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Vermummte greifen Wohnprojekt in Cottbus an

Mittlerweile hat der Staatsschutz die Ermittlungen übernommen

  • Lesedauer: 4 Min.
Blick auf das vom Künstler und Musiker Glönn gestaltetet Fassade des Wohnprojekts »Zelle 79«.
Blick auf das vom Künstler und Musiker Glönn gestaltetet Fassade des Wohnprojekts »Zelle 79«.

Mehrere Angreifer haben ein alternatives Wohnprojekt in Cottbus mit Böllern und Fackeln angegriffen. Die Betroffenen sprachen von einem versuchten Brandanschlag Rechtsextremer in der Nacht zum Samstag.

Die fünf Angreifer sollen teils vermummt gewesen sein und verfassungsfeindliche Parolen gerufen haben, wie die Polizei am Nachmittag mitteilte. Bewohner des Hausprojektes »Zelle 79« schilderten in einer eigenen Mitteilung, die Täter hätten außerdem Sturmhauben getragen und unter anderem »Wir sind die Gang, Adolf Hitler Hooligans!« gerufen.

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Ermittlungen zu Gewalt mutmaßlicher Rechtsextremisten

Erst vor wenigen Tagen ging der Generalbundesanwalt nach Gewaltvorfällen gegen mutmaßliche Rechtsextremisten in Südbrandenburg und in anderen Bundesländern vor. Sie sollen einer mutmaßlichen rechten Terrorzelle, der Gruppierung »Letzte Verteidigungswelle«, angehören. Im Oktober 2024 wurde nachts ein Kulturhaus im Altdöbern in Brand gesetzt, in Senftenberg wurde ein Brandanschlag auf eine Asylunterkunft geplant.

Zudem gab es vor einiger Zeit Gewaltvorfälle auch bei Jugendclubs in Senftenberg und Spremberg in Südbrandenburg. Auch das »Hausprojekt Zelle 79« wurde schon einmal im März angegriffen.

Polizei sucht nach Angreifern von Cottbus

Wie die Polizeidirektion Süd jetzt mitteilte, gelangten die Täter in der Nacht zum Samstag nicht in das Haus. Sie hätten jedoch die Eingangstür und die Fassade beschädigt. Die Polizei ermittelt wegen Landfriedensbruch. Kriminaltechniker sicherten Spuren.

Die Polizei schreibt in ihrer Mitteilung: »Anwohner hatten dort etwa fünf dunkelgekleidete und teilweise vermummt auftretende Personen bemerkt, die pyrotechnische Erzeugnisse zündeten, darunter Böller sowie Leuchtfackeln, und verfassungsfeindliche Parolen riefen.«

Bei der Fahndung seien mehrere Menschen in der Umgebung kontrolliert worden. »Ein Tatverdacht gegen diese Personen hat sich jedoch nicht ergeben«, so die Polizeidirektion. Der für politische motivierte Straftaten zuständige Staatsschutz übernahm die Ermittlungen. Menschen wurden laut Polizei nicht verletzt.

Initiative spricht von »Einschüchterungsversuch«

Bewohner des Hauses schildern in einer Mitteilung, die Angreifer hätten versucht, die Haustür aufzubrechen. Es seien fünf pyrotechnische Fackeln in den Hinterhof und auf das Gebäude geworfen worden. Ein durch die Fackeln ausgelöster Brand im Innenhof sei durch die Hausbewohner gelöscht worden. Auch ein benachbartes Grundstück sei durch eine Fackel getroffen worden.

Die Sprecherin der »Initiative Sichere Orte Südbrandenburg« sagte laut Mitteilung: »Es handelt sich um einen gezielten Einschüchterungsversuch durch organisierte rechte Strukturen. Das war kein jugendlicher Übermut – das war ein koordinierter Angriff mit politischer Botschaft.« Weiter beklagt die Initiative, dass demokratische und antifaschistische Orte von Polizei und Politik trotz wiederholter rechter Angriffe nicht ausreichend geschützt würden.

Das »Hausprojekt Zelle 79« bezeichnet sich als ein »Freiraum« für alternative Kultur, Bildung und selbstverwaltetes Wohnen in Cottbus. Es ging aus einer Hausbesetzung hervor. Eine Bewohnerin des Hausprojekts sagte, man wolle sich von dem Angriff nicht einschüchtern lassen. »Wir bleiben hier – und setzen uns weiter für Gleichberechtigung, ein freiheitliches Leben für alle und eine gerechtere Gesellschaft ein.«

Stimmen aus Politik

Nach dem Angriff hat sich der Oberbürgermeister von Cottbus, Tobias Schick (SPD) besorgt gezeigt, dass solche Fälle dringend benötigte Fachkräfte abschreckten, in die Region zu ziehen. Cottbus brauche für den Strukturwandel angesichts des Ausstiegs aus der Braunkohle aber »Zuzug aus aller Herren Länder«, ließ Schick über seinen Sprecher mitteilen. Es brauche eine Atmosphäre, in der niemand Angst haben und um sein Leben fürchten müsse.

Der SPD-Rathauschef will darüber beraten, wie solche Einrichtungen noch besser geschützt werden können, so der Sprecher. Schick sei mit der Polizei und Betroffenen in dem »Hausprojekt Zelle 79« in Kontakt. Er wolle Beteiligte gemeinsam an einen Tisch holen.

Die Landesvorsitzende der Brandenburger Grünen, Andrea Lübcke, äußerte sich in einer Mitteilung »mit großer Erschütterung« zu dem Angriff. »Solche Taten richten sich nicht nur gegen die unmittelbar Betroffenen, sondern bedrohen auch die Grundwerte unserer demokratischen Gesellschaft.« Rechte Strukturen dürften in Brandenburg nicht geduldet werden und müssten aktiv bekämpft werden, so Lübcke weiter. »Es braucht hier ein entschlossenes staatliches Handeln.« dpa/nd

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