Werbung

AfD in Sachsen: Die Hafenstube als Dorn im Auge

Fälle aus Weißwasser und Wurzen zeigen, wie die AfD in Sachsens Provinz die Soziokultur bekämpft

  • Hendrik Lasch
  • Lesedauer: 4 Min.
Die »Hafenstube« im Kulturzentrum Telux bringt buntes Leben in eine vom Strukturwandel geplagte Stadt.
Die »Hafenstube« im Kulturzentrum Telux bringt buntes Leben in eine vom Strukturwandel geplagte Stadt.

Die Schlagernacht im Jahnbad gehört zu den kulturellen Höhepunkten jedes Sommers in Weißwasser. Über 1000 Besucher kommen regelmäßig zu der Veranstaltung, was eine Menge ist für eine Stadt, die nach jahrelanger Abwanderung nur noch gut 15 000 Einwohner zählt. Organisiert wird die Party vom Soziokulturellen Zentrum (SKZ) Telux, das sein Domizil in der gleichnamigen früheren Glasfabrik hat und in der dortigen »Hafenstube« zahlreiche andere Veranstaltungen organisiert: Konzerte, Kino, Workshops und Kreativkurse und einen legendären Weihnachtsmarkt. »Ohne das Telux«, sagte die Teilnehmerin einer Demonstration Anfang Mai, »würde Weißwasser zur reinen Schlafstadt.«

Die Demonstration fand statt, weil das Telux akut bedroht ist. Der Stadtrat konnte sich bisher nicht durchringen, Fördermittel in Höhe von 44 000 Euro für das laufende Jahr zu bewilligen. Sie würden den sogenannten Sitzgemeinde-Anteil von 15 Prozent abdecken, der nötig ist, damit der vom Land finanzierte Kulturraum Oberlausitz-Niederschlesien die übrigen 85 Prozent Förderung ausreicht. Werde die Fördersumme reduziert oder gar gänzlich gestrichen, »fällt die Finanzierung in sich zusammen«, erklärt das SKZ. Der Verein wäre insolvent.

Der AfD wäre das vermutlich ganz recht. Sie ist die treibende Kraft hinter der bisherigen Verweigerungshaltung der Ratsmehrheit. Im November setzte sie bereits durch, dass der Zuschuss für 2024 rückwirkend um 30 Prozent gekürzt wurde. Vordergründig verweisen die Rechten auf die leeren Kassen der Stadt, die einst von Kohle und Glasindustrie lebte, aber jetzt schwer unter dem Strukturwandel in der Lausitz leidet. Tatsächlich dürfte ihr das kulturelle Angebot in der Hafenstube aber zu alternativ und bunt sein. Der AfD-Stadtrat Ronny Hentschel erklärte, Kultur müsse »aus der Mitte der Gesellschaft entstehen und nicht durch Fördergelder«. Stadtrat Sebastian Krüger von der Wählervereinigung Klartext konstatiert, es sei für die AfD »systemisch, solche Einrichtungen zu gefährden«.

»Wird der Zuschuss durch die Stadt reduziert, fällt die Finanzierung in sich zusammen.«

Spendenaufruf des SKZ Telux

Warnungen davor gibt es seit Langem. Das Kulturbüro Sachsen etwa betonte schon im Jahr 2020, mit zunehmender Stärke in den Kommunen habe die AfD »ihre Hände auf Fördertöpfen und städtischen Grundstücken, in Entscheidungen über Geflüchteten-Unterkünfte und in Gremien zur Jugend- und Kulturarbeit«. Wie das praktisch aussah, hatte das soziokulturelle Zentrum Treibhaus in Döbeln kurz zuvor erlebt. Es wurde von der AfD in einer Kampagne als linksextrem diskreditiert, mit der Folge, dass der Kulturraum und die dort stimmberechtigten CDU-Landräte die Förderung zeitweilig zurückstellten. Erst im Januar 2020 wurde sie doch noch gewährt.

Mit der Kommunalwahl 2024 ist der Einfluss der AfD deutlich gewachsen. In Weißwasser stellt die Partei sieben der 22 Stadträte und ist mit Abstand stärkste Fraktion. In der ähnlich großen Kleinstadt Wurzen sind es sechs von 20 Abgeordneten; ebenso viele hat die CDU. Dort verweigerte der Stadtrat kürzlich den Sitzgemeindeanteil für das Netzwerk Demokratische Kultur (NDK); es ging um einen Betrag von 12 900 Euro. In geheimer Abstimmung votierten zwölf Ratsmitglieder für die Streichung. Die Amadeu-Antonio-Stiftung zeigte sich »schockiert«, dass eine mutmaßliche Allianz aus AfD und CDU ein »Aushängeschild erfolgreicher Demokratiearbeit« beschädige. Das NDK sprach von einem »dezidiert politisch motivierten Angriff auf einen alternativen Teil der demokratischen Zivilgesellschaft«.

In Weißwasser ist die abschließende Entscheidung noch nicht gefallen. Anfang Mai wurde die Abstimmung im Stadtrat vertagt; an diesem Mittwoch befasst sich das Gremium erneut mit der Frage. Das SKZ rechnete vor, dass es rechnerisch um einen Zuschuss von 2,19 Euro je Einwohner geht, gleichzeitig aber ein Haus in Gefahr ist, das 30 000 Besucher im Jahr zählt, 15 Mitarbeiter beschäftigt und ohne das eine »Lücke in der kulturellen Daseinsvorsorge« gerissen würde. Das sehen auch zahlreiche Bürger so. Sie haben auf einen Aufruf der Stadträte von Pro Weißwasser hin Geld gespendet, das an die Stadt fließt mit der Auflage, es für die Förderung des Telux einzusetzen. Bis Dienstag waren gut 33 000 Euro zusammengekommen, drei Viertel der erforderlichen Summe. Zumindest für dieses Jahr sieht es so aus, als könne das Telux gerettet werden.

Wir sind käuflich.

Aber nur für unsere Leser*innen. Damit nd.bleibt.

Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen aufgreifen
→ marginalisierten Stimmen Raum geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten voranbringen

Werden Sie Teil unserer solidarischen Finanzierung und helfen Sie mit, unabhängigen Journalismus möglich zu machen.