1 FC Lokomotive Leipzig: Zwei Spiele für eine bessere Zukunft

Die Fußballer von Lok Leipzig spielen gegen den TSV Havelse um den Aufstieg in die 3. Liga

  • Ullrich Kroemer, Leipzig
  • Lesedauer: 5 Min.
Wenn die Blau-Gelben am Mittwoch wieder im Bruno-Plache-Stadion auflaufen, dann zum wichtigsten Spiel von Lok Leipzig der jüngeren Vergangenheit
Wenn die Blau-Gelben am Mittwoch wieder im Bruno-Plache-Stadion auflaufen, dann zum wichtigsten Spiel von Lok Leipzig der jüngeren Vergangenheit

Als Toni Wachsmuth am Tag vor dem großen Spiel einen Blick in das leere Bruno-Plache-Stadion wirft, werden auf der alten Holztribüne gerade Brandschutzbleche montiert – eine Auflage des DFB vor dem Hinspiel der Relegation um den Aufstieg in die 3. Liga. An diesem Mittwoch empfängt der 1. FC Lokomotive Leipzig in Probstheida den Meister der Regionalliga Nord, TSV Havelse. Am Sonntag nach dem Rückspiel ist dann klar, wer kommende Saison im bezahlten Fußball spielen darf.

Traditionsverein mit Strahlkraft

Seit dem Abstieg von Lok-Vorgänger VfB Leipzig aus der Oberliga im Jahr 2000 hat die »Loksche« ein Vierteljahrhundert Aufbauarbeit hinter sich, samt Neugründung in der 3. Kreisklasse. »Der erste Deutsche Meister würde in den Profifußball zurückkehren – mehr historische Tragweite für den Verein, für die ganze Stadt geht nicht«, sagt Sportdirektor Wachsmuth. »Das wäre natürlich ein absoluter Meilenstein, und wir haben eine riesige Chance, diesen Weg zu gehen.« Er selbst ist eine der Schlüsselfiguren für den Aufschwung der Blau-Gelben. Der gebürtige Thüringer, der selbst in Jena, Cottbus, Chemnitz und Zwickau Fußball spielte und 2019 dann Manager wurde, wohnt bereits seit zehn Jahren in Leipzig. Bei Lok war er anfangs nur sporadisch, doch als er im Herbst 2023 einmal mit Ex-Präsident Torsten Kracht ins Gespräch kam, reizte Wachsmuth die Aura des Traditionsvereins – »diese Fanbase, diese Strahlkraft, die dieser Klub einfach hat«.

Im Frühjahr 2024 begann Wachsmuth als sportlicher Berater, Lok spielte als Zehnter der Regionalliga Nordost zwar eine enttäuschende Saison, stellte aber einen neuen Zuschauerrekord auf. Ein Zeichen für den inzwischen 38-Jährigen, dass der Verein lebt und lediglich neue sportliche Orientierung benötigt. Im Juli wurde Wachsmuth dann offiziell Sportdirektor. Seine wichtigste Aufgabe hatte er da schon erledigt, die frühzeitige Verpflichtung von Trainer Jochen Seitz im April 2024.

Trainer als Geheimtipp

Der ehemalige Bundesligaprofi Seitz war als Trainer bei Bayern-Regionalligist Viktoria Aschaffenburg ein Geheimtipp. »Mir war ganz wichtig, eine charakterstarke Mannschaft zu haben und ein Teamgefühl zu schaffen. Dazu brauchten wir einen Trainer, der das absolut vorlebt und permanent einfordert«, erzählt Wachsmuth, »jemandem, der Lok Leipzig lebt und in die Liga passt, der einen klaren Plan und eine klare Struktur vorgibt.« Mithilfe seines Netzwerks fand Wachsmuth mit dem zehn Jahre älteren Seitz genau diesen Trainertypen, mit dem er dann den Umbruch im Team mit gleich 13 neuen Spielern einleitete.

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Das Erfolgsduo beschäftigte sich intensiv mit den Charakteren – und fand Spieler, die nun in Leipzig füreinander einstehen. »Wir haben gerade auf den Schlüsselpositionen Wert darauf gelegt, nicht nur sportliche Qualität, sondern auch Charakterstärke dazuzuholen.« Um eine funktionierende Achse herum wuchs ein stabiles Team, das die wenigsten Gegentore der Liga kassierte.

Vor der Saison galt Lok mit einem Etat von etwa drei Millionen Euro als Kandidat für die Plätze sechs bis acht, die Favoritenrolle hatten Vereine wie der Absteiger Hallescher FC, Chemnitzer FC, Greifswalder FC und Carl Zeiss Jena inne. »Wir waren in der Saison davor die negative Überraschung, nun haben wir uns vorgenommen, die positive zu werden«, erzählt Wachsmuth und lächelt. »Das ist gelungen, dahinter können wir einen Haken machen.«

Relegations trotz Meisterschaft

Doch trotz der Meisterschaft und dem Sieg im Landespokal am vergangenen Sonnabend gegen Drittligist Erzgebirge Aue vor der Rekordkulisse von mehr als 12 000 Fans muss Lok aber erst noch die Relegation passieren, um endlich in der Drittklassigkeit anzukommen. An den Vorraussetzungen dafür wird seit Monaten auf Hochtouren gearbeitet. Im Juni wird der altehrwürdige Rasen im »Bruno« abgetragen und versteigert. Für etwa 1,5 Millionen Euro wird wie in Liga drei gefordert eine Rasenheizung eingebaut, mehr Sitz- und Presseplätze werden geschaffen – auch wenn es mit dem Aufstieg nicht klappt.

Ein Stück Rasen wird sich auch Wachsmuth für den eigenen Garten sichern. Genau wie die vielen treuen Fans, von denen die meisten aus dem Osten der Stadt und dem Umland kommen, darunter auch wieder viele Jugendliche. »Wir haben nicht nur eine bestimmte Fanklientel, das ist ein Querschnitt der Gesellschaft, in dem sich alle positiven und negativen Themen unserer Gesellschaft widerspiegeln«, sagt Martin Mieth. Der Geschäftsführer, seit 2013 im Klub, hat damals maßgeblich daran mitgewirkt, rechtsextreme Gruppen aus dem Stadion zu verbannen – Vorstandsmitglieder standen unter Polizeischutz.

Harte Arbeit bei Lok

Heutzutage steht auf einer Bande im Stadion: »Echt keen Bock auf Rassismus.« Keiner im sechsköpfigen Geschäftsstellenteam kann garantieren, dass es in Zukunft keine unschönen Zwischenfälle mehr geben wird. Doch entscheidend ist, dass sich die Vereinsführung seit Jahren klar gegen Rassismus positioniert und wichtige Bildungsarbeit mitorganisiert. So verlegen seit Jahren U15-Spieler Stolpersteine, im vergangenen Jahr nahmen Akteure des Vereins an Workshops über den Umgang mit Rassismus und Diskriminierung teil. »Man braucht Durchhaltevermögen und klare Werte, die wir 2015 verankert haben«, sagt Mieth zum Wandel in der Fanszene. Lok ist mit viel harter Arbeit auf dem richtigen Weg – nicht nur auf dem Rasen.

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