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Gerichtsurteil: Linker Aktivist durfte »Schutzwaffe« tragen
Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte ändert nichts am Reformbedarf beim Versammlungsgesetz, meint Anton Benz
Das Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) zugunsten des linken Aktivisten Benjamin Ruß ist ein Sieg für die Versammlungsfreiheit in Deutschland – eine eigentlich notwendige Gesetzesreform wird es indes wohl nicht bewirken.
Ein deutsches Gericht hatte ein aus einer Plastikfolie gebasteltes Visier als verbotene »Schutzwaffe« auf einer Demonstration eingestuft und Ruß verurteilt. Er sah darin eine Verletzung seines Rechts auf Versammlungsfreiheit. Der EGMR stimmte ihm zu.
Laut Versammlungsgesetz kann das Verbot von Schutzwaffen ausgesetzt werden, wenn keine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit besteht – wie es bei Ruß der Fall war. Darauf müssten deutsche Gerichte stärker achten, urteilte der EGMR. Allerdings: Am Gesetzestext selbst hatte der Gerichtshof nichts auszusetzen, es ging lediglich um seine Anwendung.
Dabei wäre eine gesetzliche Neuregelung im Umgang mit Schutzausrüstung auf Demonstrationen notwendig. Die Begründung für das aktuelle Verbot ist zum Teil grotesk: Gefahr gehe vom »martialischen Erscheinungsbild« aus, das »aggressionsstimulierend« wirke.
Friedliche Demonstranten bekommen jedoch viel zu oft Pfefferspray ab. Hilfsmittel, die das vermeiden sollen, sind eben nur das: Selbstschutz – und keine Bedrohung für die öffentliche Sicherheit. Anders als das oft »martialische« – hier passt der Begriff besser – Auftreten der Polizei. Verbote, horrende Strafen, Polizeigewalt: Das hält Menschen wirklich davon ab zu demonstrieren – und schränkt de facto ihre Versammlungsfreiheit ein.
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