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Sieg von Milei in Buenos Aires: Hoffnung siegt anders aus
Warum hat Mileis Partei die Kommunalwahl gewonnen?
Argentiniens rechtslibertärer Präsident Javier Milei hat das Duell im rechten politischen Lager für sich entschieden: Bei den Kommunalwahlen in der Hauptstadt Buenos Aires am vergangenen Sonntag errang seine Partei La Libertad Avanza (LLA) einen überraschend deutlichen Sieg. Mileis LLA erhielt knapp über 30 Prozent der Stimmen. Die Partei des ehemaligen liberal-konservativen Präsidenten Mauricio
Macri Propuesta Republicana (PRO) kam nur auf 16 Prozent. Es war die bisher größte Niederlage der PRO bei einer Wahl. »Macris Zeit ist vorbei«, so Mileis
Fazit.
Der autonome Stadtstaat Buenos Aires war bisher die politische Hochburg von Macris PRO, die hier seit 2007 regiert und die mit Mauricios Cousin Jorge Macri den Bürgermeister stellt. Die alle zwei Jahre stattfindende Teilwahl der 30 von 60 Abgeordneten des Stadtparlaments sorgt landesweit normalerweise für wenig Aufsehen. Doch diesmal wurde sie zur Mutter aller Schlachten über die Vorherrschaft im rechten Lager, nachdem Milei beschlossen hatte, mit einer eigenen Kandidatenliste anzutreten und kein Bündnis mit Macris PRO einzugehen. Mit Manuel Adorni setzte der Präsident seinen Sprecher an die Spitze der Liste. Das Präsidialamt übernahm die Leitung der Wahlkampagne. Der Präsident und sein gesamtes Kabinett zogen in den Wahlkampf und machten die
Kommunalwahlen zu einem Referendum über die nationale Regierungspolitik.
Mileis Liste gewinnt Stimmen aus allen Lagern
Auch Mauricio Macri beteiligte sich intensiv am Wahlkampf, wobei er sich auf
städtische Themen konzentrierte und versuchte, den Kampf um die Vorherrschaft herunterzuspielen. Eine Strategie, die völlig fehlschlug, wie Macri selbst in der Wahlnacht zugab.
Milei wiederum gelang es, die Kommunalwahlen auf eine nationale Ebene zu ziehen, auf der städtische Fragen keine Rolle spielen und auf der er seine Wirtschaftspolitik zur Abstimmung stellte. Er erklärte sich zum einzigen Garanten, der die Rückkehr des linksperonistischen Flügels um die ehemalige Präsidentin Cristina Kirchner in die Regierung verhindern könne. Damit konnte er seine eigene Wählerschaft mobilisieren und auch Stimmen aus allen Lagern gewinnen. Dass viele gar nicht gewählt haben, dürfte vor allem daran liegen, dass eine starke Alternative fehlt: Die Opposition rechts der Mitte ist zersplittert und zerstritten.
Aus Sicht vieler Argentinier ist Milei beim Kampf gegen die Inflation äußert erfolgreich, auch wenn die – monatliche – Inflationsrate weiter zwischen drei und vier Prozent schwankt. Vor allem Geringverdiener spüren die Erleichterung, aus der sich die Zustimmung für Milei speist. Bei der Mittelklasse punktet Milei zudem damit, dass er die noch vor 18 Monaten nahezu alltäglichen Demonstrationen und Straßenblockaden im Stadtgebiet unterbindet. Das Aushängeschild dafür ist seine Sicherheitsministerin Patricia Bullrich, die inzwischen von der PRO zur LLA gewechselt ist und etliche Wählerstimmen mitgezogen hat.
»Wir haben die gelbe Bastion violett gefärbt«, jubelte dagegen ein sichtlich euphorischer Javier Milei am Wahlabend und spielte damit auf die Parteifarben an. Und tatsächlich verdeutlicht die Metapher den drastischen Wandel beim
Farbenspiel der insgesamt 15 Kommunen. Nach den Wahlen vor zwei Jahren waren 13 der 15 Kommunen gelb gefärbt, als Zeichen dafür, dass Macris PRO die stärkste Kraft war. Jetzt ist das Gelb verschwunden. Stattdessen leuchten neun Kommunen in der violetten Farbe der LLA. Die restlichen sechs sind in die blaue Farbe des peronistischen Bündnisses Es Ahora getaucht.
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Zwar kam das gemäßigt-linke Es Ahora mit 27 Prozent der Stimmen auf den zweiten Platz. Doch angesichts einer Kernwählerschaft von 25 Prozent in der Hauptstadt war im peronistischen Lager bei diesem Resultat niemand in Feierstimmung. Einige Umfragen hatten Es Ahora auf Platz eins geführt, zumal das rechte Lager gespalten antrat. Doch auch innerhalb des Peronismus gibt es Flügelkämpfe.
Niedrigste Wahlbeteiligung seit 1997
Während Mileis LLA in den wohlhabenderen Kommunen im Norden der Stadt dominierte, waren es bei den Peronisten die südlichen Kommunen mit ihren sozialen Brennpunkten. Auffallend ist, dass in einigen von ihnen die Wahlbeteiligung unter 45 Prozent lag. Hoffnung auf Verbesserungen durch die Politik sieht anders aus.
Insgesamt war die Wahlbeteiligung mit 52,3 Prozent die niedrigste seit 1997. Von den 2,5 Millionen Wahlberechtigten gaben trotz Wahlpflicht nur 1,6 Millionen ihre Stimme ab. Mit knapp 500 000 Stimmen erhielt Mileis Kandidatenliste nur 45 600 Stimmen mehr als die Liste der Peronisten. Mit einem Abstand von
230 000 Stimmen setzte sie sich indes deutlich von Macris PRO ab. Der Rest verteilte sich auf die übrigen der insgesamt 17 Listen, wobei dem ehemaligen
Mitte-rechten Bürgermeister Horacio Rodríguez Larreta und seiner Liste mit acht Prozent oder 133 000 Stimmen ein Achtungserfolg gelang.
Ganz so überraschend ist das Ergebnis nicht. Die Politik wird in Argentinien seit Langem wie ein leerer Zirkus beschrieben. Die Politiker raufen sich in der Manege, aber das Publikum hat sich längst verabschiedet. »Vor einem Monat sagten uns 35 Prozent, dass sie wenig oder gar keine Lust hätten, wählen zu gehen; jetzt sind es 45 Prozent«, erklärte Federico Aurelio, Direktor des Meinungsforschungsinstituts Aresco vor der Wahl in der Tageszeitung »La Nación«. Es sei schwer, das Interesse für die Wahl zu wecken. Ein Drittel habe gar nicht gewusst, dass sie stattfindet, so Aurelio.
Selbst die TV-Einschaltquoten belegten das Desinteresse an dem Urnengang. Als nach der Schließung der Wahllokale in den Free-TV-Kanälen die Sondersendungen begannen und die ersten Resultate präsentiert wurden, schaute die Mehrzahl lieber den Katastrophenfilm »The Day After Tomorrow«. Und so interessierte es auch nur am Rande, dass das peronistische Es Ahora mit 20 Sitzen künftig die stärkste Fraktion im Stadtparlament stellt, gefolgt von der La Libertad Avanza mit 13 Sitzen, und der PRO, die nun noch auf zehn Sitze kommt.
Mit dem Wahlergebnis hat Milei seinen alleinigen Führungsanspruch im rechten Lager weiter gefestigt. Noch am Wahlabend rief die LLA dazu auf, sich dem libertären Projekt anzuschließen. Die Betonung lag dabei auf Ein- und Unterordnung und nicht auf Koalitionsbildung. Der Lackmustest für seine nationale Vormachtstellung werden die Parlamentswahlen in der bevölkerungsreichen Provinz Buenos Aires im September sein. In der Hochburg der Peronisten könnte es zu einem Duell zwischen Milei und der ehemaligen Präsidentin Cristina Kirchner kommen. Derzeit laufen Gespräche zwischen der LLA und der PRO über eine gemeinsame Kandidatenliste – unter der Verhandlungsführung von Javier Milei.
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