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Lichtenberg 47: Stadionposse entpuppt sich als Parteienstreit
Ein neues Dach für das Hans-Zoschke-Stadion wird immer unwahrscheinlicher
In Lichtenberg sorgt eine halbe Million Euro für Diskussionen und Schuldzuweisungen. Das Geld steht dem Bezirk für den Bau eines Dachs für eine Tribüne im Hans-Zoschke-Stadion zur Verfügung. Bis Ende des Jahres wird es aber wohl kaum ausgegeben werden und dürfte damit verfallen. Im Zentrum der Kritik steht die linke Bezirksstadträtin für Stadtentwicklung Camilla Schuler. Gegenüber »nd« hatte Schuler behauptet, auf Antrag könne die Zweckbindung und die Ausgabefrist der 500 000 Euro korrigiert werden.
Bereits im Juli 2021 hatte der Berliner Senat dem Bezirk Lichtenberg die Summe aus dem Vermögen der Parteien- und Massenorganisationen der ehemaligen DDR (PMO) zur Verfügung gestellt. Zuletzt hatte eine Anfrage des SPD-Abgeordneten Sebastian Schlüsselburg ergeben, dass eine zweckgebundene Ausgabe in diesem Jahr nicht vorgesehen sei. Demzufolge plane der Bezirk zunächst eine Machbarkeitsstudie bis 2026 und den Dachbau bis 2030 abzuschließen. Der Bau des Stadiodaches in näherer Zukunft scheint daher unwahrscheinlich.
Die Aussage Schulers, die Ausgabefrist könne über 2025 hinaus verlängert werden, sei eine »Falschbehauptung«, so Schlüsselburg. Als Beleg legt er unter anderem ein Schreiben der Senatsverwaltung für Finanzen an das Sportamt des Bezirks vom August 2023 vor. Daraus geht einerseits hervor, dass dem Umwidmungsantrag von einer »Teilüberdachung« hin zu »Sanierungsmaßnahmen am Hans-Zoschke-Stadion« stattgegeben wird. Andererseits wird sogleich darauf hingewiesen, dass die Mittel bis zum 31. Dezember 2025 ausgegeben sein müssen. »Eine Verlängerung dieser Frist ist ausgeschlossen.«
»Entweder sie wusste nicht, dass die Mittel nicht verlängerbar sind«, erklärt Schlüsselburg mit Blick auf die Aussage von Bezirksstadträtin Schuler. »Dann würde sie ihren Job nicht sorgfältig genug machen.« Oder sie habe bewusst die Unwahrheit gesagt, um sich aus der Verantwortung zu stehlen. Solch ein Verhalten würde dem Ansehen des Bezirksamtes schaden, glaubt Schlüsselburg, dessen Wahlkreis in Lichtenberg liegt. Die Menschen würden zu Recht erwarten, »dass die zuständigen Politiker ihrer Verantwortung auch nachkommen, anstatt sie wegzuschieben«.
Wie Schlüsselburg hatte auch Michael Grunst, Präsident des Vereins SV Lichtenberg 47, dessen Heimstätte das Stadion ist, Schuler vorgeworfen, »trotz klarem Auftrags nichts« gemacht zu haben. Grunst war bis 2023 Bezirksbürgermeister von Lichtenberg. Wie Schlüsselburg trat er im Januar dieses Jahres aus der Linken aus und in die SPD ein.
Bezirksstadträtin Schuler hält auf erneute Nachfrage an ihrer Aussage »selbstverständlich« fest. Das Sportamt des Bezirks könne und müsse einen Antrag auf »Verschiebung der Mittel in spätere Jahre oder auf neue Mittel stellen«. Inwiefern eine Umwidmung der Gelder für einen anderen Zweck infrage käme, sei vom Sportamt zu prüfen.
»Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Kosten allein für das Stadiondach 500 000 Euro bei Weitem übersteigen.«
Camilla Schuler (Linke)
Bezirksstadträtin für Stadtentwicklung
Eine Machbarkeitsstudie sei bei Baumaßnahmen ein Regelverfahren. Sie sei notwendig, um Risiken zu ermitteln und die Gesamtkosten für die Herstellung der Ligatauglichkeit des Stadions zu ermitteln. »Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Kosten allein für das Stadiondach 500 000 Euro bei Weitem übersteigen«, sagt Schuler weiter. Eine sorgsame Prüfung sei insbesondere vor dem Hintergrund der angespannten Haushaltslage geboten. Zudem würde es sich um Ausgaben für eine Sportstätte handeln, die »ausschließlich von einem kommerziell agierenden Sportverein genutzt wird«. Dass die Machbarkeitsstudie erst 2026 abgeschlossen sei, hatte Schuler mit zuvor fehlenden Mittel dafür erklärt. »Selbst ohne Machbarkeitsstudie sind Planungsschritte erforderlich«, teilt die Bezirksstadträtin nun mit. In diesem Jahr könnten also »maximal geringfügig Mittel für Planungsleistungen und Gutachten abfließen«.
Schulers Kollegin im Sportamt ist Bezirksstadträtin Sandy Mattes (SPD). Ihr Austausch mit der Senatsverwaltung für Finanzen habe ebenfalls ergeben, dass eine Fristverlängerung nicht möglich sei. Sie bemühe sich darum, andere Optionen zu finden, um die Teilüberdachung zeitnah umzusetzen.
Die Finanzverwaltung bestätigt Mattes’ Aussage: Verlängerungen seien nicht vorgesehen. Sofern ein Alternativprojekt die Vorgaben der PMO-Mittel erfülle, sei eine Umwidmung aber nicht ausgeschlossen, erklärte ein Sprecher. Die Deadline Ende 2025 bleibe allerdings bestehen.
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Der Streit ums Stadiondach vollzieht sich auch vor einer permanenten Postenrochade in den zuständigen Ressorts des Bezirksamtes. Mattes hat im Juli 2024 das Sportamt übernommen. Seit Juli 2021 hatte dessen Führung bereits viermal gewechselt. Das Amt für Stadtentwicklung liegt seit Dezember 2023 in den Händen von der Linke-Politikerin Schuler. Zuvor war Kevin Hönicke (SPD) seit 2020 Bezirksstadtrat in dem Ressort.
»Auch damals passierte nichts«, erwidert Antonio Leonhardt die Kritik seiner ehemaligen Parteikollegen Schlüsselburg und Grunst. Leonhardt ist in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV) Vorsitzender des Stadtentwicklungsausschusses und bildet mit Schuler zusammen den Bezirksvorstand der Linken in Lichtenberg. Leonhardt zufolge obliege die Planung dem Sportamt und die Bausausführung dem Amt für Stadtentwicklung. Erst Anfang 2025 seien die Pläne des Sportamtes zugegangen, wobei »Mängel ausgemacht wurden, insbesondere was die Statik, den Brandschutz und die Altlasten betrifft«. Leonhardt spricht von einer nicht unwahrscheinlichen Schadstoffbelastung der Trümmer, auf denen das Stadion gebaut ist.
Auch Leonhardt glaubt nicht mehr an die Realisierung des Projekts durch die PMO-Mittel. »Das Kind ist 2024 schon in den Brunnen gefallen.« 500 000 Euro seien zu wenig und mehr Geld nicht vorhanden, sagt er.
Unterdessen hat sich der ganze akute Handlungsbedarf mit dem vergangenen Wochenende erst mal erledigt. Der Verein SV Lichtenberg 47 spielte 2021, als die Gelder bewilligt wurden, in der Regionalliga Nordost, obwohl die Spielstätte als solche nur behelfsweise die Auflagen dafür erfüllte. Unter anderem fehlte eine Überdachung für 100 Plätze. Aktuell spielt der SV in der Oberliga Nord. Einen möglichen Aufstieg in die Regionalliga hat das Team jüngst verpasst. Dieser wäre nur möglich gewesen, wenn der Konkurrent BFC Preußen sich bei Optik Rathenow eine Niederlage abgeholt hätte. Das Spiel endete jedoch 1:1.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version hatten wir die Kritik von Sebastian Schlüsselburg und Michael Grunst an der Arbeit von Camilla Schuler in die Nähe von rein partei-strategischem Verhalten gestellt. Wir haben für diese Mutmaßung keine Belege und die entsprechende Stelle gelöscht.
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