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US-Amerikaner sollen hetzen dürfen
Washington droht EU mit Visabeschränkungen wegen »Zensur« – und verschärft diese auch gegen Studierende
US-Außenminister Marco Rubio hat Visabeschränkungen gegen ausländische Verantwortliche angekündigt, die sich aus Sicht von Washington an der »Zensur« von Online-Inhalten gegen US-Bürger*innen oder -Unternehmen beteiligen. »Wer die Rechte der Amerikaner untergräbt, soll nicht in die USA reisen dürfen«, schrieb Rubio am Mittwoch auf X – kurz vor einem Treffen mit Bundesaußenminister Johann Wadephul (CDU). Die Maßnahme gelte für Verantwortliche »in Lateinamerika, Europa oder anderswo«.
Rubio kritisierte besonders ausländische Amtsträger*innen, die »von amerikanischen Technologieplattformen verlangen, globale Inhaltsmoderationsrichtlinien zu übernehmen oder sich an Zensurmaßnahmen zu beteiligen, die über ihre Zuständigkeit hinausgehen und in die Vereinigten Staaten hineinwirken«. Nach Angaben des US-Außenministeriums könnten auch Familienangehörige von Visabeschränkungen betroffen sein.
Im Fokus der US-Kritik steht die EU-Kommission, nachdem sie im Februar angekündigt hat, neue Digitalgesetze auch gegenüber amerikanischen Konzernen durchzusetzen. Im April verhängte Brüssel unter Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen Bußgelder in Höhe von 700 Millionen Euro gegen Apple und Meta wegen Verstößen gegen das Gesetz für digitale Märkte (DMA). Von der Leyen könnte damit ebenso von Rubios Drohungen betroffen sein.
Eine erste Attacke gegen die EU-Regulierung kam im Februar bereits von US-Vizepräsident JD Vance. Bei der Münchener Sicherheitskonferenz warf er europäischen Regierungen in einer irritierenden Rede vor, mit Gesetzen gegen US-Konzerne und der politischen Ausgrenzung der rechtsextremen AfD die Meinungsfreiheit einzuschränken.
Häme über die Ankündigung Rubios’ vom Mittwoch kam von der »Bild«-Zeitung, die die Debatte über angebliche Einschränkungen der Meinungsfreiheit in Deutschland seit dem vergangenen Jahr gemeinsam mit rechten Medien wie »Nius« und »Apollo News« anheizt. »Keine Visa mehr für Social-Media-Aufseher«, titelte die Zeitung am Mittwoch und spekulierte: »Der Visa-Bann könnte gleichermaßen Politiker, spezielle Hate-Speech-Staatsanwälte und Nichtregierungsorganisationen betreffen.«
Die rechten Medien haben sich besonders auf lizensierte Meldestellen eingeschossen, die mit staatlicher Förderung Hass im Netz aufspüren und Betroffene darüber informieren sollen – damit wird in Deutschland der von der EU erlassene Digital Services Act (DSA) umgesetzt. Ein zu diesem Thema durchgeführter bundesweiter »Aktionstag« wurde letztes Jahr vom US-Sender »CBS« begleitet. Dieses Video – und die Verwunderung der Macher*innen über in Deutschland mögliche Beschränkungen der Meinungsfreiheit – hatte den US-Vizepräsidenten schließlich zu seiner Tirade auf der Münchner Sicherheitskonferenz veranlasst.
Parallel zu Rubios neuen Drohungen berichten US-Medien über eine interne Anweisung, wonach die Bearbeitung von Visa für alle ausländischen Studierenden in dem Land bis auf Weiteres komplett ausgesetzt wird. Zusätzlich plane das Außenministerium eine erweiterte Prüfung von Social-Media-Aktivitäten bei Visaanträgen. Offiziell hat die Regierung diese Pläne bislang nicht gemacht. Mehrere US-Medien berichteten, US-Botschaften und Konsulate seien weltweit angewiesen worden vorerst keine neuen Termine für entsprechende Visa-Anträge zu vergeben.
Bundesaußenminister Wadephul wollte in Washington erreichen, dass die US-Visaauflagen nicht für deutsche Studierende gelten. Gegenüber Rubio konnte er dies aber angeblich nicht direkt ansprechen. Wadephul betonte bei seinem Besuch, die Bundesregierung stehe für Meinungsfreiheit und Wissenschaftsfreiheit ein.
Die Maßnahme setzt damit Repressalien fort, mit denen die Trump-Regierung insbesondere gegen ausländische Studierender vorgeht, die sich kritisch zu Israels Gaza-Krieg geäußert haben oder an entsprechenden Protesten beteiligt gewesen sind. Bereits zuvor war aus ähnlichen Gründen der Elite-Universität Harvard die Genehmigung zur Einschreibung internationaler Studierender entzogen worden – ein Gericht stoppte dies jedoch vorläufig.
Besonders betroffen sind von den Verschärfungen auch in den Vereinigten Staaten studierende Chines*innen: Die US-Regierung will ihnen erteilte Aufenthaltserlaubnisse entziehen und die Regeln für künftige Anträge verschärfen. Außenminister Rubio teilte knapp mit, seine Behörde werde mit dem Heimatschutzministerium »chinesischen Studenten, darunter solchen mit Verbindungen zur Kommunistischen Partei oder in kritischen Studienfächern, aggressiv das Visum aberkennen«. Mit Agenturen
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