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Steven Hellmuth: Verfahren gegen pöbelnden Rechten eingestellt
Steven Hellmuth, Mitarbeiter von AfD-Bundestagsabgeordneten, beschimpfte Familie rassistisch und attackierte eine Zugbegleiterin. Konsequenzen: keine
Als im September 2024 die Ergebnisse der Landtagswahl in Brandenburg feststehen, grölen Mitglieder der AfD-Jugendorganisation Junge Alternative (JA) auf der Wahlparty in Potsdam lauthals einen umgetexteten Partyhit. »Diese Nacht ist Deutschlands Nacht, die Remigration geht los«, heißt es und im Refrain: »Hey, jetzt geht’s ab, wir schieben sie alle ab!«
Mit dabei ist auch Steven Hellmuth vom damaligen Vorstand der JA Sachsen-Anhalt und Mitarbeiter mehrerer AfD-Bundestagsabgeordneter. Er singt, tanzt und schwenkt dabei ein Schild mit der Aufschrift »Millionenfach abschieben«. In seinem Gutachten zur Einstufung der AfD als »gesichert rechtsextremistisch« wertet das Bundesamt für Verfassungsschutz dieses Verhalten als Beleg für »fremden- und minderheitenfeindliche Aussagen und Positionen«.
Wegen eines anderen Vorfalls hingegen sollte sich Hellmuth eigentlich im März vor dem Amtsgericht Leipzig wegen versuchter Körperverletzung verantworten. Im Februar 2022 soll er im Hauptbahnhof Leipzig eine migrantische Familie rassistisch beleidigt haben. Daraufhin forderte ihn die Zugbegleiterin Vanessa Rohs auf, den Zug zu verlassen. Die heute 39-Jährige aus Hannover arbeitet schon lange als Zugbegleiterin. Weil sich Hellmuth weigerte, ihrer Aufforderung Folge zu leisten, habe sie die Bundespolizei gerufen, berichtete sie später. Plötzlich habe er sich vor ihr aufgebaut, es sei zu einem Gerangel gekommen, Hellmuth sei dann geflüchtet.
»Ich bin einfach nachhaltig traumatisiert worden und habe dann vom Arzt eine ›Anpassungsstörung‹ attestiert bekommen«, sagt Rohs. Erst zwei Jahre später wurde klar, dass es sich bei dem ihr damals Unbekannten um den heute 34-jährigen Hellmuth handelt. Die Tat deckt sich mit Beobachtungen des Verbands der Beratungsstellen für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt (VBRG e. V.), der vor »AfD-Funktionär*innen als rechte Gewalttäter*innen« warnt. Der Rechtsstaat sei in der Pflicht, sich auf die Seite der Angegriffenen zu stellen, die sich durch die oft schleppende juristische Aufarbeitung im Stich gelassen fühlten.
Dies musste nun auch Rohs erfahren, die in einem Prozess gegen Hellmuth als Nebenklägerin auftreten wollte. Doch die für März vorgesehene Prozesseröffnung platzte. Erst wurde die Verhandlung auf den August verschoben. Nun erhielt die Zugbegleiterin die Nachricht, das Verfahren sei gegen Zahlung von 1000 Euro eingestellt worden. Die Hälfte davon sollte Rohs erhalten. Weil die Zugbegleiterin aber Hellmuths Geld nicht will, kommt nun die gesamte Summe einer Gedenkstätte zugute. Sie würde sich immer wieder so verhalten, sagt Rohs. »Aber auf die Folgen dieses Vorfalls hätte ich gerne verzichtet«. Die 39-jährige klagt über Panikattacken, Schlafstörungen und Antriebslosigkeit.
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Auf den Fall angesprochen, befürchtet Kristin Harney, Projektleiterin der Mobilen Beratung Niedersachsen gegen Rechtsextremismus für Demokratie, Entscheidungen wie diese verunsicherten die Betroffenen nachhaltig. »Die Einstellung des Verfahrens lässt diesen Angriff als Lappalie erscheinen und wird den Tatfolgen in keiner Weise gerecht. Täter*innen wird durch dieses geringe Strafmaß hingegen signalisiert, dass ihr Agieren weitgehend keine Konsequenzen hat«, sagt Harney.
Bei Hellmuth hat die Tat jedenfalls nicht zu einem Karriereknick geführt. Im Verfassungsschutz-Gutachten über die AfD wird er »seit mindestens Februar 2025« als Mitarbeiter eines Mitglieds des Europäischen Parlamentes geführt. Er selbst bezeichnet auf Instagram die AfD-Bundestagsabgeordnete Claudia Weiss als »Chefin«.
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