Die Nerven spielen mit: Alba Berlin droht das frühe Playoff-Aus

Im Viertelfinale gegen Ulm sieht es für die Berliner Basketballer nach zwei Niederlagen gar nicht gut aus

  • Lennart Garbes
  • Lesedauer: 5 Min.
Ulms Aufbauspieler Ben Saraf (Nr. 77) bekam Alba im zweiten Spiel der Viertelfinalserie auch mit vereinten Kräften nicht in den Griff.
Ulms Aufbauspieler Ben Saraf (Nr. 77) bekam Alba im zweiten Spiel der Viertelfinalserie auch mit vereinten Kräften nicht in den Griff.

We’re still Alba Berlin – Wir sind immer noch Alba. Die Nachricht eines Fans aus den sozialen Netzwerken hängt auf einem gelben Zettel am Kabineneingang der Berliner Basketballer. Gut 50 solcher motivierender Botschaften hat das Team für die Playoffs um seine Kabinentür in der heimischen Arena geklebt. Geholfen hat es bisher nicht. Nach der zweiten Niederlage im zweiten Spiel der Best-of-five-Serie gegen Ulm steht der amtierende Vizemeister endgültig vor dem Scherbenhaufen einer verkorksten Spielzeit.

Drei Siege infolge brauchen die Berliner, um das Aus im Viertelfinale der Playoffs noch zu verhindern. Zwei davon müssten in Ulm gelingen beim heimstärksten Team der abgelaufenen Hauptrunde. Wesentlich wahrscheinlicher ist, dass die Saison schon in den kommenden Tagen zu Ende geht. Eine Aufholjagd wie im vergangenen Jahr, als man nach einer ebenfalls durchwachsenen regulären Saison noch bis ins Playoff-Finale stürmte, scheint zurzeit schwer vorstellbar. Alba ist vielleicht doch nicht mehr das Alba Berlin von früher.

Einstellung stimmt, doch der Wurf versagt

Die 62:74-Heimpleite am Mittwochabend war vielmehr der nächste Beweis dafür, dass die aktuelle Qualität des Teams nicht ausreicht, um ganz vorne mitzuspielen. »Das kratzt sehr am Selbstvertrauen und an unserer Ehre«, gab Berlins Malte Delow nach der vorentscheidenden zweiten Niederlage gegen Ulm offen zu. Besonders bitter: In Sachen Einstellung konnte man den Spielern kaum einen Vorwurf machen. Alba kämpfte und versuchte alles, um die 8182 Zuschauer*innen mitzunehmen, zu denen auch NBA-Star und Ex-Albatross Franz Wagner sowie Basketball-Bundestrainer Álex Mumbrú gehörten. Trotzdem hatte Ulm schon zur Pause 20 Punkte Vorsprung.

»Wir haben gerade in der ersten Halbzeit offensiv keine Lösungen gefunden, und wenn wir welche hatten, haben wir nicht getroffen«, analysierte Delow, der vor der Pause keinen seiner fünf Würfe verwandeln konnte. Nachdem in Spiel eins zu viele Ballverluste und Fouls zur Niederlage geführt hatten, war es diesmal die katastrophale Wurfquote. In der ersten Hälfte gelang Berlin nur ein Dreipunktewurf bei 13 Versuchen. Am Spielende stand eine miserable Dreierquote von 14,8 Prozent. Es bleibt dabei, dass Alba in dieser Saison auf viele Arten ein Spiel aus der Hand geben kann.

Daran konnte auch der neue Trainer Pedro Calles bisher wenig ändern. Seitdem der Spanier vor zwei Monaten seinen Landsmann Israel González ersetzt hat, haben sich die Berliner zwar in der Verteidigung verbessert. Offensiv schwankt das Team aber weiter heftig hin und her. Darüber konnte auch die Serie von acht Siegen aus den vergangenen neun Spielen der regulären Saison nur milde hinwegtäuschen. Berlin konnte so gerade noch die Blamage verhindern, zum ersten Mal in der 35-jährigen Vereinsgeschichte die Playoffs zu verpassen. Aber die Siege gelangen größtenteils gegen Teams aus der unteren Tabellenhälfte. Gegen Ulm, den Zweiten der Hauptrunde, ist der Alba-Angriff jetzt wieder ins Stottern geraten.

Am Mittwoch wurde es erst besser, als die Baden-Württemberger im vierten Viertel mit einer 21-Punkte-Führung im Rücken deutlich Tempo rausnahmen. Berlin konnte einen Lauf starten und den Rückstand zwischenzeitlich bis auf sieben Punkte verkürzen. Doch zwei nervenstarke Distanzwürfe von Ulms Philipp Herkenhoff machten alle aufgekommenen Comeback-Hoffnungen zunichte. »Das ist aktuell der Unterschied. Man sieht, dass sie mental sehr stark und selbstbewusst sind, während unseren Spielern die vielen Niederlagen in dieser Saison in den Köpfen stecken«, erklärte Alba-Sportdirektor Himar Ojeda.

Champions League statt Euroleague

Die vielen Pleiten in der Bundesliga und gegen Europas Topteams in der Euroleague hätten dazu geführt, dass den Berlinern in dieser Saison einfach das Selbstvertrauen fehle, so der Spanier. »Diese mentale Stärke aufzubauen, ist nicht leicht, insbesondere wenn man viele junge Spieler hat.« Der Sportdirektor dürfte damit auch die Erklärung geliefert haben, warum Alba in der kommenden Spielzeit nach 24 Jahren zum ersten Mal nicht mehr in der Euroleague oder dem Eurocup antritt, sondern in der Champions League, in der eher die zweite Garde des europäischen Basketballs anzutreffen ist. Noch so eine Sache, die zukünftig anders sein wird.

Das Argument, dass man immer noch eine junge, entwicklungsfähige Mannschaft habe, der man Schwächephasen zugestehen müsse, geht allerdings etwas an der Wahrheit vorbei. Die zwölf Berliner, die in Spiel zwei auf dem Parkett standen, waren im Schnitt 27,1 Jahre alt. Der Gegner war im Vergleich mehr als drei Jahre jünger (23,8). Auch hier sind die Ulmer inzwischen vorbeigezogen am elffachen Meister. Zwar fehlten bei Alba die 22-jährigen Gabriele Procida und Matteo Spagnolo. Doch die beiden italienischen Talente dürften ohne den Anreiz Euroleague in der nächsten Saison nur schwer zu halten sein.

Hoffnung schöpften die Berliner Fans deswegen vor allem aus einem Ereignis in der Halbzeit. In der Pause durfte die U16-Mannschaft der Albatrosse bejubelt werden, die am vergangenen Wochenende nach einer ungeschlagenen Saison die deutsche Jugend-Meisterschaft gewonnen hatte. Zumindest was die gute Nachwuchsarbeit angeht, ist Alba immer noch Alba.

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