innen? Sie wollen Frieden. Also alle internationalen Politiker*innen; Benjamin Netanyahu und seine rechtsextremen Koalitionsparter wollen Gaza. Und im Gegensatz zu Social Media weiß ich einfach nicht, was die Hamas will. Warum verhandeln wir dann immer noch mit ihnen? Warum führt die internationale Staatengemeinschaft die Friedensverhandlungen nicht stattdessen mit den Kräften, die tatsächlich an Frieden und Zusammenleben interessiert sind, sprich mit den israelischen und palästinensischen Friedensinitiativen, und macht alle Unterstützung davon abhängig, dass die dabei ausgehandelten Ziele umgesetzt werden. Gewuppt!
Das nächste Mal werde ich eine andere Krise lösen. Vielleicht sollte ich meine Kolumne umbenennen. Wie wäre es mit: The Sanyal Solution!
Wir sind käuflich.
Aber nur für unsere Leser*innen. Damit nd.bleibt.
Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen aufgreifen
→ marginalisierten Stimmen Raum geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten voranbringen
Werden Sie Teil unserer solidarischen Finanzierung und helfen Sie mit, unabhängigen Journalismus möglich zu machen.