Steuersenkungen: Mitnahmeeffekte für Unternehmen

Die Klingbeil-Pläne ergeben finanziell und wirtschaftlich wenig Sinn

Der Finanzminster in freudiger Erwartung der Kabinettssitzung
Der Finanzminster in freudiger Erwartung der Kabinettssitzung

Es ist der erste große Wurf des neuen Finanzministers: Das schwarz-rote Bundeskabinett beschloss bei seiner Sitzung am Mittwoch in Berlin ein Gesetzespaket von Lars Klingbeil. »Wir kurbeln mit unserem Investitionsbooster jetzt die Wirtschaft an«, erklärte der SPD-Politiker im Anschluss erfreut. »Damit sichern wir Arbeitsplätze und bringen Deutschland wieder auf Wachstumskurs.«

Bei dem Vorhaben, das bereits ab diesem Donnerstag im Bundestag beraten werden soll, geht es um kurz-, aber auch mittelfristige steuerliche Maßnahmen. So sollen Unternehmen in den Jahren 2025 bis 2027 Sonderabschreibungen in Höhe von bis zu 30 Prozent für Investitionen in bewegliche Wirtschaftsgüter wie Maschinen tätigen können. Ebenfalls geplant sind eine großzügigere Ausgestaltung der steuerlichen Forschungszulage und die Einführung einer weiteren Sonderabschreibung für den Kauf von Elektroautos. Kauft ein Unternehmen ein E-Auto, soll es künftig 75 Prozent der Kosten bereits im Jahr der Anschaffung von der Steuer absetzen können. Und schließlich ist geplant, von 2028 bis 2032 den Satz der Körperschaftsteuer auf Gewinne in fünf Schritten von derzeit 15 auf nur noch zehn Prozent zu senken.

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Da die Einnahmeausfälle des Fiskus auf Länder und Kommunen durchschlagen würden, muss der Bundesrat dem Vorhaben zustimmen. Unter den Ländern herrscht indes bei Weitem nicht nur Freude. »Die Investitionsmilliarden verpuffen einfach, wenn Ländern und Kommunen in ihren Kernhaushalten die Einnahmen wegfallen«, warnte Saarlands SPD-Ministerpräsidentin Anke Rehlinger im Nachrichtenportal T-Online. Ihr Thüringer Kollege Mario Voigt (CDU) sagte: »Ein Investitionsbooster ist sinnvoll – aber wer bestellt, muss auch bezahlen.« Zudem brauche es eine grundlegende Lösung, statt bei jeder Entscheidung zu feilschen.

Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU), der in seiner Oppositionszeit ähnliche Töne von sich gegeben hatte, stellte am Mittwoch auf dem Deutschen Kommunalkongress eine neue Zusammenarbeit zwischen Bund, Ländern und Kommunen in Aussicht, ohne aber konkret zu werden. Er sprach lieber über eine »bürokratiearme« Verteilung der Mittel aus dem 100-Milliarden-Sondervermögen für Infrastruktur. Um die kommunale Ebene zu entlasten, sagte Merz, solle »eine umfassende Ausgabenüberprüfung auch im Sozialrecht« vorgenommen werden. Diese zentralen Fragen hätten die Ministerpräsidenten mit dem Kanzler gerne an diesem Donnerstag besprochen – doch die Länderchefs müssen alleine beraten, da Merz zur gleichen Zeit in Washington den US-Präsidenten trifft.

Dabei geht es um erkleckliche Summen, zumal die Bundesregierung weitere Dinge plant, die auch Länder und Kommunen belasten würden. Allein das aktuelle Klingbeil-Paket soll gemäß den offiziellen Berechnungen bis zum Jahr 2029 zu Mindereinnahmen von mehr als 48 Milliarden Euro führen – davon 16,7 Milliarden für die Länder und 13,5 Milliarden Euro für die besonders finanzschwachen Kommunen.

»Mit Abschreibungserleichterungen wird nicht ein Euro mehr investiert und keine zusätzliche Nachfrage geschaffen.«

Heinz-J. Bontrup Ökonom

Der Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Frank Werneke, warnt daher, dass der »Investitionsbooster« ohne ausreichende Kompensation einem »finanziellen Todesstoß für viele Städte und Gemeinden« gleichen könnte. »Das darf nicht passieren, deswegen müssen die Mindereinnahmen komplett ausgeglichen werden«, sagte Werneke. Bereits jetzt befänden sich viele Kommunen am Rande der Pleite – mit einem Gesamtdefizit im vergangenen Jahr von allein 24 Milliarden Euro sowie Kassenkrediten bei überschuldeten Kommunen im Volumen von weiteren 36 Milliarden Euro, rechnet der Gewerkschafter vor.

Die Regierung geht davon aus, dass die Steuersenkungen zeitnah für mehr Wachstum sorgen werden, was bei der Gegenfinanzierung hilft. Tatsächlich dürfte das Vorhaben auch volkswirtschaftlich wenig bringen: »Mit Abschreibungserleichterungen wird nicht ein Euro mehr investiert und keine zusätzliche Nachfrage geschaffen«, kritisiert der Ökonom Heinz-J. Bontrup gegenüber »nd«. »Der Steuereffekt wirkt außerdem nur bei Unternehmen, die Gewinne erzielen, und die brauchen keine Geschenke des Staates, die zu Steuerausfällen führen.« Klingbeil verursache insofern »gesamtwirtschaftliche Fehlallokationen«. Ferner kritisiert Bontrup, dass nicht zwischen Ersatz- und Erweiterungsinvestitionen unterschieden werde. Bei Ersatzinvestitionen komme es aber zu »reinen Mitnahmeeffekten« durch Abschreibungserleichterungen.

Für Bontrup ist zudem die geplante Körperschaftsteuersenkung vor dem Hintergrund einer nicht gegebenen Vermögensteuer sowie einer hohen Armutsquote im Land »ein gesellschaftlicher Skandal«. Er spricht von »reinen Unternehmergeschenken, die am Ende nur die Umverteilung zu Gunsten des Profits nach Steuern erhöhen wird«. Bontrup sieht zudem eine Diskriminierung, da die Körperschaftsteuer nur für Kapitalgesellschaften gilt, während Personengesellschaften und Einzelunternehmer leer ausgingen.

Die Linke wiederum beklagt bei den Plänen eine soziale Schieflage. Parteichefin Ines Schwerdtner spricht von einem »Vermögensbooster für die Oberschicht«, während durch das von Klingbeil geplante Gesetz die Steuern für Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen gar nicht gesenkt würden. Die Entlastungen für die Unternehmen würden hauptsächlich »an die Aktionäre verteilt« werden, kritisiert Schwerdtner und fordert stattdessen Entlastungen für kleine und mittlere Einkommen, weil nur dies die Binnennachfrage stärken würde.

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