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Kongo: »Die Lage hat sich drastisch verschlechtert«
Manenji Mangundu über das Friedensabkommen mit den Rebellen und die humanitäre Lage im Ostkongo
Mit Katar als Vermittler wurde vor gut einem Monat ein unerwartetes Friedensabkommen zwischen der Regierung der DR Kongo und den M23-Rebellen erzielt, das dann am 25. April in Washington unterzeichnet wurde. Zuvor waren die Friedensverhandlungen auf verschiedenen Ebenen gescheitert. Ruandas Präsident Paul Kagame, der die M23 unterstützt, erschien nicht einmal zur Unterzeichnung eines Friedensabkommens in Angola Ende November 2024. Hat der Frieden bis jetzt gehalten?
Es gibt keinen Frieden im Osten Kongos. In der Region sind ja nicht nur die Rebellen der M23 und die kongolesische Armee aktiv, sondern rund 200 nicht-staatliche bewaffnete Gruppen. Sie partizipieren an der Ausbeutung der Rohstoffe, zum Beispiel Gold, Tantal, Wolfram und Zinn, sichern die Minen in der Region gegen Bezahlung. An Städten wie Goma oder Bukavu, die von der M23 eingenommen wurden, haben sie kein Interesse. Die Kämpfe rund um das Minengeschäft gehen weiter. Um einen Frieden im Osten Kongos zu erreichen, müssten zumindest die wichtigsten dieser bewaffneten Gruppen mit einbezogen werden. Sie sind die fehlenden Teile in einem Friedenspuzzle. Wie ein Deal Zugang zu Rohstoffen gegen Frieden ausgehandelt werden könnte, ist die große Frage. Wie können die Demokratische Republik Kongo und Ruanda, das hinter der M 23 steht, Frieden erreichen, solange so viele bewaffneten Gruppen aktiv sind? Daran ist auch die Regierung von Joseph Kabila von 2001 bis 2019 immer wieder gescheitert, die der seit 2019 amtierenden Regierung von Félix Tshisekedi voranging.
Manenji Mangundu ist Direktor der Hilfsorganisation Oxfam in der Demokratischen Republik Kongo. Dort hat sich in den vergangenen Monaten durch den Vormarsch der Rebellengruppe M23 sowie die Kürzungen der US-Entwicklungsagentur USAID die humanitäre Krise verschärft.
Es bedarf also eines umfassenderen Friedensabkommens als jenes vom April zwischen DR Kongo und der M23?
Ja, es müssen viel mehr Anführer bewaffneter Gruppen mit an den Tisch und die Nachbarländer, nicht nur Ruanda, sondern auch Uganda und Burundi, die auf Einladung der Regierung der DR Kongo mit Truppen im Osten Kongos präsent sind. Es ist sehr kompliziert. Die Verhandlungen im Rahmen des Luanda-Prozesses und des Nairobi-Prozesses konnten den Osten Kongos nicht befrieden. Im ersteren ging es um Gespräche zwischen den Regierungen der DR Kongo und Ruanda, im letzteren um Direktverhandlungen zwischen Kongos Kriegsparteien. Ob Katar als Vermittler mit Unterstützung der USA einen anderen Ansatz verfolgt als Angola oder Kenia, ist noch nicht klar.
Offensichtlich haben die M23-Rebellen derzeit die Oberhand. Seit Anfang des Jahres haben sie einen großen Landstrich an der Grenze zum benachbarten Ruanda eingenommen, darunter zwei Millionenstädte: Goma und Bukavu. Sie sind dabei, dort einen Staat im Staat zu errichten, in dem sie Steuern von der Bevölkerung eintreiben. Wie beurteilen Sie diese Entwicklung?
Wir selbst als Nichtregierungsorganisation sind ja auf die Zusammenarbeit mit den Behörden angewiesen, bei der Visa-Vergabe zum Beispiel. Für uns ist weiter die Regierung in Kinshasa der Ansprechpartner, solange die M23 nicht autorisiert wird. Mit den Steuern ist es teilweise schwierig, das mit der M23 auszuhandeln. Wo wir für den Staat einspringen, Versorgung mit Hilfsgütern übernehmen, verweigern wir es, auch noch Steuern zu zahlen.
Wie hat sich die humanitäre Lage im Ostkongo seit der Machtübernahme durch die M23 entwickelt?
Die Lage hat sich drastisch verschlechtert. Durch die Übernahme von Goma mit seinen zwei Millionen Menschen und Bukavu mit seinen knapp 1,5 Millionen sind viele Hilfsbedürftige hinzugekommen, denn viele Bewohner dieser Städte waren durch die Offensive betroffen. 2024 waren im Kongo rund 5,6 Millionen Binnenflüchtlinge auf Unterstützung angewiesen, jetzt sind es 7,8 Millionen. Die Situation verschärft sich dadurch, dass der Bedarf steigt und die internationalen Mittel gekürzt werden. Bekanntlich hat der größte Geber, die US-Entwicklungsagentur USAID, seine Mittel auch für die DR Kongo gestrichen. Rund 70 Prozent der humanitären Hilfe im Kongo kamen aus den USA. Sie können sich vorstellen, was das für die 7,8 Millionen Vertriebenen bedeutet, wenn sie keinen gesicherten Zugang zu Nahrung, Gesundheit und Trinkwasser haben. Wir werden gezwungen sein, die Versorgung mit Trinkwasser und mit Latrinen zu kürzen. Das erhöht das Risiko für Cholera, Masern und Mpox.
Mit weniger Mittelzufluss haben sich die Arbeitsbedingungen für Oxfam demnach ebenfalls verschlechtert?
Ja. Wir haben mit Hilfe von USAID 750 000 Menschen erreicht, alle Mittel wurden gestrichen. Die Budgetkürzungen von USAID sind lebensbedrohlich für eine halbe Million Menschen im Osten der Demokratischen Republik Kongo. Viele Programme können nur mit starker Einschränkung fortgeführt werden. Wir haben weiter die Kapazitäten, die Pläne, um zu helfen, aber ohne ausreichende Mittel wird es schwierig. Zuerst kam der Schock durch die Offensive der M23, dann die Kürzungen von USAID. Wir mussten Mitarbeiter entlassen, deren Familien sind betroffen und eben auch die Hilfsbedürftigen.
Wer könnte in die Bresche springen für USAID? Die UN, die EU?
Wir appellieren an die internationale Gemeinschaft. Die UN ist in einer ähnlichen Lage wie die Hilfsorganisationen und Kürzungen ausgesetzt. Wir hoffen darauf, dass die EU sich stärker einbringt als bisher. Die EU ist schon ein wichtiger Geber bisher, speziell große Länder wie Deutschland, in Europa kommt auch Großbritannien noch dazu. Sie sollten jetzt noch zulegen, wo die USA wegfallen. Leider leben wir in einer Welt, in der es eine große Konkurrenz um Mittel gibt angesichts der großen Herausforderungen: vom Ukraine-Krieg über den Krieg in Gaza bis hin zu den Kriegen im Sudan oder Ost-Kongo. Und in vielen Ländern des Globalen Südens sind auch die Folgen von Covid noch nicht überwunden. Insofern besteht große Notwendigkeit, dass die EU und ihre Mitgliedstaaten die Mittel für humanitäre Hilfe aufstocken. Alles andere verschärft die Krise.
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