Brandenburgs AfD erwiesen rechtsextremistisch

Kontrollkommission des Landtags hält Einstufung durch den Verfassungsschutz für nachvollziehbar

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 5 Min.
Wer stoppt Brandenburgs AfD und wie?
Wer stoppt Brandenburgs AfD und wie?

Bekannt ist es schon seit zwei Wochen. Nun haben es die Brandenburger AfD und die Öffentlichkeit schriftlich: Der Verfassungsschutz stufte den AfD-Landesverband in die Kategorie erwiesen rechtsextremistisch hoch. Darüber soll das Innenministerium die zuständige Parlamentarische Kontrollkommission (PKK) des Landtags erst am Dienstag in einer Sondersitzung unterrichtet haben.

Aufgabe der PKK ist die Kontrolle des Verfassungsschutzes. Sie tagt anders als die meisten Ausschüsse des Landtags grundsätzlich nicht öffentlich. Die Mitglieder sind verpflichtet, über ihnen dort vertraulich mitgeteilte Erkenntnisse des Geheimdienstes Stillschweigen zu bewahren. Eine Pressemitteilung wie die von Mittwoch hat Seltenheitswert. Darin heißt es, der Verfassungsschutz gelange »nachvollziehbar und juristisch schlüssig zu dem Ergebnis einer Einstufung des AfD-Landesverbandes als erwiesen extremistische Bestrebung«. Und weiter: »Die Kommission sieht auf der Grundlage des sorgfältig ermittelten, ihr vorgelegten Vermerkes und der fortlaufenden Berichterstattung in den letzten fünf Jahren die Einstufung durch den Verfassungsschutz als gerechtfertigt an.«

Vor dieser Hochstufung wurde die Brandenburger AfD nur als Verdachtsfall beobachtet. Als gesichert rechtsextremistisch hatte lediglich ihr inzwischen aufgelöster Jugendverband gegolten.

Im Streit um die Hochstufung hatte Innenministerin Katrin Lange (SPD) am 6. Mai überraschend Verfassungsschutzchef Jörg Müller entlassen – und war danach in Erklärungsnöte geraten. Am Freitag trat die Ministerin zurück und betonte dabei noch einmal, sie halte »Parteiverbot, Überwachung, Repression und Ausgrenzung« für einen »Irrweg«. Man müsse die AfD inhaltlich stellen.

Am Mittwoch lehnte der Landtag nun einen Antrag der CDU ab, eine von Katrin Lange Anfang des Monats kassierte Dienstanweisung unverzüglich wieder in Kraft zu setzen. Dieser Dienstanweisung zufolge durfte der Verfassungsschutz unabhängig Bewertungen vornehmen und einstufen. Lange hatte sich dann das letzte Wort darüber vorbehalten wollen. Die PKK empfiehlt jetzt, die bisher in Dienstanweisungen festgehaltenen Befugnisse des Verfassungsschutzes gesetzlich zu regeln.

Der neue Innenminister René Wilke (parteilos) soll diesen Donnerstag von Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) ernannt werden. Er könnte Jörg Müller wieder als Verfassungsschutzchef einsetzen. Grüne und Linke fordern das, doch SPD-Fraktionschef Björn Lüttmann hält es für keine gute Idee. Es brauche einen neuen Geheimdienstchef, erklärte Lüttmann am Mittwoch in der Aktuellen Stunde des Landtags, in der die Abgeordneten über den Verfassungsschutz und die AfD stritten.

SPD-Fraktionschef Lüttmann sagte: »Ja zur Unabhängigkeit, aber nein zur Eigenmächtigkeit!« Er erinnerte daran, dass es von 2016 bis 2019 einen brandenburgischen NSU-Untersuchungsausschuss gab. Könnten Enver Şimşek, Theodoros Boulgarides, Michèle Kiesewetter und die anderen sieben Opfer des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) noch leben, wenn der Brandenburger Verfassungsschutz Hinweise seines Spitzels »Piatto« auf das untergetauchte NSU-Trio rechtzeitig an die richtigen Stellen weitergegeben hätte? Die mögliche Ergreifung der Drei sei zumindest erschwert worden, meinte damals der Abgeordnete Volkmar Schöneburg (Linke).

Die Schlussfolgerung: Der Verfassungsschutz solle besser überwacht werden. Aber seine Sollstärke wurde 2019 von 93 auf 130 Stellen aufgestockt, worüber sich die SPD mit der opposititionellen CDU eher einig gewesen sei als mit ihrem damaligen Koalitionspartner Linke, wie SPD-Politiker Lüttmann nun im Rückblick sagte. Inzwischen arbeiten sogar rund 150 Leute beim Brandenburger Verfassungsschutz.

»Der Verfassungsschutz beobachtet die AfD nicht, weil sie Oppositionspartei ist, sondern weil sie rechtsextremistischen Bestrebungen anhängt.«

Kathrin Schneider Staatskanzleichefin

Einig ist sich die SPD mit der CDU laut Lüttmann in der Einschätzung, dass die AfD rechtsextremistisch sei. Was von dieser Partei zu sehen, zu hören und zu ertragen sei, spreche eine eindeutige Sprache. Lüttmann befürwortete, ein AfD-Verbot zu prüfen, auch wenn Zweifler nicht genug Anhaltspunkte sehen, weil es hohe Hürden gebe, wie man von den 2003 und 2017 gescheiterten NPD-Verbotsverfahren wisse. Ein Verbot der AfD zu prüfen, schließe nicht aus, sie auch inhaltlich zu stellen, wie Ex-Innenministerin Lange es wollte, sagte Lüttmann.

Langes Ansatz sei nicht verkehrt, räumte der Landtagsabgeordnete Rainer Genilke (CDU) bereitwillig ein. Denn die Migrationspolitik sei das Feld, auf dem diese Partei »mit leeren Versprechungen und populistischen Phrasen gedeiht«. Doch die inhaltliche Auseinandersetzung mit der AfD dürfe nicht dazu führen, dass der Verfassungsschutz seine Arbeit nicht mehr machen könne. Er sei der Brandmelder der Demokratie. Am Brandmelder herumzuschrauben sei gefährlich.

Dem BSW warf Genilke vor, den 2024 vom alten Innenminister Michael Stübgen (CDU) eingeführten Verfassungstreuecheck für Beamte abschaffen zu wollen. Zwar vereinbarte das BSW im Koalitionsvertrag mit der SPD erst einmal lediglich, den umstrittenen Check noch 2025 daraufhin zu überprüfen, ob er ein geeignetes und verhältnismäßiges Mittel sei, den öffentlichen Dienst vor einer Unterwanderung zu bewahren – und ihn gegebenenfalls »anzupassen«. Für Genilke läuft das aber auf eine Abschaffung hinaus und damit ist er nicht einverstanden.

Beim Verfassungstreuecheck werden Erinnerungen an den Radikalenerlass von 1972 wach, der in der alten Bundesrepublik zu Berufsverboten und Disziplinarverfahren fast ausschließlich gegen Linke führte und insbesondere Lehrer betraf.

BSW-Fraktionschef Niels-Olaf Lüders konterte die Vorwürfe von Genilke mit der Bemerkung, die CDU sei kaum noch von Linke und Grünen zu unterscheiden und eine »derbe Enttäuschung« für nicht wenige Menschen, die sich einen anderen Umgang mit der AfD wünschten. Man könne leicht den Eindruck gewinnen, der Verfassungsschutz solle die Interessen derjenigen befriedigen, die eine »moralische, aber erfolglose Brandmauerpolitik fortsetzen und zementieren« wollen und »die politische Auseinandersetzung mit der AfD scheuen«. Lüders schloss sich der Forderung der zurückgetretenen Ministerin Lange an, das Gutachten zu veröffentlichen, auf dessen Basis der AfD-Landesverband als erwiesen rechtsextremistisch eingestuft wurde. »Wir möchten gerne selbst beurteilen, wie der Verfassungsschutz zu seiner Einstufung gelangt ist und ob wir diese so nachvollziehen können«, sagte Lüders.

»Die AfD ist durch und durch demokratisch«, beteuerte ihr Fraktionschef Hans-Cristoph Berndt im Landtag. »Der Verfassungsschutz will uns in eine multiethnische und multikulturelle Welt treiben«, behauptete er. »Der Verfassungsschutz vergiftet unser Land. Ich sage Ihnen: Schaffen wir ihn ab!«

Staatskanzleichefin Kathrin Schneider (SPD) entgegnete: »Der Verfassungsschutz beobachtet die AfD nicht, weil sie Oppositionspartei ist, sondern weil sie rechtsextremistischen Bestrebungen anhängt und damit letztentlich eine Gefahr für die freiheitlich-demokratische Grundordnung ist.«

Einen Antrag der AfD, das Handlungskonzept »Tolerantes Brandenburg« aufzugeben, lehnte der Landtag am Mittwoch ab.

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